Neubürger in Klecken-Mitte leiden unter mangelhafter Internetversorgung. Telekom räumt technische Engpässe ein

Rosengarten-Klecken. Viele Hamburger weichen auf Gemeinden wie Rosengarten aus, um sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen. Im Umland sind die Grundstücke größer und die Immobilienpreise erschwinglicher. Auch für Marc Hagemann, Christina Scheunemann und rund 60 weitere Nachbarn im Neubaugebiet Klecken Mitte war das einer der Gründe, der Stadt den Rücken zu kehren. Doch dann erlebten sie die böse Überraschung: Kein Internet oder wenn doch, dann mit einer Datenübertragung im Schneckentempo. Sie haben viel Geld in ihr eigenes Heim im Grünen investiert, leben aber abgeschnitten vom Netz. Und das seit Monaten.

Ein Leben ohne Internetanbindung kam in der Welt dieser Menschen vor ihrem Umzug nach Klecken schlicht nicht vor. Für die meisten der Neubürger in den Straßen „Hoyer Bogen“ und „Auf dem Gallieck“ ist das Internet nicht Spaß, sondern Arbeit. Informatiker, Grafiker und Webdesigner sind in das Neubaugebiet gezogen. Menschen, für die das weltweite Netz ein unverzichtbarer Teil ihrer Arbeit ist. Immer erreichbar, Tag und Nacht online zu sein, gehört für sie zum Leben dazu. Eigentlich.

Seitdem sie in der Gemeinde Rosengarten wohnen, müssen sie gravierende Nachteile in ihrem Beruf hinnehmen. Bevor sich Marc Hagemann, der als IT-Projektleiter für den Otto-Versand tätig ist, für ein Haus im Grünen entschied, hatte er immer wieder am Wochenende oder zu Urlaubszeiten seiner Kollegen den Bereitschaftsdienst übernommen, wenn eine neue Systemlösung eingeführt wurde. Seitdem er in Klecken wohnt, ist das unmöglich. „Ohne funktionierendes Internet habe ich da keine Chance“, sagt er.

Die Beispiele lassen sich so fortführen. Frank Döhring, Chef des Customer-Services eines Unternehmens für Medizintechnik, kann ausschließlich per Mail mit seiner Firma kommunizieren, da sie in der Schweiz sitzt. Doch in seinem Home-Office im Keller ist Funkstille.

Wer zu den wenigen mit Internet-Anschluss zählt, dreht zum Teil mit dem Laptop in der Hand Runden ums Haus – immer auf der Suche nach einer besseren Datenübertragung. Dabei wurde den Anwohnern eine DSL-Geschwindigkeit von bis zu 16.000 Kilobit pro Sekunde vertraglich zugesichert. Doch nicht einmal die Untergrenze werde erfüllt, so Sven Schliesing. Der Informatiker misst die Geschwindigkeit seines Anschlusses regelmäßig. Die Übertragungsrate komme dem gleich, was ein Modem vor 20 Jahren geleistet habe, so Schliesing.

Für die Anwohner heißt das: Sie müssen sich in ihrer Arbeit einschränken. Die junge Mutter Ina Biermann, die bei einer Internet-Firma als Controllerin arbeitet, würde gerne ihre 25 Arbeitsstunden pro Woche erhöhen, indem sie von zuhause arbeitet. Aber dort ist sie schlicht per Mail nicht erreichbar. „Für meinen Arbeitgeber ist so etwas völlig unverständlich“, sagt sie. Auch Christina Scheunemann hindert das fehlende Internet daran, ihren Arbeitsalltag flexibler zu gestalten. Sie würde gerne mal früher nach Hause fahren, um die quälenden Staus auf der Autobahn zu umgehen. Aber ohne Internetanschluss in ihrem Haus ist die Online-Redakteurin an ihren Arbeitsplatz festgenagelt.

Noch vor einem Jahr erschien alles so einfach. Die Telekom habe ihr, so Christina Scheunemann, die problemlose Übertragung des Vertrags mit Telefon, t-entertain und sky-Bundesliga inklusive DSL bestätigt. Doch als sie mit ihrem Mann Mitte November 2013 ins neue Haus in Klecken umzog, gab es nur den analogen Telefonanschluss. Die angekündigte Freischaltung des Internets für eine Woche später erfolgte bis heute nicht.

Monatelang versuchte Christina Scheunemann etwas bei der Telekom zu bewegen. Sie schrieb mehrere E-Mails, telefonierte mit dem Callcenter, machte deutlich, dass das Internet beruflich für sie unverzichtbar sei. Nichts. Über Monate entstanden ihr zusätzliche Kosten für Web-Pakete über Mobilgeräte. Es fehlte an verlässlichen Ansprechpartnern. Des öfteren wurde sie mit falschen Informationen versorgt. „Ein miserabler Kundenservice“, sagt sie. Erst nachdem sie den Vorstand der Telekom Ende Februar anschrieb, bekam sie Post: „Sehr geehrte Frau Scheunemann, wir würden Ihnen gerne DSL bereitstellen, in dem konkreten Punkt ist es uns jedoch leider nicht möglich“, schrieb die Telekom.

Soweit war sie auch schon. Keiner konnte ihr erklären, warum es ausgerechnet in einem Neubaugebiet mit 60 Wohneinheiten zu einer derartigen Unterversorgung kommen konnte. Schließlich hat die Deutsche Telekom den Zuschlag für die Erschließung bekommen und wurde schon 2012 an der Aufstellung des Bebauungsplanes beteiligt.

In ihrer Verzweiflung wandten sich die Anwohner an die Gemeinde Klecken. Da die Gemeinde die Neubürger anlocke, sei es auch ihre Aufgabe, sich um eine intakte Internetversorgung zu kümmern, finden sie. „Wir können aber nichts machen, außer die Telekom dazu bewegen, aktiv zu werden“, sagt Verwaltungs-Vize Rainer Alka. Ein Schreiben sie bereits rausgegangen.

Offenbar müssen sich die Kunden noch weiter gedulden. Ende April jedoch soll Klecken als weißer Fleck in der Internetversorgung endlich Geschichte sein. Auf eine Anfrage des Hamburger Abendblatts erklärte Stephan Broszio, Leiter der Konzernpressestelle, dass ein Ausbau mit einer höheren Bandbreite erfolge. Die Arbeiten sollten voraussichtlich Ende April fertig sein. Dabei handelt es sich um Anschlüsse, die auf dem Internet-Protokoll basieren. Alle Verbindungen zum Telefonieren, Surfen, Mailen, Faxen oder Fernsehen werden dann über das Internet aufgebaut.

Die fehlende Erschließung begründete der Pressesprecher mit einer unerwartet hohen Nachfrage gekoppelt mit technischen Engpässen. „Da kamen mehrere Sachen zusammen“, sagt Broszio. Der Telekom seien nicht genügend Ports geliefert worden. Diese auszubauen, sei schwierig. „Im Verteilerkasten gibt es Anschlüsse, deren Menge pro Kasten begrenzt sind. Ist ein Anschluss mehr nötig, kann ich nicht einfach einen ranhängen“, sagte Broszio. Er versicherte aber, dass die Kunden mit der neuen Technik in ein paar Wochen nicht mehr unter einer schlechten Versorgung leiden müssten.