Eddy Winkelmann nimmt auf der Veddel ein neues Album auf. Er hofft auf den Durchbruch – und fürchtet ihn

Harburg/Veddel . „Lederseelen sind etwas rau und haben kleine und größere Lebensspuren. An der Oberfläche bildet sich durch häufigen Gebrauch eine wasserfeste und je nach Stärke des Leders dehnbare Oberhaut, die es erlaubt, Materialermüdungen, Einschnitte und oberflächliche Verletzungen selbst zu heilen.“ So ist es auf dem Cover des sechsten Albums des Wilhelmsburger Liedermachers Eddy Winkelmann zu lesen. Zurzeit sitzt er am Feinschliff.

„Lederseele“ entsteht auf der Veddel, inmitten von Fabrikhallen, Schiffen, Containern und Lastwagen. Keine Klingel, kein Name, kein Logo. Nichts, was auf ein Musikstudio im Gebäude hindeutet. Die „Kreativzelle“, wie der Künstler seinen Arbeitsplatz nennt, finden nur Vertraute. Eddy, bürgerlich Jens Edwin, liebt das spröde Hafen-Flair an der Norderelbe. Er ist auf der Elbinsel aufgewachsen und das urwüchsige maritime Ambiente fördert seine Kreativität.

Schon der Titel seines neuen Werks verrät, dass den 56-Jährigen persönliche Erlebnisse, Gefühle und Erfahrungen inspirierten. Jede Idee stammt aus seinem Kopf, jedes Wort, jede Note aus eigener Feder. Sogar die Optik des Covers ist selbst gestaltet. Schließlich hat das Multitalent während seiner Laufbahn vieles gelernt. Büromaschinentechnik, Grafik, Sozialpädagogik und Logopädie. Nur Musik studiert hat Eddy nie. „In Wilhelmsburg schaute man eher auf Studenten herab, eine Lehre war da schon solider. Meine Familie schob mich mit sanfter Gewalt in den Produktionsprozess“, erinnert sich der Sohn eines Bahn-Angestellten und einer Fischverkäuferin.

Seine Liebe zum Musischen wurde im Elternhaus geweckt. „Mama spielte hin und wieder Schifferklavier und Papa machte zu Weihnachten und Geburtstagen die Auflage, selbst etwas zu schreiben oder zu dichten. Wer mit Morgenstern, Roth, Busch und Storm aufwächst, atmet schon mal ein gewisses Versmaß und Gefühl mit ein“, erzählt der Musiker, der nicht nur für sich selbst Lieder schreibt.

Die Leidenschaft für die Gitarre entdeckte Eddy als Jugendlicher. Liebeskummer und norddeutscher Melancholie verlieh er beim Blues Ausdruck. Seither ist er auf der Jagd nach dem perfekten Lied, in dem Text, Musik, Ausdruck und Stimme eine Einheit bilden. Jahrelang fuhr er beruflich zweigleisig, arbeitete von Dienstag bis Donnerstag in einer Druckerei und spielte an den Wochenenden in Musik-Kellern. Erst mit Mitte Dreißig wagte er den kompletten Wechsel ins kreative Fach.

Gleich sein erstes festes Engagement war eine Herausforderung: Acht Wochen Mitternachts-Show im Schmidt-Theater. Bei Schmidts auf der Reeperbahn wird Mitte Mai auch „Lederseele" vorgestellt werden. Der NDR ist dabei. Eddy ist zuversichtlich, dass einige seiner neuen Songs nicht nur in Norddeutschland, sondern bundesweit im Radio gespielt werden.

Reich gemacht hat seine Kunst Eddy bisher nicht. „Die Vielfalt meines Berufes törnt mich mehr an als das Geldverdienen“, sagt er. Ihm ist wichtig, von seiner Passion leben zu können. Und neben der Arbeit Zeit für seine Frau und den erst zwölfjährigen Sohn zu haben. „Dauernd auf Tour zu sein, das kann ich mir nicht vorstellen. Der Himmel schütze mich vor zu viel Erfolg“, frotzelt Eddy. Halb hofft, halb fürchtet er, dass „Lederseele“ den Durchbruch bringen könnte. Das neue Album sei ein Reifewerk, an dem neben ihm selbst und seiner Band auch etliche Kollegen mit klangvollen Namen mitwirken, sagt Eddy. „Hier, dieser Kupferklang im Hintergrund, das ist Stefan Gwildis‘ unverwechselbares Timbre“, schwärmt er, während er mit „Helden“ einen seiner persönlichen Favoriten vorspielt. Das Lied ist eine Reminiszenz ans inzwischen geschlossene Wilhelmsburger Kino „Rialto“, in dem er sich früher so oft in Traumwelten versetzen ließ. Der Song vereint Sequenzen vertraut anmutender Filmmusik-Motive mit bekannten Zitaten aus Zelluloid-Klassikern. Aus urheberrechtlichen Gründen sind die berühmten Sätze der Leinwandgiganten nicht im Original zu hören, sondern von Eddy Winkelmann und seinen Freunden nachgesprochen. Allerdings so täuschend echt, dass sich vorm geistigen Auge prompt der Samtvorhang öffnet für die fantastischen Hollywood-Helden. Kopfkino vom Feinsten!

Lederseelen, so lautet der letzte Satz auf dem Cover, benötigen Pflege. Eddys Musik wirkt überaus hilfreich. Überzeugen kann man sich schon vor Veröffentlichung der CD. Am Sonntag, 13. April, gibt Winkelmann mit seiner Gitarre Kostproben im Café Kleiner Ozean“. Winkelmann spielt ab 16 Uhr auf dem Wohnschiff „Stadersand“, das am Harburger Hauptdeich 22 im Binnenhafen liegt. Das Vorprogramm gestaltet Schiffseigner und Liedermacher Werner Pfeifer ab 15 Uhr.