Lehrer, Schüler und Eltern demonstrieren gegen die geplanten Sparmaßnahmen an Gymnasien in Niedersachsen

Tostedt. 11.55 Uhr, Sonnenschein, 18 Grad. Der gestrige Donnerstag zeigte sich von seiner schönsten Seite. Und trotzdem prägten Regenschirme in allen erdenklichen Formen und Farben das Bild des Schulzentrums am Lönsweg 13. Knapp 700 Eltern, Schüler und Lehrer spannten an diesem Tag einen symbolischen Schutzschirm rund um das das Gymnasium und demonstrierten so gegen die geplanten Sparmaßnahmen der niedersächsischen Landesregierung. Frei nach dem Motto: „Wir lassen unsere Schule nicht im Regen stehen!“

Für das nächste Schuljahr steht den Gymnasien eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Gymnasiallehrkräfte um eine Stunde und die Streichung der geplanten Altersermäßigung für alle Lehrkräfte ins Haus. Zahlreiche Lehrer, Gewerkschaftsvertreter und Eltern haben seit Bekanntwerden der Pläne lautstarken Protest geübt.

Auch im Landkreis Harburg regt sich an vielen Orten Unmut. „Die jüngsten Sparmaßnahmen wenden sich direkt gegen die Schulform des Gymnasiums - und damit auch gegen das Gymnasium Tostedt. Soll unsere Schule kaputt gespart werden?“, fragen sich seither das Kollegium und der Elternrat.

In der Diskussion um eine tragfähige Gestaltung der Schulversorgung gehe es längst nicht mehr nur um die Mehrarbeit von einer Stunde pro Woche für jeden Lehrer. „Dahinter verbirgt sich viel mehr“, betont Ulli Graß, Lehrer am Gymnasium in Tostedt. 1750 Lehrerstellen würden insgesamt in Niedersachsen eingespart, etwa die Hälfte an den Gymnasien.

Junge Lehrkräfte bekämen so keine Chance, an Schulen angestellt zu werden. Die durch die Sparmaßnahme zustande gekommenen zusätzlichen Lehrerstunden führten zu Abordnungen von Kollegen an andere Schulen, überwiegend an andere Schulformen.

„In Verbindung mit den bisher bereits durchgeführten Sparmaßnahmen und den ohnehin hohen Arbeitsbelastungen durch den Schulalltag ist diese Maßnahme für die Lehrkräfte an Gymnasien als der sprichwörtliche Tropfen zu betrachten, der das Fass zum Überlaufen bringt“, heißt es in einer offiziellen Erklärung der Schule. Die Folgen seien weitreichend und würden zu einem eklatanten Qualitätsverlust führen, der alle Bereiche des Schullebens durchzieht. Für die Schüler bedeute das: Mehr fachfremden Unterricht, für den Fall, dass durch Abordnungen in einem Fach ein fachspezifischer Lehrermangel entstehen sollte.

Der Wegfall von außerschulischen Aktivitäten wie Ausflügen, Theaterbesuchen, Klassenreisen. Weniger außerunterrichtliche Schulprojekte. Geringere Verfügbarkeit und damit Ansprechbarkeit der Lehrer. „Statt lebendiger Schulen bloße Lehranstalten“, so die Kritik. Die Einschnitte führten zu einer Erhöhung des Schulstresses, der nicht länger hinnehmbar sei. „Es ist Zeit, dass wir uns für unsere Schule mit vereinten Kräften stark machen.“

Die Resonanz auf die Aktion, die gemeinsam von Schülerrat, Elternschaft und Kollegium organisiert wurden, war groß. Kollegen anderer Schulen solidarisierten sich mit den Tostedtern. „Die Idee finde ich ganz toll. Schade, dass wir nicht selbst darauf gekommen sind“, sagte Reinhard Haun, Direktor des Winsener Gymnasiums. Auch die Lehrer und Schüler in der Kreisstadt gingen am Donnerstag auf die Straße, um doe Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam zu machen.

Zu einer Kundgebung vor dem Rathaus hatten die Lehrer des Gymnasiums in Neu Wulmstorf geladen. Mehr als 100 Pädagogen, Schüler und Eltern lauschten der Rede von Carl Röthig. Spontan beteiligten sich die Zwölftklässler in ihren Kostümen als „Helden der Kindheit“ an der Aktion und zeigten damit, wie bunt und vielfältig Schulleben sein kann, das nach Aussage der Lehrkräfte mit den geplanten Sparmaßnahmen nun grau und trist zu werden droht.

Röthig sagte: „Dieses ‚Bildungspaket‘ geht auf Kosten unseres Bildungsanspruches und der Ausbildungsqualität unserer Schüler. Wir sind nicht bereit, das hinzunehmen.“