Goethe-Schüler helfen dem Naturschutzbund in Neuland an den Amphibien-Schutzzäumen

Neuland. Die Ausbeute ist heute morgen mager: Nur in einem der 20 Eimer entlang des Krötenzaunes am Neuländer Elbdeich finden sich tatsächlich Kröten. Zuvor konnten Felix, Bashkim und ihre Mitschüler aus der 10. Klasse der Goethe-Statdtteilschule Harburg immerhin einen Mistkäfer retten, der als Beifang in ihre Amphibienfalle gegangen war. Jetzt haben sie immerhin vier Kröten herauszuholen, zu bestimmen, zu notieren und über die Straße zu tragen, damit die Tiere den Transit nicht selbst versuchen. Auf der anderen Straßenseite liegen die Laichgründe der Kröten und dort zieht es sie hin – zumindest alle Männchen.

Schon vor drei Wochen hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) die Amphibienzäune aufgestellt. Zur Laichzeit zieht es Kröten, Molche und Frösche aus den Wiesen und Niedergehölzen, in denen sie leben, in die Gewässer, um sich dort zu vermehren. Den Winter über hatten sich die Kaltblüter eingegraben. Nun ruft sie die Natur. „Ab Sonnenuntergang wandern sie zu den Laichgewässern“, sagt NABU-Biologe Frederik Schawaller, der mit zum Zaun gekommen ist, „wenn es allerdings nachts kalt wird, bremst das die Tiere auch wieder aus.“ Da trotz der fast schon sommerlichen Tagestemperaturen der letzten Wochen nachts immer noch ein sternenklarer Himmel für frostige Nächte sorgte, ging die Wanderung erst am Wochenende los, als Wolken aufzogen.

In Neuland helfen die Schüler der Naturwissenschaftsklasse von Birgit Fittkau dem NABU bei der Zaunkontrolle. Jeden Morgen nimmt eine Handvoll von ihnen den Bus nach Neuland und geht die beiden Zäune ab. Eigentlich hätten sie jetzt Unterricht, aber derzeit ist ohnehin Projektwoche, außerdem sind es jeden Tag andere Schüler, die kommen, und in den nächsten Wochen wird Frau Fittkau ihre Krötenkids bei den anderen Lehrern entschuldigen. Gleich am Montag sammelte die erste Gruppe massenhaft Tiere ein. Heute herrscht hingegen Flaute in den Fallen – bis auf den einen Eimer eben.

Abwechselnd nehmen Felix und Bashkim die Kröten aus der Falle und halten sie ihren Kollegen hin. Die halten Smartphones und eine Bestimmungsbroschüre in den Händen. Mit den Smartphones werden die Tiere fotografiert und in eine Liste eingetragen. Eine Krötenerkennungs-App gibt es allerdings noch nicht: Die Amphibien müssen „zu Fuß“ bestimmt werden. In der Broschüre stehen die entscheidenden Kriterien, die die Schüler jetzt überprüfen müssen. Bald steht fest: Alle vier sind Erdkröten. Drei Männchen und ein Weibchen. Ein Männchen sitzt schon auf einem Weibchen. Eine echte Paarung ist das jedoch noch nicht.

„Krötenweibchen werden erst nach einigen Jahren paarungsbereit“, sagt Frederik Schawaller. „Und dann sind sie auch nicht jedes Jahr bereit, weil es für sie sehr kräftezehrend ist, die mindestens 3000 Eier zu produzieren.“ Deshalb, erklärt Schawaller, gibt es jedes Jahr einen großen Männchenüberschuss bei der Laichwanderung. Erspäht ein Männchen ein Weibchen, klettert er schon bei der Wanderung auf die Partnerin, die ihn dann bis zum Laichen tragen muss. Annäherungsversuche anderer Männchen werden vom Erstbesteiger mit heftigen Tritten abgewehrt. Dann und wann klettert ein verzweifeltes Männchen auch auf ein anderes Männchen, welches dann lautstark protestiert. In der Enge des Eimers könnte man Action-Filme für Amphibien drehen.

Die Kröten sind bestimmt und dokumentiert. Auch das Tier, das den Zaun überwinden konnte, nur um dann von einem Auto überfahren zu werden, kann Frederik Schawaller noch als Erdkröte identifizieren. Jetzt tragen die Schüler den Eimer zum hinterdeichs gelegenen Brackwasserteich.

Hier werden sich die Kröten nun tatsächlich paaren – ganz ohne Körperkontakt. Das Weibchen wickelt Schnüre mit Eizellen um Wasserpflanzen, das Männchen befruchtet diese Eier gleich danach im Wasser. Diese Prozedur kann mehrere Stunden dauern. Die Schüler haben weder Lust noch Zeit, die Kröten dabei zu beobachten. Der nächste Bus nach Harburg kommt, und die Jungs verabschieden sich.

Außer in Neuland hat der NABU auch in Neugraben Krötenzäune aufgestellt. Hier sammeln NABU-Mitglieder und einzelne Helfer, die sie überreden konnten. Richtige Krötentunnel durch die man die Wanderung der Amphibien unter der Fahrbahn hindurch kanalisieren könnte, lassen sich an den meisten Straßen nicht realisieren. Also müssen auch hier die Tiere eingesammelt und über die Straße gebracht werden.

Kröten wandern langsam, auch auf Asphalt. „Am besten wäre es, wenn die Autofahrer in der Laichzeit auch langsam fahren würden“, sagt Frederik Schawaller. Die meisten Tiere sterben nämlich nicht unter Autoreifen, sondern werden, wenn ein Auto über sie hinwegrast, vom Luftsog erfasst und gegen den Unterboden des Fahrzeugs oder heiße Auspuffteile geschleudert. wo sie dann verbrennen. „Wenn Autos in der Nähe stehender Gewässer etwas langsamer fahren, passiert das nicht“, sagt Schawaller.