Hans R. sitzt im Amtsgericht Winsen in Handschellen vor dem Richter.

Im Oktober hatte man ihn mit Diebesgut aus einem Einbruch festgenommen. Nein, Herr Richter, er sei nicht der Einbrecher, die Sachen habe er von einem Dritten in die Hand gedrückt bekommen und behalten. Hans R. ist ein alter Bekannter der Justiz. Immer wieder wurde er nach Diebstählen erwischt. Nun kämpft er darum, entlassen zu werden. Der Richter sieht keine hinreichenden Beweise dafür, dass Hans R. den Einbruch begangen hat, verurteilt ihn aber wegen Unterschlagung zu acht Monaten ohne Bewährung – wegen Fluchtgefahr hält er den Haftbefehl aufrecht.

Hans R. ist enttäuscht. Noch nie sei er geflohen, natürlich werde er einer Ladung zum Antritt der Strafe nachkommen, argumentiert er. Aber der Richter bleibt hart und schickt ihn zurück in die Zelle des Amtsgerichts. Dort soll ihn die Justizvollzugsanstalt Lüneburg abholen. Während R. so auf das ausbruchsichere Fenster schaut, kommt ihm der Gedanke, mit dem Metallstreifen des Schnellhefters seiner Strafakte könne man doch einen „Schlüssel“ basteln und im Schloss herumprokeln. Das Unerwartete passiert: Das Schloss der Fensterverriegelung der Zelle lässt sich drehen.

Hans R. springt vier Meter tief in die Freiheit. Für 20 Stunden. Dann wird er erneut festgenommen. In Winsen ist man froh, dass kein schwerer Junge die Schwachstelle entdeckt hat. Die Zelle wird jetzt nachgerüstet.

* Der Autor ist Direktor des Amtsgerichts Winsen