Wenn in der Familie alles aus den Fugen gerät, helfen „MamaPapaPuppen“ orientierungslosen Kindern

Neddernhof. Ein Kuscheltier aus Neddernhof erobert die Welt. Ob als Seelentröster, als treuer Weggefährte oder als Erinnerungsstück an vergangene Zeiten – Jennifer Arndt-Lind und Hendrik Lind schicken ihre „Mapapus“ dorthin, wo sie gerade am dringendsten gebraucht werden. Oft sind das Familien, die einen Angehörigen verloren haben. Oder Scheidungskinder, deren Seele nach der Trennung der Eltern leidet. 200 Mapapus haben bislang das Licht der Welt erblickt. Und es sollen noch viel mehr werden.

Es gibt Dinge im Leben, die muss man einfach haben. Glück gehört dazu, Gesundheit, gute Freunde – und im Idealfall eine intakte Familie. Doch allzu oft hakt es an dem ein oder anderen Ende. Was es bedeutet, wenn für Kinder plötzlich alles aus den Fugen gerät, weil sie ihren Platz in der Welt nicht so recht finden, wenn Mama und Papa sich plötzlich trennen, andere Geschwister einziehen und kurzerhand den Platz in der Mitte des Sofas für sich beanspruchen – das wissen Jennifer Arndt-Lind und Hendrik Lind nur allzu gut.

Als sich das Paar fand, gab es da schon Jule und Emil. Hendriks Tochter zog mit ihrer leiblichen Mutter nach Berlin, besuchte ihren Vater an den Wochenenden. Emil blieb bei Jennifer, pendelte in regelmäßigen Abständen nach Hamburg zu seinem Vater. Als dann das erste von zwei gemeinsamen Kindern auf die Welt kam, wurde es für die beiden Großen etwas kompliziert. „Wer gehört wohin, wie ist wer mit wem verbunden, wo ist mein Platz und wie kann ich den finden? Wo ist eigentlich oben und wo unten? Diese Fragen haben mich sehr bewegt. Ich wollte unseren Kindern etwas als Orientierung, was zum Festhalten an die Hand geben“, erzählt die 38-Jährige.

Aus dem Wunsch nach Klarheit und Halt entstand die Idee der „Mapapus“ – der „MamaPapaPuppen“. Die gelernte Frisörin entwarf ein Kuscheltier, einen Freund und Mitpendler, der sowohl Mama als auch Papa gleichermaßen in sich trägt. Dafür nähte sie kurzerhand zwei geliebte T-Shirts von Mama und Papa zusammen – als Zeichen für Zusammenhalt und Einheit und Liebe.

Emil war sofort begeistert – und mit ihm zahlreiche Freunde, Verwandte und Bekannte der Familie. Für viele nähte Jennifer Arndt-Lind eine ganz persönliche Mapapu. Doch das Kuscheltier wurde mit der Zeit immer mehr zum Kunstobjekt. „Es war zum Schluss gar nicht mehr bespielbar. Dabei sollen die Mapapus ja Tröster für Kinder sein, und nicht etwas, das man sich ins Regal stellt“, sagt Jennifer Arndt-Lind.

Nach der Geburt des zweiten gemeinsamen Kindes hätte sie die Mapapus fast endgültig in die Ecke verbannt – wären da nicht ihr Mann Hendrik und der Tod eines 19-Jährigen gewesen. „Ich hatte einen totalen Hänger, fühlte mich überhaupt nicht mehr kreativ. Aber als ich dann für ein trauerndes Kind eine Mapapu aus der Kleidung seines verstorbenen Bruders genäht habe und erfahren durfte, wie sehr ich damit dem Kind bei seiner Trauerarbeit helfen konnte, hat es Klick gemacht“, sagt die Neddernhoferin. „Das hat uns noch einmal gezeigt, wie viel Seelenheil so eine Mapapu in die Welt bringen kann. Es war uns schlagartig klar, dass wir den privaten Bereich verlassen mussten, um die Mapapus in die Welt zu tragen“, ergänzt Hendrik Lind.

Im Herbst 2013 gründete das Paar ein kleines Unternehmen, das mittlerweile von angestellten Näherinnen aus der Samtgemeinde Tostedt bei der Produktion der Seelentröster unterstützt wird. Den Großteil fertigt Jennifer Arndt-Lind allerdings noch in ihrem privaten Nähzimmer. Dabei verzichtet sie heute ganz bewusst auf Nasen und Münder - und anderen Schnickschnack. „Ein dauergrinsendes Kuscheltier passt irgendwie nicht zu einem trauernden Kind“, sagt sie. Eine Mapapu solle so viele Gesichter haben, wie ein Mensch Gefühle hat.

Die Mapapus herzustellen sei nicht immer leicht gewesen, räumt Jennifer Arndt-Lind ein. „Es gibt immer wieder Geschichten, die mich sehr berühren. Emotional war das manchmal ziemlich anstrengend. Vor allem, wenn ich eine Mapapu für jemanden genäht habe, der einen geliebten Menschen verloren hat. Dann in den Stoff zu schneiden, hat mich schon die ein oder andere Träne gekostet“, sagt sie. Die positiven Rückmeldungen, die sie von den neuen Mapapu-Besitzern erhalten habe, hätten das aber wieder aufgewogen: „Sie waren Bestätigung dafür, dass ich hier echt sinnvolle Arbeit leiste.“

Wer sich eine Mapapu anfertigen lassen möchte, sollte zwei T-Shirts aussuchen und in den Neddernhof 57 nach Tostedt schicken. Und zwar nachdem sie zwei Nächte lang getragen wurden. „Ich prügel mich zwar nicht um Schweißgeruch, aber wenn die Shirts frisch gewaschen bei mir ankommen, dann finde ich das sehr schade“, sagt Jennifer Arndt-Lind. Denn der vertraute Körpergeruch der Eltern sei ein elementarer Bestandteil der Mapapus, ein unverwechselbares Wiedererkennungsmerkmal. „Babys orientieren sich daran. Später funktioniert das auch über Visualisierung. Aber für die Kleinsten ist der Geruch extrem wichtig“, sagt Hendrik Lind.

Auch auf Gesundheit und Schonung der natürlichen Ressourcen legt das Paar großen Wert. „Wir füllen die Mapapus mit schadstofffreiem Vliesstoff, der nach Öko-Tex Standard 100 für Babyartikel geprüft wurde und so auch für Allergiker geeignet ist“, sagt Hendrik Lind.

Die Herstellungskosten für eine 45 bis 50 Zentimeter große Mapapu betragen 189 Euro inklusive Mehrwertsteuer und Versand. Die Mini-Mapapus aus Kinder-T-Shirts kosten 169 Euro. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Homepage unter www.mapapu.de und auf der Messe „Baby-Welt“, an der sich Jennifer Arndt-Lind und Hendrik Lind vom 28. bis 30. März mit einem Stand beteiligen.