Heimatforscher Hans-Hubertus Koch hält Vortrag über „Klecken um 1930. Entwicklung und Geschichte der NSDAP-Ortsgruppe“ im Försterhaus

Klecken. Der Postkutschenverein und Hans-Hubertus Koch haben eines gemein: Sie leben und schreiben Geschichte. Deshalb planen sie für Sonntag, 16. März, eine Gemeinschaftsveranstaltung. Nach einer Wanderung durch den Kleckerwald hält der pensionierte Lehrer und Heimatforscher in „Dat Ole Fösterhuus“ von 17 Uhr an einen Vortrag zum Thema „Klecken um 1930. Entwicklung und Geschichte der NSDAP-Ortsgruppe“.

Eigentlich wollte Hans-Hubertus Koch nur für seinen Unterricht an der Realschule in Hittfeld recherchieren. „Ich hab mich im Frühjahr 1985 eines Tages gefragt, was in Klecken 1945 so los war, wie das Kriegsende vor meiner Tür abgelaufen ist“, erzählt der Sport- und Geschichtslehrer. Doch aus dem kleinen Projekt wurde ein großes: Koch ging von Haus zu Haus, befragte innerhalb von zehn Jahren 220 Zeitzeugen, von denen heute nur noch wenige in Klecken leben. Was er erfuhr, schrieb er nieder. Drei regionalgeschichtliche Bücher sind seither erschienen, die die Entwicklung eines Dorfes von 580 Einwohnern im Landkreis Harburg in der Zeit des Nationalsozialismus von 1930 bis zum Kriegsende schildern.

Inhaltlich befasste er sich mit Themen wie dem Niedergang der demokratischen Parteien und dem gleichzeitigen Aufstieg der NSDAP, den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen während der 30-er Jahre, Auswirkungen des Krieges auf das Dorfleben durch Einberufungen und Einquartierungen, Flugzeugabstürze und Bombenabwürfe sowie Einrichtung eines Kriegsgefangenenlagers.

„Als ich mit meiner Recherche anfing, hatte ich überhaupt keine Ahnung von Heimatforschung und bin deshalb zunächst völlig unbefangen an die Sache herangegangen“, sagt Koch. Vieles von dem, was die Klecker Bürger ihm anfangs erzählten, hätte für den Unterricht vollkommen ausgereicht, sagt Koch. „Kampfloser Einmarsch, Hausbesetzung, Abgabe von Fahrrädern – das war das, was alle wussten“, so der Lehrer. Doch dann hätte ihn einer seiner Interview-Partner eines Tages gefragt, ob er schon was über die russischen Kriegsgefangenen in Klecken gehört habe. „Das war mir völlig neu und hat mich neugierig gemacht. Da wollte ich plötzlich alles wissen.“

Also recherchierte er weiter und erfuhr, dass zwischen 1942 und 1945 etwa 50 bis 80 Russen in dem ehemaligen Hotel-Restaurant „Zur Waldburg“ am Rande der heutigen Siedlung „Am Walde“ zwischen der Bendestorfer Straße und dem evangelischen Freizeitheim „Haus Tannek“ untergebracht waren. „Von dort aus marschierten sie von montags bis sonnabends durch Klecken, runter zur Bahn. Die Kriegsgefangenen wurden für Arbeiten entlang der Bahnstrecke von Klecken nach Hittfeld eingesetzt“, erzählt Koch. Einige der von ihnen gebauten 22 Steintreppen, die sogenannten Kaskaden, würden heute noch benutzt. „Viele der Zeitzeugen, die ich zuvor befragt hatte, leugneten immer wieder, dass es in Klecken überhaupt Kriegsgefangene gegeben hat. Dabei hat ein Großteil von ihnen die Russen am Sonntag selbst für sich arbeiten lassen.“

Koch erinnerte mit seiner Arbeit auch daran, dass Hitler bereits bei den Wahlen am 10. April 1932 in Klecken mit der absoluten Mehrheit von 52,7 Prozent zum Reichspräsidenten gewählt worden war. Der Stimmenanteil der NSDAP hatte sich innerhalb von drei Jahren verdreifacht. Im Deutschen Reich entschied der parteilose Paul von Hindenburg die Wahl für sich. Der Heimatforscher deckte außerdem auf, dass die Hamburger Kapitulation nicht wie ursprünglich angenommen in Klecken unterzeichnet wurde. „Es wurde lediglich die rein zufällig in Klecken einquartierte britische 131. Infanterie Brigade in die Gespräche einbezogen“, so Koch.

Dass er mit seiner Recherche so viele Dinge ans Licht brachte und niederschreiben konnte, die bis dato nur unter vorgehaltener Hand mündlich überliefert waren, sei oft „reiner Zufall“ gewesen. „Ich staune manchmal selbst darüber, was ich alles herausgefunden habe. Ich hatte einfach Glück und habe wohl die richtigen Leute befragt, die interessiert daran waren, mir etwas über die Geschichte des Ortes zu erzählen“, sagt der Pädagoge.

In seinem Vortrag im „Fösterhuus“ geht Koch am Sonntag auf die Entwicklung und die Geschichte der Klecker NSDAP-Ortsgruppe ein. Am 12. April folgt um 18 Uhr ein weiterer Vortrag mit dem Titel: „Klecken 1937: Dorfalltag unter dem Nationalsozialismus“. Zurzeit arbeitet der 69-Jährige gleich an mehreren Themen. Zum einen sucht er nach vermissten Soldaten. Zum anderen betreibt er Ahnenforschung. Ein weiteres Großprojekt beleuchtet seine eigene Familiengeschichte: Koch floh 1944 aus Güntershagen (Pommern). Sein Onkel schickte seiner Mutter in den Kriegsjahren Briefe per Feldpost, die Koch als Grundlage für seine Forschung dienten. Immer wieder fiel darin der Name „Welschenburg“. „Ich wollte wissen, was es damit auf sich hatte“, sagt Koch. Seine Recherchen brachten ihn mit einem polnischen Oberst in Kontakt, der ihm erst vor kurzem zahlreiche Akten über seinen Geburtsort übergab. „Warum es darüber soviel altes Material gibt, weiß ich noch nicht. Aber ich möchte es gern herausfinden.“