Am 13. April 1914 bot Heinrich Schönecke zum ersten Mal Kartoffeln und Obst auf dem Harburger Wochenmarkt an. Große Eier-Feier zum Jubiläum

Elstorf. Dass ein Familienbetrieb 100-jähriges Bestehen feiert, ist an sich schon bemerkenswert. Für den Geflügelhof Schönecke gilt das umso mehr, da der Betrieb immer noch da zu finden ist, wo er seinen Anfang nahm: Auf dem Harburger Wochenmarkt.

Heinrich Schönecke, Urgroßvater des heutigen Chefs Henner Schönecke, steuerte am 13. April 1914 zum ersten Mal mit Pferd und Kutsche den Harburger Wochenmarkt am Sand an. Dort verkaufte er all das, was der eigene kleine Hof der Familie in Elstorf abwarf: Äpfel, Gemüse und Wurst aus der Hausschlachtung. Jede Woche war der Landwirt da. Zwei Stunden investierte er in die frühmorgendlichen Fahrten. Auf dem Heimweg vom Markt belieferte er Geschäfte und Privathaushalte zwischen Harburg und Elstorf.

Seit 100 Jahren geht das nun schon so, mal abgesehen vom Zweiten Weltkrieg. In der Zeit war an Wochenmarktbesuchen nicht zu denken. Doch in den 50er Jahren nahmen die Familie Schönecke die Marktbesuche wieder auf. Einkellerungskartoffeln waren damals besonders beliebt. Noch eine Tradition setzte sich fort: Die Söhne fuhren immer mit auf den Markt. So wie einst Heiner Schönecke, Vater des derzeitigen Geschäftsführers Henner Schönecke, regelmäßig auf dem Wochenmarkt zu finden war, stand auch Henner Schönecke als Jugendlicher hinter dem Tresen.

Das Geschäft mit den Eiern startete erst in den 1960er Jahren. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Eine Zeit, in der es sehr auf effizientes Wirtschaften ankam und die Käfighaltung gang und gebe war. Nach den Eiern kamen Suppenhühner in den Verkauf, dann Geflügel-Teile wie Brust und Keule. Um sie gekühlt zu verkaufen, investierte Familie Schönecke 1968 in das erste Marktfahrzeug.

Mit ihrem Schwerpunkt auf Eier und Geflügel besetzten Heiner und Ilse Schönecke eine Nische auf dem Fleischmarkt. Sie erkannten schnell den Bedarf der Kunden und bauten das Sortiment um hausgemachte Produkte wie Eiersalat, Geflügelwurst und Putenschnitzel aus. Es folgte ein rasanter Wachstum. Von 1996 bis 2004 eröffneten sie vier Filialen in Hamburger Einkaufszentren.

1998 baute Familie Schönecke auch den ersten Freilandstall für die Legehennen. Damals ein Novum. Der Betrieb war einer der ersten, der seine Hühner nicht mehr ausschließlich in Käfigen hielten, sondern sie frei herumlaufen und im Grünen nach Würmern und Larven scharren ließen. Und das, obwohl die Masse der Kunden die Freilandeier gar nicht wollten. „Wir haben die Eier zu Käfigpreisen abgegeben“, erinnert sich Henner Schönecke.

Doch die Freilandhaltung einzuführen, war eine Entscheidung mit Weitblick. 2009 wurde die Käfighaltung in Deutschland und Europa verboten. Sein Vater sei aber immer sensibel für gesellschaftliche Veränderungen gewesen und habe genau zugehört, wenn sich die Kunden zu den Produkten geäußert oder Fragen gestellt hätten, erklärt Henner Schönecke.

Zudem steht sein Vater als CDU-Landtagsabgeordneter mehr als andere Landwirte in der Öffentlichkeit. „Das hat sicherlich beschleunigt, dass wir die Freilandhaltung eingeführt haben“, sagt der Betriebsinhaber. Ende 2013 ist ein zweiter Freilandstall in Betrieb gegangen, um die hohe Nachfrage nach den Schönecke-Eiern bedienen zu können.

Dass seine „Freilandeier vom Taterberg“ so einen reißenden Absatz finden, erklärt Henner Schönecke mit seiner Transparenzoffensive. Das Geschäft mit den Hühnern geschieht nicht im Verborgenen. Im Gegenteil: Henner Schönecke öffnet seine Türen immer wieder für Besucher, für Vereine, Kindergärten und Schulen, um zu zeigen, dass es den Hühnern gut geht. „Es kommt eben nicht darauf an, wie viele Tiere man hält, sondern wie man sie hält“, sagt er. Inzwischen halten der Geschäftsführer und seine Frau Ruth Staudenmayer, die 2011 in die Firma eingestiegen ist, 38.000 Freiland-Legehennen. Zusätzliche 15.000 Hennen leben im Stall. Sie dürfen nicht nach draußen, da sich der Stall mitten in Elstorf befindet und dort kein Platz für eine Freilandhaltung ist. Die Eier dieser Hennen erhalten das Prädikat „Bodenhaltung“.

Aus dem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, das mit dem Verkauf von ein paar Produkten auf dem Wochenmarkt startete, ist inzwischen ein mittelständisches Unternehmen mit 85 Mitarbeitern geworden. Ein Unternehmen, das es geschafft hat, an einer Unternehmenstradition wie die Wochenmarktbesuche festzuhalten und zugleich Veränderungen des Marktes aufzugreifen.

So gibt es jetzt einen Online-Versand, über den marktfrisches Geflügel über Nacht durch Deutschland versendet wird. „Viele der Kunden sind sehr anspruchsvoll, leben aber in ländlichen Gebieten, in denen diese Waren nicht verfügbar sind. Also schicken wir sie ihnen“, erklärt Geschäftsführerin Ruth Staudenmayer, die unter anderem für Internet und Marketing zuständig ist.

Was bleibt, ist der Familiensinn. Die Schöneckes arbeiten eng mit ihren Mitarbeitern in Teams zusammen, essen gemiensam und lassen die Angestellten auch an großen Entscheidungen teilhaben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Familie Schönecke ihre Familientradition fortsetzen kann, ist groß. Sohn Hannes erliegt schon jetzt der Faszination Ei. Oft flitzt er vor der Schule durch den Betrieb und schaut nach dem Rechten.