Vom 28. bis 30. März wird bei einem dreitägigen Fest in Marmstorf gelebt, gefeiert und gekämpft wie vor 200 Jahren

Marmstorf. Frühling in Harburg. Auch rund um die Fachwerkhäuser am Feuerteich in Marmstorf bezwitschern die Vögel die junge Jahreszeit, das erste frische Grün reckt die Halme der wärmenden Sonne entgegen. Am letzten Märzwochenende allerdings ändert sich die Frühlingsidylle in Harburgs sympathischem kleinen Stadtteil. Denn dann wollen die Marmstorfer und Tausende von Besuchern eine Reise in die Vergangenheit wagen. Es geht 200 Jahre zurück in die Zeit, als die Soldaten Napoleons, nach Jahren der Besatzung, Harburg verließen.

Ein Ereignis, dass in Marmstorf Ende März groß gefeiert werden soll. Viele Bewohner des kleinen Stadtteils im Hamburger Süden haben sich in ihren Familien die Erinnerungen an diese schlimme Zeit bewahrt. Denn bevor die Franzosen Harburg verließen, steckten sie Marmstorf in Brand. Fast das ganze Dorf wurde dabei zerstört. Die Bauern, die plötzlich ihr Dach über dem Kopf verloren hatten, blieben und bauten ihre Häuser an alter Stelle wieder auf.

Vom 28. bis zum 30. März ticken die Uhren in Marmstorf deshalb so wie vor 200 Jahren. Auf dem Gelände rund um den Dorfteich schlagen Darsteller des Lützower Freicorps, der Hannoveraner und französischen Soldaten in historischen Uniformen ihr Lager auf und zeigen an drei Tagen, wie es damals nicht nur in Marmstorf zuging. Natürlich gab es viele Menschen, die am Rande der Kampfhandlungen für die Versorgung der Soldaten sorgten. Die Lützower Jäger bringen deshalb auch einen Schmied mit, der seine Kunstfertigkeit mit Hammer und Amboss beweist. Marketenderinnen kochen am offenen Feuer und zeigen den Besuchern des Festwochenendes das durchaus auch lustige Lagerleben. Ganz so wie damals ziehen die Besatzer in Uniform am Freitag, 28. März durch die Bauernhäuser am Dorfteich, und „requirieren“ Lebensmittel von den Bewohnern. Am Freitag und Sonnabend wird ein Theaterstück gezeigt, dass in der Zeit Napoleons spielt.

Am Sonnabend weht dann so richtig der Hauch der Geschichte durch Marmstorf. Nachdem die Besucher ab 12 Uhr kulinarische Kostproben aus gusseisernen Töpfen, gekocht über offenem Feuer, probieren dürfen, geht am Nachmittag das Dorfleben wie vor 200 Jahren weiter. Bei einem Festakt wird unter anderen der französische Generalkonsul sprechen.

Am Abend, wenn die Sonne untergeht, stellen sich dann die Soldaten auf zum Gefecht in der Schlucht der Westerheide. Eine Senke zwischen Marmstorf und Appelbüttel wird zum Kriegsschauplatz. Vor den Augen der Zuschauer greifen die deutschen und französischen Soldaten zu den Vorderladern und stellen ein Rückzugsgefecht nach, Mann gegen Mann. Von einem Hang aus haben die Besucher die beste Sicht auf das Geschehen und geraten garantiert nicht zwischen die Fronten.

Aber, es zieht nicht nur Pulverdampf über den Ort des Geschehens. „Wie werden eine Dorfkulisse aufbauen, die dann, so wie vor 200 Jahren, angezündet wird“, verrät Reiner Bliefernicht, der seit Monaten das Festspektakel mit einem Team aus freiwilligen Helfern geplant und organisiert hat. Er war, um sich ein Bild von solchen Schaugefechten machen zu können, eigens im vergangenen Jahr in die Göhrde gereist und hatte sich dort eine nachgestellte Schlacht angesehen. „Ein absolut beeindruckendes Event“, sagt er.

Es ging mörderisch dazu, damals zu Zeiten Napoleons. Allein im Harburger Schloss waren 5000 Mann Fußvolk und 2000 französische Kavalleristen untergebracht. Die Versorgungslage war schlecht, regelmäßig fielen die hungernden Soldaten über die Dörfer rund um Harburg her und plünderten die Vorratskammern und Kornspeicher der Bauern. Ihnen machten die Lützower Jäger das Leben schwer. Dieser Freicorps bestand vorwiegend aus Handwerkern. Sie bekamen keinen Sold und mussten sich selbst ausrüsten. Ihre Uniform war grundsätzlich schwarz. Die Jacken kamen aus Armeedepots oder dem heimischen Kleiderschrank, die dann schwarz eingefärbt wurden. Dazu kam Rot als Abzeichenfarbe, damit wurden die Nähte an Hosen und Jacke gekennzeichnet. Goldfarbene Messingknöpfe komplettierten die Kleidung der Lützower.

Die Männer agierten wie Freischärler und meist hinter den feindlichen Linien. Sie schlugen sich durchs Unterholz und kämpften nicht auf dem offenen Feld. Viele Lützower bezahlten wegen ihrer schlechten Ausrüstung und mangelnder Erfahrung als Soldaten ihren Freiheitsdurst mit dem Leben. Die Farben den Lützower, nämlich Schwarz, Rot und Gold, waren 1848 die Vorlage für die Flagge in der Paulskirche und später der Bundesrepublik Deutschland.

Neben den Darstellern der Lützower Jäger sind Mitglieder der Kurmärkischen Landwehr von 1813 beim Spektakel in Marmstorf dabei. Die Markenzeichen ihrer Uniform sind hechtblaue Farbe, rote Abnäher, weiße Hosen und die typischen Schirmmützen mit roten Band und Kreuz. Auch sie waren zumeist keine ausgebildeten Soldaten, sondern fortschrittliche, patriotische Bürger, ihr oberster Befehlshaber war der preußische König Friedrich Wilhelm III. Jede Menge Pulverdampf wird beim Rückzugsgefecht aus den Kanonen der brandenburgischen Artilleriebrigade „1813“ steigen. Die echte Brigade spielte mit ihren Kanonen eine wichtige Rolle in der mörderischen Völkerschlacht bei Leipzig.

Ihnen gegenüber steht der französische Feind. Diesen Part übernehmen die Mitglieder des 127. Regiment de Ligne, gekleidet in Blau, Weiß, Rot. Dieses Regiment entstand in Hamburg, und rekrutierte sich aus dem alten Stadtmilitär. Die zumeist deutschen Soldaten unter französischem Befehl zogen zwei Jahre später mit Napoleon in den Russlandfeldzug, die meisten wurden dort im Kampf aufgerieben oder starben an Hunger und Kälte.

Weitere Einzelheiten zu der Zeit Napoleons, sowie zu der Geschichte des Dorfes bietet die Marmstorfer Chronik von Herbert Schulz, die am Festwochenende auch verkauft wird. Weitere Details zu der Veranstaltung findet man im Internet unter: www.chronik-marmstorf.de