Neubürger in Wilhelmsburg begeistern sich für den Rudersport. Verein erweitert jetzt am Aßmannkanal sein Bootshaus

Wilhelmsburg . Der Rudersport in Wilhelmsburg ist offenbar der Gewinner eines beginnenden Bevölkerungswandels auf der Elbinsel. Der Vorsitzende des Wilhelmsburger Ruder- Clubs (WRC) von 1895 jedenfalls freut sich über den sprunghaften Anstieg von zusätzlich 34 neuen Mitgliedern innerhalb der vergangenen zwölf Monate. Den Grund dafür sieht Horst-Walter Gosh in dem Zuzug von Neubürgern, der seiner Meinung nach eine Folge der Internationalen Bauausstellung und der Internationalen Gartenschau sei. 168 Mitglieder hat der Traditionsverein zurzeit, vor einem Jahr sind es nur 134 gewesen.

„Der Stadtteil wird immer interessanter und das spüren wir“, sagt Vereinspressewart Peter Schlatermund. Die neuen Mitglieder seien vor allem Männer und Frauen im Alter von 25 bis 40 Jahren. Sie seien in den Stadtteil Wilhelmsburg gezogen und suchen nun ein Hobby und einen Ausgleich zu ihrem Job. Auch Studierende fänden jedes Jahr den Weg zu dem Bootshaus am Aßmannkanal. Seit dem Jahr 2006 bis noch Ende 2015 fördert die Freie und Hansestadt Hamburg studentisches Wohnen im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. Die Mitgliederzuwachs des Ruder-Clubs ist ein Indiz dafür, dass sich die Einwohnerschaft auf den Elbinseln mit einem hohen Arbeitslosenund Migrantenanteil verändert.

Die Trainer des Ruder-Clubs kümmern sich nicht nur um die Mitglieder. Seit einigen Jahren bereits arbeitet der WRC mit Schulen zusammen. Die Stadtteilschule Wilhelmsburg und die Katholische Bonifatiusschule haben das Angebot genutzt. In diesem Jahr wird der WRC voraussichtlich Jungen und Mädchen der Nelson-Mandela- Schule den Rudersport näherbringen. In der Regel probierten fünf bis zehn Kinder das Schulrudern aus, sagt Horst- Walter Gosh. Der Wilhelmsburger Ruderclub trainiert auf dem inzwischen auf 1750 Meter verlängerten Aßmannkanal. Sein Ruderrevier auf den Elbinseln erstreckt sich auf insgesamt 15 Kilometer.

Der für den Club angenehme Effekt, dass der Rudersport auf den Elbinseln offensichtlich an Attraktivität gewinnt, bringt auch ein Problem mit sich: Das Ende der 1950er-Jahre gebaute Bootshaus am Vogelhüttendeich ist zu klein geworden. Vor dem Training müssen die Sportler erst umständlich mit den mehr als sechs Meter langen Booten rangieren, um sie aus der Halle ins Freie schaffen zu können.

Die beiden Gänge in der 250 Quadratmeter großen Bootshalle sind zugestellt. Hier steht auch das Begleitboot, dass für den Trainingsbetrieb mit Jugendlichen unerlässlich ist. Wenn die Wassertemperatur nicht mindestens 15 Grad erreicht, ist es Vorschrift, dass ein Trainer jugendliche Rudersportler mit dem Motorboot begleitet, um bei einem Unfall schnell eingreifen zu können.

Aus Platzmangel lagert der Verein ein halbes Dutzend Trimmis, so heißen die besonders kippstabilen Ruderboote, seit dem vergangenen Sommer notgedrungen im Freien. Der Witterung ausgesetzt, können Spak und Rott die teuren Sportgeräte in Mitleidenschaft ziehen. Auch dauerhafte, starke Sonneneinstrahlung greift den Kunststoff an. Neuanschaffungen bedeuten für einen kleinen Sportverein wie den Wilhelmsburger Ruder-Club einen finanziellen Kraftakt: Ein Einsitzer kostet 7000 Euro, ein Boot für vier Ruderer schlägt mit 15.000 Euro zu Buche. Nur vier oder fünf Hersteller gäbe es in Europa, sagt Peter Schlatermund.

Mit einem 60 Quadratmeter großen Holzanbau an das Bootshaus will die Ruder-Club seine Platzmisere beenden. Die Einer-Boote und das Motorboot sollen dort gelagert werden. Der Bezirk Mitte bezuschusst das Vorhaben mit 8500 Euro. Nach dem Sportausschuss hat jetzt auch der Hauptausschuss der Bezirksversammlung sein Okay gegeben. Mit dem Geld wird der Ruder-Club den Rohbau finanzieren. Den Innenausbau übernehmen Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit selbst. „Sie verlegen den Boden, Kabel und installieren die Beleuchtung“, sagt Horst-Walter Gosh. Der Club habe Handwerksmeister in seinen Reihen, so dass der Anbau fachgerecht entstehe. Dadurch, dass der Verein in Eigenleistung trete, reduzierten sich die Baukosten um bis zu 5000 Euro, schätzt der 1. Vorsitzende.

Der Ruder-Club hofft, dass der Anbau bis zum Saisonbeginn fertig sein wird. Das sogenannte Anrudern ist Mitte April. Das Bootshaus aus dem Jahr 1958 ist das Erbe, von dem der Club bis heute profitiert. Das Vereinshaus bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, das ganze Jahr über Krafttraining zu betreiben. Rudern ist längst kein Saisonsport mehr. Rudersportler erwarten heute auch Angebote für den Winter.

Einen große Herausforderung für den Verein wird es sein, das mehr als 50 Jahre alte Gebäude energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Etwa die Hälfte der Jahreseinnahmen, sagt Horst-Walter Gosh, gingen für die Heizkosten drauf.