Rechnerisch jeder Zehnte der 1300-Einwohner-Gemeinde Marxen ist Mitglied in einem der vier Chöre – vom Grundschulkind bis zum Senior

Marxen . „Komm und sing mit!“ steht auf einem großen Schild am Ortseingang. Wo andernorts Hotels oder Autowerkstätten für ihr Angebot werben, fällt in Marxen die große Lyra und darunter die Tafel mit den Probenterminen auf. Hier singt ein ganzes Dorf mit Leidenschaft. Rein rechnerisch ist jeder zehnte Einwohner Mitglied in einem der vier Chöre Nordheide-Chor, Pur Calluna, Kling & Klang und dem Frauenchor. Und insofern hat die Gemeinde, was sowohl die Anzahl der musikalisch Aktiven als auch die Bandbreite ihres Repertoires angeht, ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Dabei hatte der Nordheide-Chor schon früher immer mal von sich reden gemacht – als er in den 70er Jahren den Namen „Männergesangverein von 1895“ ablegte, oder als in den 80er Jahren der NDR einen Film über die Chorpartnerschaft mit Rostock drehte. Als der Eiserne Vorhang noch schwer zu überwinden war. „Wir hatten sogar mal einen Aufnahmestopp“, erinnert sich der Erste Vorsitzende Manfred Schieß. Dies war aber vor allem wegen der Ausgewogenheit der Stimmverteilung nötig gewesen.

Heute zählen die vier Chöre mehr als 120 aktive und weitere 80 fördernde Mitglieder. Während dem Nordheide- Chor als Verein auch Pur Calluna sowie der Jugendchor und der Kinderchor angehören, ist der Frauenchor ein eigener Verein. Dass die Vereine eines Tages auch fusionieren, ist denkbar, hatte aber bisher keine Priorität. Denn es sah vor wenigen Jahren gar nicht so gut aus beim Damenchor. Wegen Überalterung stand er kurz vor der Auflösung. „Aber jüngere Mitglieder lassen sich nur gewinnen, wenn sie von Gleichaltrigen angesprochen werden“, sagt Andrea Henke, die heute den Chor „Pur Calluna“ leitet, seinerzeit aber die Initiative ergriff, neue Sängerinnen zu werben.

Andrea Henke leitete außerdem einen Jugendchor und wurde während ihrer Chorleiterausbildung ermutigt, doch einen vierstimmigen Chor aufzubauen. Daraus entstand das Projekt Pur Calluna. Im Herbst 2010 gab es die ersten Gespräche, 2011 wurde der Popchor als neue Sparte des Nordheide-Chors gegründet. Und erst zwei Jahre zuvor war der Kinder- und Jugendchor „Kling & Klang“ mit der Abteilung für Kinder bis acht Jahre und der für Kinder und Jugendliche von neun bis 16 Jahre aufgebaut worden.

Die Freude am Singen einerseits und an der Geselligkeit andererseits sind der Kitt, der die Chöre und ihre Mitglieder zusammenhält. Nicht nur innerhalb der Ensembles, sondern auch im Austausch miteinander. Anlaufpunkt ist die alte Marxener Dorfschule. Es geht dort genau so zu, wie man sich es sich bei einem ländlichen Gesangsverein vorstellt: im gemütlichen Schankraum wird die Stimme „geölt“, und geklönt, große Chorfotos, Urkunden und die historischen Fahnen des Vereins zeugen von der fast 120-jährigen Gesangstradition im Ort.

Vor dem Schulgebäude grüßt das Logo mit der Lyra von einem Findling – Corporate Design muss sein. Deswegen auch die vier Ortstafeln, die der ehemalige Vorsitzende Adolf Könecke entworfen und gebaut hat. „Wir sind das Aushängeschild für die Gemeinde“, betont der Vorsitzende Manfred Schieß. „Und den Chorverband Nordheide“, ergänzt Andrea Henke.

Für die Nachwuchsarbeit ist Frauke Jansen als Chorleiterin von „Kling & Klang“ verantwortlich. Unterstützt wird sie von Andrea Henkes Tochter Janine Ramdohr, angehende Erzieherin. „Jedes Kind kann singen lernen“, sagt Frauke Jansen und räumt mit Vorurteilen aus, dass Singen eine Frage der Begabung ist. Die Erwachsenen, die sich getraut haben, sehen das genauso: „Ich dachte auch immer, ich könnte nicht singen. Jetzt bin ich Mitglied in drei Chören“, sagt Michael Meisner, Zweiter Vorsitzender des Nordheide-Chors. Die Erfahrung der Chorleiter hilft den neuen Sängern, sich zurecht zu finden. „Vorsingen muss niemand. Den Chorleitern genügt es oft, die Stimme im Gespräch zu hören, um die Tonlage einschätzen zu können, in der jemand am besten singt. Manche brauchen aber einige Zeit, bis sie ihre Stimmlage gefunden haben“, sagt Meisner.

Frauen- und Männerchor pflegen eher das traditionelle Repertoire mit Operette, Volkslied, Schlager und Plattdeutsch, Pur Calluna und die Jugendchöre dagegen Rock und Pop, die Jugend auch Gospel. Die Kinder wiederum lernen auch Volkslieder kennen, „die sind nämlich gar nicht uncool“, sagt Frauke Jansen. Für jeden Musikgeschmack gibt’s also den richtigen Chor.

Neue Mitglieder gewinnen die Chöre durch persönliche Ansprache – „die kriegen ´nen Schnaps und dann bleiben sie“, sagt Damenchorleiterin Sabine Dreyer lachend. Auch über das Internet und die Kooperation mit der Musikschule Hanstedt – dies betrifft vor allem „Kling & Klang“. „Allerdings kommen Kinder lieber, wenn sie Freunde mitbringen dürfen“, sagt Frauke Jansen.

Aktuell wird allerdings jemand anderes gesucht: ein neuer Übungsleiter für den Männerchor, da Chorleiter Bernhard Crass sein Amt aufgeben wird. Wer Interesse hat, kann sich an Verjüngungskur im Damenchor Manfred Schieß wenden.