Die 18-Jährige aus Meckelfeld will Politik zu ihrem Beruf machen und sich in der Gemeinde engagieren

Politiker genießen hierzulande alles andere als einen guten Ruf: Machtbesessen und fernab der Lebenswirklichkeit der Bürger, so das Bild, das die meisten haben. Das ist eine klischeehafte Sicht, die viele Menschen dazu verleitet, sich vom politischen Betrieb abzuwenden. Das Hamburger Abendblatt möchte mit seiner großen Aktion „Partei ergreifen“ das Gegenteil erreichen: Dass sich immer mehr Menschen aktiv einmischen, bei Parteien, Bürgerinitiativen oder Vereinen. Einmischen und mitmachen ist angesagt.

Selina Haupt macht mit und mischt sich ein. Und wenn man sie kennenlernt, wächst die Hoffnung, dass Politiker auch anders sein können. Die 18-Jährige möchte Politik zu ihrem Beruf machen. Ein Praktikum im Abgeordnetenbüro von Birgit Stöver (CDU), Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, hat die Abiturientin aus Meckelfeld endgültig überzeugt.

Ihre Freunde waren erwartungsgemäß ungläubig überrascht. Ob das nicht langweilig sei, wollten sie wissen. „Nein, es ist spannend“, sagt Selina dann. „Man muss eben dafür offen sein, und ich bin begeistert.“ Offen und geradeheraus ist die junge Frau mit den langen braunen Haaren allemal. Neugierig und begeisterungsfähig ebenso – anders als wohl die meisten von uns findet sie Ausschusssitzungen interessant und lehrreich: „Da wird viel diskutiert, da kommen Experten zu Wort. Man begleitet einen Entwicklungsprozess.“ Und dass die Sitzungen abends stattfinden, stört sie ebenso wenig: „Es ist eher praktisch, dass die Sitzungen nach Schulschluss stattfinden. Ich bin sowieso eher abends aktiv.“

Insgesamt dauerte Selina Haupts politischer Schnupperkursus Ende Januar nur eine Woche, vermittelt hatte ihn ihr Vater, der die Harburger Bezirksabgeordnete Helga Stöver (CDU) kennt. Die führte sie zunächst durchs Harburger Rathaus – und machte sie dann mit Tochter Birgit bekannt. „Ich will gern mein Wissen weitergeben, wenn jemand so interessiert ist“, sagt Helga Stöver, die Selinas Engagement mit der Weitervermittlung gleich honorierte. Da Birgit Stöver dem Umweltausschuss angehört, durfte Selina gleich an einem Antrag über die Untersuchung möglicher Folgeschäden der Deponie Georgswerder mitarbeiten.

Dabei hatte sich die Meckelfelderin – wie die meisten Jugendlichen – lange Zeit gar nicht für Politik interessiert. Für den Wandel ist möglicherweise mit verantwortlich, dass Selina Haupt mit 16 als Austauschschülerin in Montreal war. Seit ihrer Rückkehr engagiert sie sich in der Schülervertretung des Gymnasiums Meckelfeld. Die kanadische Großstadt ist in jedem Fall für politische Bildung sehr ergiebig. Montreal liegt in der französischsprachigen Provinz Quebec, wo seit Jahrzehnten über eine Abspaltung von Kanada diskutiert und immer wieder auch mal abgestimmt wird. „Darüber wird in der Öffentlichkeit viel gesprochen“, hat Selina festgestellt.

Sie selbst interessiert sich naturgemäß besonders für Schulpolitik, und findet: „Wenn man unzufrieden ist oder etwas verändern möchte, muss man sich engagieren.“ Und sich mit Themen auseinandersetzen. So ist die Abiturientin selbst zu dem Schluss gekommen, dass das in jüngster Zeit heftig kritisierte „Turbo-Abi“ nach nur acht Jahren am Gymnasium durchaus zu schaffen ist. „Man muss sich eben die Zeit entsprechend einteilen und Selbstdisziplin haben.“ Und so findet die 18-Jährige dennoch die Zeit, sich mit Freunden zu treffen oder Hobbys nachzugehen.

Dafür steht inzwischen Politik als Prüfungsfach in ihrem Stundenplan. Danach soll es ein Studium sein, das Politik und Sprachen verbindet – Montreal lässt grüßen. Am liebsten mit Französisch als Schwerpunkt. „Zum Beispiel ,internationale und europäische Gouvernance’ in Münster“, sagt sie. Oder eben ein anderer deutsch-französischer Studiengang. Ob Selina später in vorderster Reihe oder im Hintergrund tätig sein wird, weiß sie heute noch nicht. „Das wird sich im Laufe der Arbeit entwickeln“, ist sie sicher. Zurzeit denkt sie über einen Parteieintritt nach. „Ich habe mich mit den Inhalten auseinandergesetzt und werde dorthin gehen, wo es meiner Überzeugung entspricht.“ Und sie kann sich vorstellen, für den Orts- oder Gemeinderat zu kandidieren. „Ich traue mir zu, die Verantwortung zu übernehmen. Ich denke auch, junge Leute tun der Politik gut, weil sie die Interessen ihrer Generation besser vertreten können. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, erfahrene Leute an seiner Seite zu haben.“ Man darf also gespannt sein, ob der Name Selina Haupt in zwei Jahren auf einem Wahlschein in Seevetal auftaucht.