An drei Tagen in der Woche stehen die Demonstranten frühmorgens vor den Toren der Firma LPT in Neugraben

Neugraben/Mienenbüttel. Die Mitarbeiter blicken starr geradeaus, stecken schnell den Schlüssel ins Schloss und verschwinden hinter der Pforte, ohne ein Wort zu verlieren. „Würden Sie ihren eigenen Hund auch hierher bringen?“, fragt Demonstrant Horst Plohnke, 74, die Angestellten vor den Toren des Laboratoriums für Pharmakologie und Toxikologie (LPT) am Redderweg in Hamburg-Neugraben. Doch keine Antwort, Tür auf und weg.

Seit November stehen Tierschützer jeden Montag, Mittwoch und Freitag von 6 Uhr bis 8.30 Uhr vor dem LPT Tierversuchslabor in Hamburg-Neugraben, halten eine Mahnwache ab und versuchen, mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Das Unternehmen gilt als eines der größten Tierversuchslabors Deutschlands und arbeitet im Auftrag der chemischen und pharmazeutischen Industrie.

Die Mitarbeiter, die mit dem Auto, Fahrrad oder auch zu Fuß zu ihrer Arbeitsstelle kommen, passieren zunächst zahlreiche rote Kerzen, die die Demonstranten am Wegesrand aufgestellt haben. Am Ende stehen die Tierschützer und halten Transparente hoch. Darauf stehen Forderungen wie „Tierversuche abschaffen“ und „Eine moderne Forschung braucht keine Tierversuche“. Die Aktivisten werden nicht müde zu betonten, dass es längst Alternativmethoden gibt, die eine Forschung zulässt, ohne Tieren Qualen zuzufügen. Dazu zählen unter anderem technisch ausgefeilte Modelle, Biochips und tierversuchsfreie Methoden mit menschlichen Zellen und Geweben, kombiniert mit speziellen Computerprogrammen.

„Wir wollen ja gar nicht, dass LPT schließt, sondern dass das Unternehmen auf tierversuchsfreie Methoden umstellt“, sagt Angela Fethke, 38, aus Hamburg-Barmbek. Auf ihre Initiative hin ist die Mahnwache entstanden. Egal, wie kalt es ist, die Tanzlehrerin kommt. Auch heute morgen scheute sie den Regen nicht und protestiert. Zu einem nennenswerten Austausch mit den LPT-Mitarbeitern ist es allerdings bislang nicht gekommen. Angela Fethke kann das nachvollziehen. „Die Menschen haben Angst um ihren Job“, sagt sie. Dennoch werten sie und ihre Mitstreiterin Janina Jeske, 31, aus Hamburg-Winterhude, die ebenso seit Wochen regelmäßig an der Mahnwache teilnimmt, die Kampagne als Erfolg. „Uns geht es darum, die Öffentlichkeit aufzuklären und Argumente zu liefern, die viele gar nicht kennen“, sagt die Inhaberin einer PR-Agentur.

Dazu zählt die Erkenntnis, dass viele Tierversuche nicht halten, was sie versprechen, wie auch der Verein Ärzte gegen Tierversuche betont. Und dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können. „Es ist Augenwischerei, dass an Tieren getestete Chemikalien die Menschen schützen. Denn Tiere und Menschen unterscheiden sich im Stoffwechsel“, sagt Corina Gericke, stellvertretende Vorsitzende des bundesdeutschen Vereins Ärzte gegen Tierversuche.

Vor allem aber ist es für die Tierschützer ein Skandal, dass LPT für die Frankfurter Firma Merz Botox-Produkte an Mäusen testet, obwohl die amerikanische Firma Allergan längst eine zulässige Alternative gefunden hat, die ohne Tierversuche auskommt. Botulinumtoxin, das gegen Nervenstörungen wie etwa Lidzuckungen, vor allem aber als Faltenglätter eingesetzt wird, ist extrem giftig. Deshalb schreibt die EU vor, dass das Gift nicht einmalig, sondern jede einzelne neue Produktionseinheit getestet werden muss. „Es ist ein schwieriger, aber auch ein extrem grausamer Test. LPT ist die einzige Firma, die ihn vornimmt“, sagt die Tierärztin Gericke. Die Mäuse, denen die Substanz in die Bauchhöhle gespritzt wird, erleiden Muskellähmungen und Atemnot. Sie ersticken bei vollem Bewusstsein. „Wegen dieser Tests sind 2008 37.000 Mäuse bei LPT umgekommen“, sagt Gericke. Aktuelle Zahlen hat sie nicht. Aber sie geht davon aus, dass es deutlich mehr geworden sind. „Botox ist eine Goldgrube. Obwohl es längst eine Alternative gibt, macht die Firma Merz einfach weiter“, sagt sie.

Deshalb appelliert Janina Jeske auch heute vor den Toren der Firma LPT an das Gewissen der Mitarbeiter: „Es gibt eine alternative Forschung zum Tod. Das kann ihnen doch nicht ganz egal sein.“ Schweigen.

Das Unternehmen Merz erklärt das Weitermachen mit der fehlenden Technik. Es sei nicht so einfach möglich, die tierversuchsfreie Methode der Firma Allergan auf das eigene Produkt zu übertragen, sagt Ute Weinhold, Pressesprecherin des Unternehmens. Merz arbeite aber seit zwei Jahren mit der Firma Ipsen an einer auf Zelllinien basierenden Alternative, um so die Grundlage für einen tierversuchsfreien Test zu schaffen. Weinhold geht davon aus, dass die Firma bis Ende 2014 einen tierversuchsfreien Test zur Zulassung einreicht und in etwa zwei Jahren ein Alternativtest zur Verfügung steht.

LPT selbst verweist auf das Gesetz. „Die Einführung neuer Arzneimittel, sei es gegen Diabetes oder Krebs, sind nur mit Tierversuchen möglich. So will es der Gesetzgeber“, sagt Jost Leuschner, Geschäftsführer von LPT. Sein Unternehmen begrüße es, dass der Gesetzgeber große Anstrengungen unternehme, die Entwicklung von Alternativmethoden voranzutreiben. „Solche werden auch bei LPT alternativ zu den Untersuchungen am Tier angewandt. Bei der Freigabe sind die Gesetzgeber jedoch äußerst vorsichtig“, sagt er.

Auch Sabine Brauer aus Rade von der Bürgerinitiative Lobby pro Tier, der sich die Tierschützer von der Mahnwache inzwischen angeschlossen haben, weiß, dass das Gesetz im Weg steht. Deshalb hat sie sich mit ihrer Initiative zum Ziel gemacht, Politik und Forschung vom Verbot der Tierversuche zu überzeugen. „Solange die Gesetze nicht geändert werden, ist allen egal, was wir machen“, sagt Brauer.