Bei der Hamburger Krebsgesellschaft am Schlossmühlendamm lernen Frauen den Umgang mit Kosmetik während ihrer Chemotherapie

Harburg. „Machen Sie es so, wie Sie sich am wohlsten damit fühlen.“ Während Angelika Heinrich einen Kajalstift in die Luft hält, blickt sie prüfend auf sieben Frauen, die in diesem Moment ihre Augen ebenfalls mit einem Kajalstift schminken. Die Styling-Spezialistin hält einen sehr speziellen Schminkkursus – in den Räumen der Hamburger Krebsgesellschaft am Schlossmühlendamm 3.

Die Teilnehmerinnen sitzen um einen großen Tisch. Gelbe Primeln zaubern einen Hauch von Frühling in den Raum, Kekse und Getränke stehen bereit. Jede Frau bekommt eine Stofftasche mit Kosmetik und Pflegeprodukten, die sie am Ende des Vormittags mitnehmen darf. Reinigungsmilch, Gesichtswasser, Wimperntusche, Makeup und Rouge – alles ist individuell abgestimmt auf die Frauen. „Viele haben eine ganz dünne und sensible Haut durch die Chemotherapie“, erläutert die Sozialpädagogin und Psychoonkologin Helga Wolff, die die Kurse in Harburg veranstaltet. Organisiert werden sie von der gemeinnützigen Gesellschaft DKMS LIFE. Jede Betroffene kann einen Kosmetikkurs kostenlos in der Zeit während ihrer Chemotherapie besuchen.

Bevor zu Wattepad und Pinsel gegriffen werden darf, müssen die Frauen Mut fassen. Mut, die Mützen und Perücken abzusetzen und sich zu der ungeliebten Glatze zu bekennen. Hier und heute gehen sie auffallend entspannt damit um. Es fällt leichter, sich mit seiner Krankheit und ihren Auswirkungen unter Menschen zu bewegen, die das gleiche Schicksal haben. Neugierig hören sich die Kursteilnehmerinnen an, was die Styling-Expertin zum Thema Vorbereitung erklärt. „Wenn Sie das Gesicht nicht reinigen, verrutscht das Makeup“, sagt Angelika Heinrich. Nachdem anschließend Makeup, Conceiler und Puder richtig dosiert aufgebracht worden sind, schaut jede der Frauen aufmerksam in den Kosmetikspiegel. „Makeup ist wichtig, denn oft sieht man der Haut die Krankheit an“, sagt eine von ihnen. Langsam entspannen sich die Frauen, die Stimmung löst sich. Es wird gelacht – über die eigenen Schminkversuche und die Ausrutscher der anderen.

Die Frauen bekommen Hilfe bei der Auswahl der richtigen Farben

Das wichtigste Utensil des heutigen Tages ist der Augenbrauenstift. Die meisten Patienten verlieren bei der Chemotherapie ihre Haare, nicht nur auf dem Kopf, sondern am ganzen Körper. Besonders für Frauen ist es schwer, sich ohne Wimpern und Augenbrauen im Spiegel sehen zu müssen. Angelika Heinrich berät bei der Wahl des Farbtons und der Technik. „Orientieren Sie sich an ihrer früheren Haarfarbe“, empfiehlt sie. Und es ist erstaunlich, gleicht einer Verwandlung: Durch ein wenig Makeup und nachgezogene Augenbrauen schimmert bei allen Frauen die Schönheit früherer Zeiten durch, die Unbeschwertheit einer Zeit, in der sie noch gesund waren.

Beim Lidschatten gerät die Gruppe in Spiellaune. Wie junge Mädchen vergleichen die Frauen die Farben und amüsieren sich. Gar nichts anfangen können sie zunächst mit der Wimperntusche. „Ich hab nur noch drei lange Wimpern, das lohnt sich nicht“, ruft Desirée, eine der Teilnehmerinnen. Angelika Heinrich lässt das nicht gelten. Nach einem fachkundigen Blick wischt sie die Bedenken weg: „Da sind doch feine kurze Härchen, die reichen dafür aus.“ Die Kursleiterin drückt Desirée die Wimperntusche in die Hand. Zum Schluss noch etwas Lippenstift, dann blicken die Teilnehmerinnen zufrieden in den Spiegel, mit dem Ergebnis sind alle einverstanden.

Was ist das schönste Gesicht – ohne Frisur? Mützen sind während der Chemotherapie praktisch, aber nicht vergleichbar mit Haaren und deren richtigem Styling. Zweithaarspezialistin Antje Rose hat für die Damen die verschiedensten Perücken mitgebracht. Vam schwarzen Kurzhaarschnitt bis zur blonden Mähne. Antje Rose erklärt ganz genau, wobei man beim Perückenkauf zu achten hat, welche Qualitäten es gibt und wie eine Perücke gepflegt werden muss. Gerade die Passform ist für diese Art der Kundinnen ganz wichtig. „Sie darf auf keinen Fall auf der empfindlichen Kopfhaut drücken“, mahnt die Spezialistin.

Am Ende des Vormittags geht jede der Frauen reich beschenkt nach Hause. In den Taschen haben sie die kleinen, kosmetischen Helfer, die dazu beitragen, dass sie fröhlicher in den Spiegel schauen können. Und sie haben Kraft getankt, für den Kampf um ihr Leben und ihre Gesundheit.

Die Hamburger Krebsgesellschaft bietet eine Fülle von Veranstaltungen für Krebspatienten und ihre Angehörigen. Die meisten Veranstaltungen finden am Butenfeld 18 in Hamburg Eppendorf statt. In Harburg beginnt im November ein weiteres Kosmetikseminar. Weitere Infos für Patienten findet man auf www.krebshamburg.de und www.dkms-life.de