Die Steenbeker in Buchholz lassen sich bei den Proben zu ihrem neuen Stück von Ohnsorg-Profi Sandra Keck coachen

Buchholz. „Schlag' ihn noch mal, ich will es richtig klatschen hören!“ Die Frau mit der Brille sagt es unmissverständlich. Tommy Smidt gehorcht, holt aus und lässt einen Schwinger auf einen Mann im Priesterkragen lossausen. Als Sportlehrer müsste er eigentlich wissen, dass so ein Schlag nicht effektiv ist. Hier ist jedoch alles anders: Der Schlag sieht gut aus und der Priester taumelt mit großen Schritten. „Viel besser“, lobt Sandra Keck, die Frau mit der Brille. Die Ohnsorg-Schauspielerin ist zu Gast bei einer Probe der „Steenbeker“ in Buchholz, um dem Spiel der Laien wenige Wochen vor der Premiere den letzten Schliff zu geben.

Gespielt wird „Wat passeert doar an'n Balkon?“ eine niederdeutsche Adaption des englischen Boulevardstücks „The Balcony Scene“ von John Chapman und Anthony Marriott. Das Stück ist ein bewährter Schenkelklopfer und wurde bereits in zahlreiche Sprachen und Mundarten übertragen. Das Erfolgsrezept der britischen Dreiakter ist es, die klassische Fünf-Akt-Komödie zu komprimieren und so mit mehr Tempo zu versehen. Braucht Shakespeare im Schnitt drei Stunden, um Komplikationen zu verwickeln und dann aufzulösen, ist man bei dieser Variante in ca. 90 Minuten durch, das Publikum keucht vor Lachen und man kann vor der englischen Sperrstunde noch ein Pint nehmen. Das 90-Minuten-Format macht diese Stücke außerdem fernsehaufführungsfreundlich, weswegen von Millowitsch bis Mahler alle Granden des Volkstheaters solche Stücke auch auf die Mattscheibe brachten.

Damit die Pointen sitzen, ist das Timing in diesen Stücken besonders kritisch. Die meisten Gags leben vom Überraschungseffekt, den kann man durch falsches Tempo schon mal verpassen. Tommy Smidt, der nicht nur einen prügelfreundlichen Adligen spielt, sondern auch die Regie führt, hat sich also keine ganz leichte Aufgabe gewählt. „Vor allem dadurch, dass ich selber spiele, fehlt mir manchmal der Blick von außen“, sagt er, „deshalb bin ich froh, dass Sandra heute hier ist.“

Die Profi-Schauspielerin hatte bereits im vergangenen Jahr einen Workshop mit den Steenbekern durchgeführt. Dabei hatte das Amateur-Ensemble sie gebeten, kurz vor der Premiere noch einmal vorbeizukommen. „Ich habe zugestimmt, weil die Steenbeker eine sympathische Truppe sind“, sagt Sandra Keck, „die sind mir richtig ans Herz gewachsen.“

In Cuxhaven am Wattenmeer geboren und in Wilstorf aufgewachsen, kennt Sandra Keck die Region südlich der Elbe. Ihre Bühnenkarriere begann im Schlepptau von Rolf Zuckowski. Seit der Schauspielschule ist Sandra Keck festes Ensemblemitglied am Ohnsorg-Theater. Außerdem schreibt sie Lieder und Literatur, rockt auf Platt und gibt Workshops. In Buchholz hat sie jetzt ein Klemmbrett unter dem Arm und verteilt großzügig Ratschläge. Hier wir ein Gang geändert, da eine Geste gesteigert, alles im Sinne des Spielflusses. Der ist, wie bei solchen Stücken üblich, kompliziert und es kommt darauf an, das das Publikum den Überblick behält.

Was passiert in „Wat passert doar an'n Balkon“? Jeremy, Hobbydichter und hauptberuflicher Deichbauer, sucht eine Frau. Er geht zur Partnervermittlung von Constanze Beckmann und verguckt sich gleich in die Chefin – nicht nur, weil ihm das Gegenübersitzende am naheliegendsten erscheint, sondern weil der Stil ihrer Kundenkorrespondenz auf Briefbogen, Twitter und Facebook sein Dichterherz anspricht. Was er nicht ahnt: Nicht Constanze, sondern ein Cyber-Cyrano ist hier am Werk. Constanze will Jeremy los werden und behauptet, verheiratet zu sein. Ganz nebenbei muss sie auch noch ihre schwer vermittelbare Kundschaft verkuppeln und sich des Verdachts erwehren, ein unsittliches Gewerbe zu betreiben. So viel sei verraten: Am Ende sind alle unter der Haube.

Gibt es ein professionelles Urteil über die mimische Kompetenz der Steenbeker? „Sie sind eine Amateurtheatergruppe“, sagt Sandra Keck. „Das ist aber nicht abwertend gemeint, denn bei solchen Stücken kommt es sehr auf die Spielfreude an – und die ist hier zu über 100 Prozent vorhanden. Ich bin überzeugt, dass die Steenbeker es schaffen diese Spielfreude auch beim Publikum ankommen zu lassen, und dann wird die Premiere ein Super-Abend.“

Am Sonnabend, 1., und Sonntag, 2. März können sich die Buchholzer davon überzeugen Um 20 Uhr beziehungsweise 19 Uhr heißt es dann in der „Empore“: Vorhang auf für die Steenbeker.