Die Gemeinde Seevetal setzt ehrenamtliche Medienboten ein: Sie beliefern Menschen, die nicht mobil sind, mit Lesestoff

Meckelfeld. Wenn die Leser nicht oder nicht mehr in die Bücherei kommen können, weil sie schlecht zu Fuß sind und dabei womöglich noch ganz entlegen wohnen, kommt die Bücherei jetzt zu ihnen ins Haus. Zumindest in der Gemeinde Seevetal, in der es ab sofort das Projekt der Medienboten gibt. Das sind Personen, die sich auf ehrenamtlicher Basis Zeit nehmen, um ältere oder behinderte Mitbürger mit Lesestoff, Hörbüchern, Spielfilm-DVDs oder Musik-CDs zu beliefern.

Entstanden ist die Idee in der Gemeindebücherei Seevetal und beim Seniorenbeirat der Gemeinde. So sind es auch zunächst einige Mitglieder des Seniorenbeirats, die sich von den Mitarbeitern der Gemeindebücherei zu Medienboten schulen lassen: Sie lernen angesagte Buchtitel kennen, mit DVD- und CD-Abspielgeräten umzugehen und gegebenenfalls auch mit dem E-Book-Reader.

Gewünscht – wenn auch nicht zwingend – ist es auch, wenn sich die ehrenamtlichen Bücherboten ein wenig Zeit für ihre Leserschaft nehmen, um noch gemeinsam einen Kaffee zu trinken oder gar etwas vorlesen. „Wenn sie es nicht möchten, müssen sie das aber auch nicht“, erläutert Büchereileiterin Gabriele Maidorn. Unter den Medienboten werden – einfach, weil sie recht viel Zeit haben – aller Voraussicht nach überwiegend Senioren sein, „aber hoffentlich nicht nur aus dem Seniorenbeirat“, so dessen Vorsitzender Ulf Alsguth. Er betont auch, dass die Medienboten nur Bücher und andere Medien der Bücherei überbringen, keinesfalls aber „beim Gardinenaufhängen helfen sollen“. Sondern den Empfängern des Lesestoffs „das Gefühl vermitteln, dass es sich lohnt, weiter hier zu sein.“ Also Lebensfreude spenden – und dafür ein Gefühl zurückbekommen, gebraucht zu werden.

„Wir haben uns in jüngster Vergangenheit vor allem um junge Familien gekümmert. Wir müssen aber auch die Älteren im Blick haben. In Seevetal leben heute schon knapp 10.000 Bürger über 65 Jahre. Auch sie sollen an der Gesellschaft teilhaben und nicht vereinsamen“, sagt Bürgermeisterin Martina Oertzen. Das Projekt Medienboten sei daher der nächste Meilenstein nach Gründung des Seniorenbeirates vor gut einem Jahr.

Zunächst gibt es eine Pilotprojektphase: In den ersten sechs Monaten wird das Angebot im Bereich Maschen-Horst-Hörsten getestet. Das wird Jochen von Elsner als erster Medienbote übernehmen. „Wir schicken natürlich niemanden aus Hittfeld oder Fleestedt weg, der das Angebot ebenfalls nutzen möchte“, betont Büchereileiterin Maidorn. Nach dieser Probezeit soll das Angebot auf die gesamte Gemeinde ausgeweitet werden. Im Idealfall hat später jeder Medienbote einen festen „Kundenstamm“, sodass auch eine persönliche Beziehung aufgebaut werden kann. Wenngleich die Bücherei nicht in ihrem Zentralrechner speichert, wer wann welches Buch ausgeliehen hat, so dürfen die Medienboten dies für sich notieren. So können sie leichter behalten, welche Bücher ihr Leser womöglich schon kennt oder welche Titel seinem Geschmack entsprechen könnten.

Und so funktioniert es: Der Medienbote stellt eine Kiste mit Büchern, DVDs, CDs und Zeitschriften zusammen, aus der sein Leser auswählen kann, und bringt nach Absprache zum Beispiel alle drei oder vier Wochen neuen Lesestoff. Selbstverständlich können die Leser im Vorwege schon Wünsche äußern. Weil die Medienboten den Zentralrechner der Bücherei nutzen können, haben sie einen Überblick über das gesamte Angebot von 57.000 Titeln – Bücher, Tonträger, DVDs. Allerdings muss der Nutzer des Medienbotendienstes einen Büchereiausweis besitzen (Kosten: 15 Euro im Jahr, ermäßigt 7,50 Euro) – wie jeder andere Büchereinutzer auch. Auch den Ausweisantrag erledigen die Medienboten, außerdem haben sie für ihre Leser die Einhaltung der Ausleihfristen im Blick – das ergibt sich aus dem Besuchsrhythmus.

Viele organisatorische Dinge werden sich wohl auch erst in der Praxis ergeben – etwa, ob das Angebot auch für Seniorenheime in Frage kommt. Denn viele Einrichtungen haben selbst kleine Bibliotheken – die aber nicht immer auf dem neuesten Stand sind. Dafür sind auch Filmnachmittage oder gemeinsame Lesungen denkbar. In jedem Fall bekommen die Medienboten, die in Deutschlands größter Flächengemeinde sicher auch den einen oder anderen Kilometer zurücklegen müssen, ihre Auslagen erstattet – das hat die Gemeinde zugesichert.

Wer sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit als Medienbote interessiert, kann sich entweder an die Zentralbücherei in Meckelfeld, 040/85401690, oder über die Gemeinde Seevetal an den Seniorenbeirat, 04105/550, oder direkt an Ulf Alsguth, 040/7681468, wenden.