Winsener Herbergsverein erstellt derzeit ein Beschäftigungskonzept für Asylbewerber im Landkreis Harburg. Projektbeginn soll am 1. April sein

Winsen/Buchholz. Andrea Picker ist sich sicher: So ein Projekt gehört zu den ureigensten Aufgaben des Herbergsvereins. Die Geschäftsführerin der Winsener Einrichtung, die bisher eher in der Wohnungslosen-, Suchtkranken- und Jugendberufshilfe aktiv ist, weiß genau um die große Bedeutung des Konzepts, das sie derzeit gemeinsam mit dem Kirchenkreis Winsen für die Asylbewerber im Landkreis Harburg erstellt. „Wir haben uns immer für Menschen am Rande der Gesellschaft engagiert und greifen jetzt eine aktuelle Entwicklung auf.“

Wie berichtet, soll ein neues Konzept dafür sorgen, dass innerhalb von zwölf Monaten 200 der insgesamt rund 800 Flüchtlinge im Landkreis Harburg in Beschäftigungsangebote vermittelt werden – ein bisher einmaliges Projekt in der gesamten Region, das auch für den Herbergsverein Pionierarbeit bedeutet. Auf der einen Seite soll das gemeinnützige Arbeiten dabei helfen, den größtenteils jungen Männern aus allen Teilen der Welt eine feste Alltagsstruktur zu geben. Auf der anderen Seite soll es dazu beitragen, dass es aus der Bevölkerung mehr Verständnis und Akzeptanz für die Flüchtlinge gibt.

Gerade die jüngsten Ereignisse in Tostedt, wo 35 Rechtsradikale ein Infotreffen für Anwohner zum Bau neuer Flüchtlingscontainer störten, seien beispielsweise ein Grund für noch mehr Engagement in der Arbeit mit Asylbewerbern, sagt Andrea Picker. „Wir wollen die Menschen nicht verstecken, sondern sie in die Gesellschaft integrieren.“ So würden die Beschäftigungsangebote letztlich auch zu einer Art Schutz für die Flüchtlinge werden.

Gemeinsam mit Superintendent Christian Berndt vom Kirchenkreis Winsen steht die Vereinsvorsitzende nun vor der Herausforderung, den Spagat zu meistern zwischen einer sinnvollen Beschäftigung für die Asylbewerber und der Vorgabe, ausschließlich gemeinnützige und zusätzliche Arbeitsstellen zu schaffen, die keinen regulären Job gefährden. Denkbar sei beispielsweise ein Einsatz in Altenheimen, bei dem die Flüchtlinge mit den Senioren zu Ausflügen aufbrechen und mit ihnen Eis essen, sagt Berndt.

Weitere Beispiele sind kleinere Arbeiten auf Friedhöfen oder dem Landesgartenschaugelände in Winsen, außerdem habe sich bereits eine Pastorin gemeldet und gesagt, dass ihre Kirchengemeinde schon immer einen neuen Internetauftritt haben wollte. „Die Flüchtlinge sollen ja nicht nur Laub harken“, sagt Berndt. Einige von ihnen seien zwar Analphabeten und hätten in ihren Heimatländern beispielsweise als Fischer gearbeitet, andere wiederum besäßen einen Pilotenschein oder ein abgeschlossenes Studium. „Da versuchen wir natürlich, für jeden etwas Passendes zu finden.“ Ein erster erfolgreicher Probelauf mit zehn Flüchtlingen aus Eritrea, die auf dem Gelände des Herbergsvereins Holzarbeiten ausführten, bestätigt ihn darin, auf dem richtigen Weg zu sein.

Auch wenn Andrea Picker betont, dass es für einen Aufruf an potenzielle Arbeitgeber noch zu früh ist – der Kreisausschuss entscheidet erst am 24. Februar über die weitere Zukunft des jährlich rund 180.000 Euro teuren und auf vorerst drei Jahre angelegten Konzepts –, will sie auf jeden Fall mit den anderen sozialen Verbänden wie Arbeiterwohlfahrt oder Rotes Kreuz sowie den Gemeinden im Landkreis zusammenarbeiten. Der Vorteil des Herbergsvereins sei dabei, dass er aufgrund seiner bisherigen Arbeit bereits mit vielen Einrichtungen vernetzt sei und es einfacher hätte, im gesamten Landkreis Einsatzstellen zu finden, sagt sie. „Wir hoffen aber auch, dass viele von sich aus zu uns kommen und etwas anbieten.“

Doch auch die Situation der Flüchtlinge wollen die Initiatoren nicht aus den Augen verlieren. Wie informieren wir sie über die freiwilligen Arbeitsangebote? Wie gelangen sie zu den Einsatzorten? Welche Sprache sprechen sie? Und wie stabil ist ihre Psyche? All diese Fragen müssen vor Beginn geklärt sein. „Es kann natürlich auch vorkommen, dass eine Person nach einiger Zeit aufgibt oder die Arbeit wechseln muss, weil es einfach nicht passt“, sagt sie.

Fest steht, dass die ersten Vermittlungen möglichst zum 1. April zustande kommen sollen. Die Asylbewerber sollen dann montags bis freitags jeweils vier Stunden arbeiten gehen und dafür mit 1,05 Euro pro Stunde entlohnt werden. Einige Beschäftigungen könnten auch saisonal beschränkt sein wie etwa das mögliche Bauen von kleinen Hütten für Weihnachtsmärkte. „Da müssten wir aber unbedingt noch klären, ob das eine gemeinnützige Arbeit ist oder sie eine Grauzone berührt“, sagt Andrea Picker. Nach einem Jahr soll es eine Bewertung geben, ob das Projekt weitergeführt werden kann.