Uwe Wieschowski ist Kreis-„Biberberater“. In Karoxbostel lebt einer der seltenen Nager

Karoxbostel. Wirr übereinander geschichtete Äste, bedeckt von Erde und gespickt mit ein paar Plastikfetzen, etwa einen Meter hoch. Der Haufen am Seeveufer sieht aus, als hätte jemand heimlich Gartenabfall entsorgt. Wo ohnehin schon was rumliegt, kann noch mehr lagern. So dachten die Mitarbeiter des Seeve-Unterhaltungsverbands im vergangenen Herbst und schoben hier aus dem Fluss geborgene entwurzelte Bäume zusammen. „Als ich das sah, dachte ich, mich trifft der Schlag“, erinnert sich Uwe Wieschowski. Denn bei dem ursprünglichen kleinen Haufen handelt es sich keineswegs um eine wilde Müllkippe, sondern um Wieschowskis ganzen Stolz: Eine Biberburg. Wieschowski ist einer von drei „Biberberatern“ des Landkreises Harburg, zuständig für Este und Seeve.

Der unter strengem Naturschutz stehende Nager, der in Karoxbostel kaum 200 Meter von der Landstraße entfernt, in Sicht- und Hörweite des Horster Autobahn-Dreiecks lebt, ist das einzige Exemplar in Wieschowskis Aktionsradius und wohl noch Junggeselle, wie die vergleichsweise geringen Fraßspuren nahe legen. „Mein Kollege Ingo Ahrens hat drei Biber-Vorkommen an Luhe und Ilmenau und in Claus Hektors Bereich Elbmarsch gibt es sogar eine Biber-Großfamilie“, erzählt Wieschowski. Den Karoxbosteler Biber hat der künstliche „Anbau“ an seinem Unterschlupf nicht gestört. Im Gegenteil. Nagespuren belegen, dass er das Baumaterial direkt vor der Haustür nutzt und sich am durch Menschenhand abgelagerten Geäst gütlich tut. „Biber sind nicht besonders empfindlich gegenüber Störungen“, erklärt Wieschowski. „Anders als bei Otter-Vorkommen gibt es deshalb am Gewässerabschnitt rund um einen Biberbau auch keine Beschränkungen für den Angelbetrieb.“

Wieschowski ist seit Jugendtagen passionierter Angler, liebt das Fliegenfischen und gehört sowohl dem Angelsportverein Harburg-Wilhelmsburg als auch der Horster Fischerei- und Naturschutzgemeinschaft an. Das nasse Element hat den Chemotechniker auch beruflich beschäftigt. Er erstellte Wasseranalysen für ein Hamburger Umweltlabor. Seit seiner Pensionierung widmet der Fleestedter sich der Renaturierung von Flüssen. Als die Untere Naturschutzbehörde im vergangenen Sommer begann, ein „Bibermanagement“ zur Erfassung und Kartierung des Bestands im Landkreis Harburg aufzubauen, ließ er sich zum ehrenamtlichen Biberberater ausbilden. Noch hat er niemals eines der nachtaktiven Tiere zu Gesicht bekommen. Trotzdem erkennt der 66-Jährige sicher ihre Spuren. Beim Abknabbern von Rinde und Bast hinterlassen die Biber-Zähne typische Riffelungen im Kernholz. Erstaunlich: Mit bis zu 135 Zentimetern Länge inklusive des Schwanzes erreichen Europas größte Nagetiere aufgerichtet sogar Äste einen Meter über dem Boden. Späne-Haufen zeugen von der Tätigkeit der fleißigen Handwerker. Am spektakulärsten aber sind keilförmige Kerben in dicken Stämmen. Der Karoxbosteler Biber hat seit Monaten an einer Weide gearbeitet. Der nächste Sturm wird sie ins Wasser kippen. Wieschowski hat den Seeve-Unterhaltungsverband bereits auf das bevorstehende Ereignis vorbereitet. Weil der Biber nicht seiner Nahrung – der zarten Triebe und Knospen des Wipfels – beraubt werden soll, wird der Baum im Fluss belassen und parallel zum Ufer befestigt werden. Das nützt nicht nur dem Biber. „Das Geäst wird gleichzeitig Fischen Unterschlupf bieten“, sagt Wieschowski zufrieden. Biberschutz ist Naturschutz. „Mit ihren Bauwerken und ihrer Lebensweise unterstützen sie kostenlos und von ganz allein die Renaturierung der von ihnen bewohnten Gewässerabschnitte und schaffen als Schlüsselart neue Lebensräume für andere seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen. Mehr noch: Biberschutz ist Hochwasserschutz, denn Biber halten das Wasser in der Landschaft – durch die Verzögerung des Wasserabflusses mit ihren Dämmen. Es versickert und verdunstet so bereits im Oberlauf mehr Wasser, wodurch Hochwasserspitzen gekappt werden“, schildert der NABU Winsen die ökologischen Zusammenhänge in einem Faltblatt mit dem Titel „Die Rückkehr der Burgherren“.

Das Bibermanagement im Landkreis Harburg wurde dem Beispiel Bayerns folgend vorsorglich eingeführt. Im Freistaat nämlich hat sich „Castor fiber“, wie der Europäische Biber wissenschaftlich heißt, inzwischen derart vermehrt, dass Konflikte mit Land- und Fischwirten bestehen. Teiche laufen leer, weil die Uferdämme unterhöhlt sind, aufgestaute Bäche sorgen für Überschwemmungen auf Äckern, Mais und Rüben verschwinden über Nacht vom Feld und angenagte Obstbäume stürzen um. Weil der Biber in Bayern von Naturschützern gezielt wieder angesiedelt worden war, werden dort wirtschaftliche Verluste ersetzt. In Niedersachsen dagegen hat sich der Biber von selbst eingeschlichen und gilt deshalb als „Naturereignis“. Es gibt keinen Fonds, aus dem Entschädigungen gezahlt werden könnten. Allerdings besteht auch kein Bedarf. „Noch hat es keine Schadensmeldungen gegeben“, erklärt Wieschowski.

Im Fall des Falles wären die Biberberater Ansprechpartner, könnten aber letztlich nur um Verständnis werben oder versuchen, aus Kenntnis der Biber-Lebensweise ernsthafte Schäden im Vorfeld zu vermeiden. Bisher beschränkt sich ihre Aufgabe somit auf Öffentlichkeitsarbeit und das Aufspüren von Bibervorkommen. Noch hat Wieschowski es nicht geschafft, die Läufe von Este und Seeve von der Quelle bis zur Mündung persönlich zu inspizieren. Und selbst wenn er damit fertig wäre, könnte er sofort wieder von vorn anfangen, weil Jungtiere nach zwei Jahren im elterlichen Bau ausschwärmen, um sich ein eigenes Revier zu suchen. Die Biberberater sind somit auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Einem Hinweis aus Hollenstedt war Wieschowski bereits hoffnungsfroh nachgegangen. Vergeblich. Das Geäst an der Este war offensichtlich nicht von gebogenen Zähnen, sondern vom glatten Stahl einer Axt gekappt. „Er wird wohl erst einmal mein einziger bleiben“, sagt Uwe Wieschowski und schaut fast zärtlich auf den unordentlichen Ast-Haufen, unter dem sein Schützling einer weiteren emsigen Nage-Nacht entgegen schläft.

Wegen seines Fells und Fleisches wurde der Biber früher gejagt und dabei in Deutschland weitgehend ausgerottet. Inzwischen ist er in allen Bundesländern wieder mehr oder weniger verbreitet. In Deutschland zählt der Biber nicht zum Jagdwild, sondern unterliegt allein dem Naturschutzrecht. Der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie nach gilt er als „Streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse.“ So ist es auch im Bundesnaturschutzgesetz geregelt: Die Tiere dürfen nicht gestört werden, Burgen und Dämme sind zu schonen, Tötung und Vermarktung sind grundsätzlich verboten und der Fang unterliegt hohen Auflagen. Nur bei Gravierenden und auf anderer Weise nicht zu lösenden Konflikten mit Landnutzern können die Unteren Naturschutzbehörden Fang und /oder Tötung genehmigen.

Wer Biberspuren entdeckt, sollte dies den zuständigen Beratern melden: Bereich Seeve und Gebiete westlich der Seeve:Uwe Wieschowski, Telefon: 04105/4659, u.wieschowski@t-online.de, Luhe und Ilmenau: Ingo Ahrens, Telefon: 04174/ 5024382, biber@nabu-winsen-luhe.de, Elbmarsch: Claus Hektor, Telefon: 04152/75758, c.hektor@hektor.de.