Mit großem technischen Aufwand, schwerem Gerät und einer großen Mannschaft wurde dem 140 Jahre alten Riesen zu Leibe gerückt

Harburg. Ein Zug an der Starterschnur und Hans-Hermann Friskes Motorsäge nölt los. Der Mann auf dem Hubsteiger setzt sie in der Baumkrone an und bald rauscht das erste Aststück senkrecht zu Boden. 15 Meter weiter unten stehen die Kollegen des Sägers mit respektvollem Abstand und sammeln die Stücke, wie sie fallen. Dann entfernen sie sich rasch wieder, denn über ihnen wirft Friske bereits wieder die Säge an und mahnt lauthals zu Vorsicht.

In der ganzen Harburger Innenstadt ist das Spektakel zu hören. Die Rathauspappel wird gefällt. 140 Jahre stand sie auf der Wiese zwischen Rathausrückwand und dem alten Bauamt. Wie die Krokussen, die zu ihren Füßen – pardon, Wurzeln – Jahr für Jahr den Lenz begrüßen, gehört diese Pappel zum botanischen Selbstverständnis Harburgs. Bis heute.

Viele Passanten bleiben stehen und werfen noch einen letzten wehmütigen Blick auf den Baum. „Es ist ja schade um so ein tolles Stück“, sagt zum Beispiel Harald Heins. Der 60-jährige Frühpensionär aus Eißendorf kann sich an den Baum noch aus seiner Kindheit erinnern: „Damals gab es ja viel mehr große Bäume um das Rathaus herum und auf dem Rathausplatz. Die haben dem Rathaus immer noch etwas zusätzliche Würde gegeben.“ Und auch später sei er immer, wenn er vom Dienst in Hamburg nach Hause kam, auf dem Weg von der S-Bahn nach Hause gerne hier vorbeigegangen.

Dass die Pappel fällt, ist keine Willkürentscheidung weltfremder Schreibtischhengste. Der Mann, der die Fällung veranlasste, steht direkt daneben: Felix Petersen ist oberster Baumpfleger des Berzirks Harburg. „Dass die Pappel fallen muss, ist den Sünden der Vergangenheit geschuldet“, sagt er und zeigt auf ausgehöhlte Astschnittwunden, so groß, dass man hineinklettern könnte. Durch das eine Astloch kann man sogar zum gegenüberliegenden durchblicken.

„Dadurch, dass die Pappel parallel zum Stamm beschnitten wurde, konnte sich Fäule im Baum ausbreiten,“ sagt Petersen. „Diese Fäule sitzt mittlerweile so tief und die verbliebenen Wände sind so dünn, dass es nicht mehr sicher ist, den Baum stehen zu lassen.“

Währenddessen packen die Männer mit den grünen Schnittschutzjacken dicke Pappelteile in den Abraumcontainer. Die dünnen schreddern sie. Gegen Mittag ist der Baum soweit ausgedünnt, dass sie so nicht mehr weiterarbeiten können. Was jetzt gesägt würde, ist so dick, dass man es nicht mehr einfach fallen lassen kann. Ein Telekran muss helfen. jetzt geht es einerseits langsamer voran, denn Säger Friske muss nun jedes abzuschneidende Baumstück anlaschen. Sein Vorarbeiter und der Kranführer helfen ihm vom Boden aus. Sie haben von dort eher den Gesamtüberblick als Friske, der mitten im Gesäst unterwegs ist. Außerdem sind sie zusammen auch fast so erfahren, wie er. Andererseits sind die Stücke nun größer. Die Bodencrew bekommt nun mehr zu tun: Was Friske oben absägt, muss unten so zerteilt werden, dass es möglichst Platz sparend in den Container passt.

Trotzdem ist der riesige Abraumbehälter irgendwann voll. Vom Baum steht aber noch einiges. Wie eine riesige Pommesgabel ragt die Pappel nun in den Rathaushimmel. Etwa fünf Meter über dem Boden teilt sich der Stamm in zwei mächtige, steil aufragende Äste. Einen davon nimmt Friske sich noch vor. Die Kette schlägt er oben an. Der Kran zieht schon am Ast, während Friske von allen Seiten Schnitte setzt. Bald beginnt das Holz, zu knarren und zu ächzen. Ein Spalt tut sich entlang des Schnitts auf, aber noch wollen die letzten Holzfasern nicht reißen. Friske, der seine Arbeitsplattform schon einmal auf sicheren Abstand gebracht hatte muss noch einmal heranfahren und die Säge ansetzen.

Am Sonnabend bringt er eine größere mit, Der Stamm ist unten ganz schön dick. „Aber ich denke, dass ein 90er-Blatt ausreicht. Mit der langen Säge will er einmal im Kreis um den Stamm herumschneiden. Dann wird am Ende auch das letzte Stück am Kran hängen.