Der Harburger Weinzirkel kommt quartalsmäßig zusammen um zu entspannen – und zu spenden

Harburg. Der Blick aus dem Besprechungsraum des Palettenservice Hamburg geht über den Lotsekanal. Das spiegelglatte Wasser reflektiert die Lichter aus den Fenstern der umliegenden Bürogebäude. Viele Lichter sind es nicht mehr, denn es ist schon spät. Die meisten Firmen haben Feierabend, auch der Palettenservice Hamburg. Allerdings hat der Chef Gäste: Sieben Harburger mittleren bis besten Alters sind zusammengekommen. Es sind Geschäftsleute, Kreative, Handwerker und Ruheständler. Ihr gemeinsames Interesse gilt den Flaschen am Kopfende des Tisches: Bei Ingo Mönke trifft sich heute Abend der Harburger Weinzirkel.

Die Herren haben den Abend bereits mit Sekt eröffnet, jetzt setzt Bernd Pinkenburg den Korkenzieher an einer Flasche Südtiroler Chardonnay an und erzählt dazu etwas: „Dieser Wein“, sagt er, „brachte mich als jungen Mann dazu, Wein nicht nur als Getränk zu betrachten, sondern mich näher damit zu beschäftigen.“

Als junger, frisch ausgebildeter Kaufmann arbeitete er damals für eine große deutsche Einzelhandelskette als Lebensmitteleinkäufer in Norditalien. Wein hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Als er in Moorburg in den Familienbetrieb einstieg, erweiterte er den Gemüsegroßhandel um den Verkauf edler Tropfen. So geht es reihum. Jeder stellt einen Wein vor und erzählt etwas dazu. Journalist Peter Nossek hat sein Mitbringsel nach einem Vortrag geschenkt bekommen und verbindet damit die Erinnerung an diesen Tag.

Logistikausrüster Mönke bekennt sich zum Lambrusco, weil der immer passt und gekühlt an warmen Tagen herrlich schmeckt. Als einer der Anwesenden einen Wein der Rebsorte „Domina“ öffnet, bleiben die Kommentare nicht aus. Man ist unter Männern. Weinexperte Pinkenburg kann zu jedem Wein etwas erzählen, auch, wenn er ihn selbst nicht mitgebracht hat oder handelt. Die Domina sei als Traube eine Neuzüchtung und deshalb noch relativ unbekannt, verrät er der Runde. Nicht ganz sein Geschmack, aber mit Zukunft. Und was den Lambrusco angeht, so sollten sich dessen Fans nicht verstecken: „Es gibt ganz hervorragende Lambruscos“, sagt er, „die können auch richtig teuer sein – müssen es aber nicht.“ Man solle nur nicht die sehr süßen Sonderangebote aus dem untersten Supermarktregal nehmen. Flasche um Flasche wird geöffnet, dazu wird ordentlich gegessen: Drei Tapas-Platten stehen mittlerweile auf dem Tisch. Die Runde unterhält sich über mehr als nur Wein, man kennt sich ja schließlich.

Die Themen gehen vom Zahnarzt bis zu zahlungsfaulen Kunden und schnell kommt man dabei von Pobacken auf Kuchenbacken – bis der nächste Wein dran ist. Der kleine Vortrag ist jeweils eine Zäsur, nach der sich ein neues Gespräch entspinnt. Man tagt diesmal in etwas kleinerer Besetzung. Drei Mitglieder fehlen. Termine, Urlaub, Befinden.

Die Runde hat sich irgendwann einmal aus den Weinproben gebildet, die Bernd Pinkenburg regelmäßig veranstaltet. Als Großhändler, Schützenbruder und Musiker ist er selbst bestens vernetzt und brachte für diese private Runde Leute zusammen, die miteinander etwas anfangen können. Geschäfte werden im Weinzirkel nicht gemacht. „Diese Runde ist auch zum Abschalten da“, sagt Ingo Mönke.

Heute wird der Zweck des Weinzirkels aber erweitert: „Gutes Tun mit Genuss“ ist das Motto, das sich die Herrenrunde ab jetzt gibt. Ein neues Ritual wird eingeführt. Zum Ende des Abends greifen die Männer nicht zum letzten Glas, sondern in die Tasche. Ab sofort wird an jedem Abend – man trifft sich vierteljährlich an wechselnden Orten – gesammelt.

„Uns geht es ja gut“, begründet Weinzirkelmitglied Archie Diederichsen. „Da müssen wir auch dafür sorgen, dass es anderen besser geht.“ Am Ende des Jahres will der Weinzirkel entscheiden, wer Empfänger der Spende sein soll. Erst mal gibt es allerdings doch noch einen Absacker. Immer noch spiegeln sich Lichter im Lotsekanal – aber irgendwie wirken sie jetzt wärmer, als vorhin.