Harburger Band Zehn Meter Feldweg bringt ihre neues Minialbum auf nostalgischem Speichermedium heraus

Kinder von heute kennen die Kassette allenfalls noch von Hörspielen. Das war bisher die letzte Bastion, in der sich der von der CD verdrängte Tonträger noch behaupten konnte. Jetzt bescheren ausgerechnet Musiker dem nostalgischen, aber klanglich hoffnungslos unterlegenen Speichermedium eine neue Daseinsberechtigung.

Die Harburger Band bringt ihr neues Minialbum „Schwarzer Fluss“, das am 14. Februar erscheint, als Musikkassette heraus. Ihr liegt ein MP3-Downloadcode bei. So haben Fans beides: Etwas zum Anfassen und die Klangqualität dieses Jahrhunderts.

Prominente Bands haben den Retro- Trend eingeleitet: Überliefert ist das Zitat des Sängers der einflussreichen New Yorker Noise-Rock-Band Sonic Youth, Thurston Moore, er höre nur Kassetten. Wenn Sonic Youth so etwas sagt, macht das in der Musikgemeinde Eindruck. Die Band MGMT („Kids“), ebenfalls aus New York, veröffentlichte im vergangenen Jahr ihren damals neuen Song „Alien Days“ auf Kassette, was der „Musikexpress“ auch prompt berichtete.

Das kalkulierte Bekenntnis zur Kassette wirkte noch besonders, weil es ausgerechnet am Record Store Day zur Huldigung der Schallplatte erfolgte. So kamen zwei Tonträger-Revivals auf einmal zusammen.

Kurioserweise vertreibt der Online- Musikdienst Bandcamp, eine Plattform zur Promotion vor allem unabhängiger Künstler, auch Musik auf Kassetten. Einige Underground-Labels haben Kassetten im Programm. Oft sind die Kleinauflagen von Hand nummeriert und sind deshalb für Sammler interessant.

„Zeit, das Tapedeck aus dem Keller zu kramen“, kündigt die Harburger Band Zehn Meter Feldweg nun ihr neues Minialbum an. Bassist Till Wulf hat die Idee in die Band getragen, für die EP-Release die Form der Musikkassette als Ergänzung zur Digitalversion zu wählen. Ihm war aufgefallen, das der Musikladen Hanseplatte, die Adresse für Hamburger Musik, Kassetten wie selbstverständlich am Tresen zum Verkauf anbietet.

Sechs Jahre nach ihrer Veröffentlichung ihres Albums „Phantom Power“ wollten die Musiker aus Harburg das neue Lebenszeichen nicht einfach nur mit einer flüchtigen Digitalkopie setzen. „Mit der Kassette fühlt es sich wieder wie eine Veröffentlichung an“, sagt Till Wulf. Und niemand wird bestreiten, dass sich eine Musikkassette zum Anfassen viel besser verschenken lässt als eine im MP3-Format codierte Digitalkopie, um die sich eben keine Schleife wickeln lässt. Auch wenn sich die Band Zehn Meter Feldweg der Sehnsuchtsbewegung zurück zum analogen Speichermedium anschließt, haben sich die Harburger Musiker noch nie so professionell ins Zeug gelegt wie fürs neue Album „Das weiße Schloss“, für das die EP „Schwarzer Fluss“ den Appetizer spielt. Den Longplayer, der am 21. März auf den Markt kommt, haben sie im Electric Avenue Studio/Westwerk des Musikproduzenten Tobias Levin aufgenommen. Der Mann ist die personifizierte Hamburger Pop-Geschichte.

Levin gilt als der wohl wichtigste Produzent der Hamburger Schule, die Musikbewegung, die Indie-Rock, Pop, Punk und Grunge mit aussagekräftigen, gesellschaftskritischen deutschen Texten verband.

Tocotronic und Blumfeld sind ihre prominenten und einflussreichen Protagonisten. Die Harburger sind froh, dass sich Tobias Levin, der als akribischer, ja besessener Arbeiter gilt, etwas Zeit für sie freigeschaufelt hat. „Wir wollten jemanden mit einer Meinung, der bei uns etwas hineinbringt“, sagt Sänger Sven Lewerentz.

Zum ersten Mal in der Bandgeschichte haben die Harburger ein Video produziert. Damit promoten sie den Song „Schwarzer Fluss“ bei YouTube. Der Clip ist im Hamburger Süden entstanden. Der Stadtteil Sinstorf und der Maschener See bilden die Kulisse für den melancholischen Indie-Rock-Pop- Song.

Die Filmarbeiten brachten den Musikern nebenbei noch den Konflikt mit Autoritäten ein, der Künstlern so gut steht: Bahnpolizisten stoppten Sänger Sven Lewerentz, als er für den Dreh mit einem Schlauchboot im Schlepptau ein Bahngleis in Wilhelmsburg entlang ging. 25 Euro Bußgeld musste jedes Bandmitglied am Ende bezahlen.

Gegen das Etikett Hamburger Schule wehrt sich die Band Zehn Meter Feldweg im Übrigen überhaupt nicht. Auch, wenn die Musikbewegung ihren Höhepunkt in den 1990er-Jahren hatte. Aber warum auch: Das Etikett steht für Qualität. Die Bands Ja,Panik und Vierkanttretlager stoßen heute in den einschlägigen Musikmagazinen wie „Visions“ oder „Intro“ auf großes Wohlwollen. „Es bildet sich gerade eine Hamburger Schule 3.0“, sagt Till Wulf. „Was mit dem neuen Album auf uns zukommt, wissen wir nicht genau.“

Möglicherweise kommt Zehn Meter Feldweg mit seinem unverbogenen, seit 14 Jahren gepflegten Sound heute genau richtig. Teil einer Jugendbewegung müssen die Harburger nach ihrem Selbstverständnis gar nicht sein. Aber nach langer Pause verspüren sie Lust wie nie. Sven Lewerentz: „Die Musik soll wieder Teil unseres Alltags werden.“