Neue Vorschriften der Gemeinde Seevetal verbieten Wohnen im Lindhorster Forst. Lüneburger Gericht sagt: zu Recht

Seevetal. Sie haben Angst. Um ihr Zuhause, um ihre Existenz. Viele Bewohner rund um Lindhorster Forst und Heide in Seevetal wissen nicht, wie lange sie noch in ihren Häusern wohnen dürfen. Laut neuem Bebauungsplan (B-Plan) sind dort zum großen Teil nur noch Wochenendhäuser erlaubt, und in denen darf man nicht sieben Tage in der Woche leben. Einige Hausbesitzer haben vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg gegen den B-Plan geklagt – und verloren.

Die Geschichte des waldigen Gebiets rund um die Straßen Beckersberg und Neuenfelde reicht in die Zwanziger Jahre zurück. Zunächst entstehen dort Wochenendhäuser, in den Kriegs- und Nachkriegsjahren nutzen viele Flüchtlinge aus Hamburg die Fläche und bauen sich dort kleine Häuser. Auch später errichten die Menschen dort immer mehr Gebäude, Anbauten und Nebenbauten – teilweise ohne Genehmigung, teilweise mit.

1979 will die Gemeinde Seevetal den Wildwuchs erstmals planerisch steuern: Für einen Teil der Fläche legt sie 50 Quadratmeter als maximale Größe eines Hauses fest. 30 Jahre lang lässt sie die Hauseigentümer gewähren, genehmigt nach deren Angaben in Einzelfällen durchaus auch weit größere Wochenendhäuser. 30 Jahre scheint die Gemeinde das Gebiet nicht zu kümmern. Bis 2009. Da lässt das Rathaus den Bestand erfassen. Ergebnis der umfangreichen Dokumentation inklusive Fotografien und Durchforschung der Akten: 176 Wochenendhäuser mit durchschnittlich 69 Quadratmetern sowie 604 Nebengebäude und sechs genehmigte Wohnhäuser.

Der neue B-Plan für die Gebiete sieht ein Sondergebiet Wochenendhäuser mit maximal 70 Quadratmetern vor, Bestandsschutz ausgeschlossen, aber auch Dauerwohnen ausgeschlossen.

Allein: In vielen Wochenendhäusern leben Menschen mit Erstwohnsitz und die ganze Woche über. Wie viele, weiß niemand so recht. Die Bürgerinitiative spricht von 90 Prozent, die Gemeinde von weniger als 50 Prozent.

Einer von ihnen ist Armin Proksch. Seit 20 Jahren lebt er in dem Haus, das er vom Vorbesitzer gekauft hat. „20 Jahre hat die Gemeinde nichts unternommen, mir hat man nie etwas gesagt. Wenn der neue B-Plan umgesetzt wird, habe ich kein Dach mehr über dem Kopf. Es geht um meine Existenz.“ Willy Klingenberg lebt seit 1988 in seinem Haus. „Damals hieß es, wir dürfen 60 Quadratmeter auf drei Ebenen haben und hier den Hauptwohnsitz anmelden. Es hieß, das sei alles kein Problem. Hier sei ein Wohngebiet geplant. Nie gab es ein Problem – bis jetzt. Jetzt werden die Leute zu Melderechtsverstößen gedrängt, und woanders entstehen neue Baugebiete. Das ist Irrsinn.“

Ein Schreiben der Gemeinde von 1979 zitieren die Bewohner, in dem es heißt, dauerhaftes Wohnen stehe der Planung der Kommune nicht entgegen und könne nicht verhindert werden.

„Wir haben uns darauf verlassen“, sagt Stephan Hintersass, Vorsitzender der BI Natur und Wohnen in Seevetal e.V. und seit zehn Jahren vor Ort. „Wir haben uns eine Bleibe geschaffen auf Basis der Informationen, die wir damals hatten. Uns geht es nicht darum, Schwarzbauten im Nachhinein zu legalisieren. Wir wollen den Charakter der Fläche erhalten und dass in den genehmigten Gebäuden Dauerwohnen erlaubt wird. Sonst werden finanzielle und soziale Härten geschaffen.“

Christine Hintersass sagt: „Die Gemeinde hat Angst verbreitet. Viele haben sich bereits weggemeldet.“

Die Anwohner haben verloren. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) ist ihren Argumenten nicht gefolgt, die Gemeinde hätte der faktisch vorhandenen Wohnbebauung und den Wohnbedürfnissen in ihren Plänen Rechnung tragen müssen.

„Auf Vertrauensschutz können sich die Antragsteller nicht berufen“, heißt es vom OVG. Die Belange der Anwohner habe die Gemeinde ausreichend ermittelt und abgewogen.

Wie die Behörden ihre neuen Vorgaben umsetzen und kontrollieren werden, steht noch nicht fest. Die Gemeinde Seevetal will erst abwarten, ob die Anwohner weitere Rechtsmittel einlegen: Sie könnten gegen die Nichtzulassung der Revision klagen.

Wenn das Urteil und damit der Bebauungsplan rechtskräftig sind, werde man sich mit den Verantwortlichen beim Landkreis zusammensetzen, kündigte Ordnungsamtsleiter Dirk ter Horst gegenüber dem Abendblatt an. Denn der Landkreis ist die Bauaufsichtsbehörde, nicht die Gemeinde. In anderen Fällen gebe es Duldungsverträge, sagt ter Horst. „Jedes Haus hat eine Geschichte. Wir müssen uns jeden Einzelfall ansehen.“

Laut dann gültigem Bebauungsplan seien Dauerwohnen und mehr als 70 Quadratmeter außer bei den sechs genehmigten Wohnhäusern nicht erlaubt, das steht fest. Aber ter Horst sagt auch: „Hier wird keiner hinausgeschmissen, niemand wird obdachlos werden .“

Nur wie die mögliche Lösung für das Zuhause der Lindhorster aussehen kann, das ist im Moment noch gänzlich unklar.