Nicole Kühn ist die erste weibliche Vereinsvorsitzende in der 65-jährigen Geschichte des AC Buchholzer Heidering
Buchholz. Reifen wechseln? Kein Problem. Tempo 180 auf der Autobahn? Kommt schon vor. Selbst der Zusammenhang von Getriebe und Kupplung ist für Nicole Kühn kein Buch mit sieben Siegeln. Es wäre somit nicht übertrieben, die 40-Jährige als eine durchaus motoraffine Frau zu bezeichnen. Kein Wunder, dass es ihr jetzt gelungen ist, die Mitglieder des AC Buchholzer Heidering von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Sie ist die erste Frau in der 65-jährigen Vereinsgeschichte, die das Amt der Ersten Vorsitzenden bekleidet.
Als große Überraschung in der männerdominierten Motorsportwelt will sie diese Tatsache trotzdem nicht verstanden wissen. „Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert“, sagt Nicole Kühn gelassen. Da sollte es doch selbstverständlich sein, dass auch eine Frau einen Automobilclub führen kann. Unterstützung bekommt sie unter anderem im Vorstand von der neu gewählten Schatzmeisterin Kathrin Schnieber, Vereins-Urgestein und Motorradexperte Rüdiger Bauer sowie von ihrem Mann Silvio und Sohn David Silvio, 11, die ebenfalls Vereinsmitglieder sind. Ihr Mann war es auch, der sie vor mittlerweile 17 Jahren zum ersten Mal mit dem Motorsport in Berührung brachte. „Er hat mich auf die Kart-Bahn geschleift, und es hat mir gleich riesig Spaß gemacht.“ Zu diesem Zeitpunkt war sie eigentlich eher im Reitsport aktiv, doch warum sollten es nicht ein paar Pferdestärken mehr sein?
Es folgten das obligatorische Formel-I-Gucken im heimischen Wohnzimmer, Interesse an den DTM, den Deutschen Tourenwagen-Meisterschaften, und als dann auch noch der Sohn im zarten Alter von fünf Jahren zum Kart-Fan mutierte, blieb ihr nichts anderes übrig, als ebenfalls mitzuziehen. Da die Kühns in Glinde im Landkreis Stormarn leben, waren sie zunächst dort Mitglieder in einem Automobilclub. Als sie dann den AC Heidering kennenlernten, merkten sie, dass es ihnen dort noch ein bisschen besser gefällt. Seit einem Jahr nimmt die Familie nun am Wochenende regelmäßig die 40 Minuten nach Buchholz in Kauf.
Dass der Verein seinen Trainingsparcours auf dem Gelände der Ostfriesischen Teegesellschaft (OTG) an der Meilsener Straße aufbauen darf – allerdings nur am Wochenende, wenn keine An- und Ablieferungen erfolgen –, ist aus Sicht des Vorstands ein echter Glücksgriff. „Dafür sind wir unglaublich dankbar“, sagt Nicole Kühn. Anders sieht die Situation beim Autoslalom aus, neben Kart und Oldtimer die dritte Sparte des 116 Mitglieder zählenden Vereins, der ein Ortsclub des ADAC Hansa ist. „Wir suchen dafür dringend einen neuen Platz, auf dem wir einmal im Monat trainieren dürfen“, sagt sie.
Beim Autoslalom können Jugendliche ab einem Alter von 15 Jahren mit einem umgebauten VW Polo ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen, während die Kartgruppe das gleiche quasi eine Nummer kleiner mit den Karts trainiert. Ab dem Alter von sechs, sieben Jahren dürfen die Kinder in die Fahrzeuge steigen und mit durchschnittlich 60 Kilometer pro Stunde um die Hindernisse sausen. „Bei Rennen erreichen sie manchmal bis zu 110 Kilometer pro Stunde, aber das fahren erst die etwas Älteren ab acht Jahre.“
Mit 30 Mitgliedern ist die Kart-Jugendgruppe die größte Abteilung des Vereins. Die „kindliche Früherziehung für das Bewegen im Straßenverkehr“, wie die Vorsitzende das Kartfahren bezeichnet, habe den Vorteil, dass die Kinder schon Aufmerksamkeit, Koordination und Verständnis für die Technik trainieren, bevor sie überhaupt eine Fahrschule von innen sehen. „Die brauchen dann den Rausch an der Geschwindigkeit nicht mehr, der viele Fahranfänger erfasst“, ist sie sich sicher. Dass die relativ hohen Geschwindigkeiten, die die Karts erreichen, gefährlich sind, glaubt sie nicht. Die Rundstrecken seien sehr gut geschützt, und Sicherheit werde groß geschrieben.
Im laufenden Jubiläumsjahr möchte Nicole Kühn dem AC Heidering gerne zu neuem Schwung verhelfen und ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen. Die Zeiten in den 50er-Jahren, als der Verein 12.000 Zuschauer zu den legendären Sandbahnrennen am heutigen Holzweg anlockte, dürften zwar vorbei sein. Trotzdem hofft sie, dass vielleicht gerade sie als Frau viele Eltern motivieren kann, ihre Kinder doch einmal zu ihnen zu schicken.