Die historische Möwen-Skulptur an der Norderelbbrücke ist in Schieflage geraten. Bald erhält sie ein solides Fundament

Veddel. Stolz und majestätisch wirkt sie. Mit ausgebreiteten Flügeln und erhobenem Kopf begrüßt die „Botin des Seewindes“ alle Autofahrer, die über die Norderelbbrücken in Richtung Hamburger Zentrum fahren. Die Möwen-Skulptur ist allerdings arg in Schieflage geraten: Die Holzdalben, die sie tragen, neigen sich dem Erdreich entgegen. Das Bezirksamt Mitte will das Kunstwerk jetzt wieder aufrichten lassen und hat dazu Angebote von Unternehmen eingeholt. Die Kosten sind noch nicht bekannt.

Der SPD-Politiker Klaus Lübke von der Veddel hatte sich im Regionalausschuss und in der Bezirksversammlung für ein würdiges „Nest“ der in Sturzflug geratenen Möwe stark gemacht. Der Standort sei prominent, sagt er, und nicht „irgendeine Ecke“ Hamburgs. Lübke, bekannt als „Kümmerer von der Veddel“ war aufgefallen, dass die Dalben zu kippen scheinen.

Die Möwen-Skulptur hat eine beinahe 140 Jahre alte Geschichte: Ursprünglich thronte sie auf dem neugotischen Back- und Sandsteinportal der von 1884 bis 1887 erbauten sogenannten Neuen Norderelbbrücke. „Dieses Brückenportal ist eine Ikone“, sagt Klaus Lübke. Viele Menschen auf den Elbinseln hätten noch Bilder davon. Charakteristisch für ihre Architektur waren die Fischbauchträger.

Die Back-und Sandsteinportale der Norderelbbrücke wurden Ende der 1950er-Jahre abgerissen, um die Brücke zu verbreitern. Damit verlor die Möwe ihre Heimat. Wann genau die Skulptur an ihren jetzigen Standort auf dem Grünstreifen vor den Norderelbbrücken auf Dalben wieder aufgebaut worden war, weiß Klaus Lübke nicht. Er vermutet, dass dies bei Erneuerungsarbeiten an der Brücke in den 1970er-Jahren geschehen sei.

Als sicher gilt: Die heutige Skulptur ist eine Nachbildung. Das hat Klaus Lübke bei seinen Recherchen herausgefunden. Möglicherweise ist die Möwen-Skulptur einem Kunstraub zum Opfer gefallen. Das Original aus dem 19. Jahrhundert jedenfalls sei über Nacht verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Das habe der frühere Ortsamtsleiter von Veddel und Rothenburgsort, Udo Springborn, berichtet. Springborn ist im Jahr 2003 in Ruhestand gegangen und war 19 Jahre lang Verwaltungschef in den beiden Stadtteilen.

Umstritten war lange, ob es sich bei der Skulptur überhaupt um die Darstellung einer Möwe handelt. Manche behaupten, die Skulptur zeige einen Adler. Dafür spräche die zu einem Raubvogel passende majestätische Haltung.

Andere halten sie für einen Albatros. Das Hamburg Museum hat in der kniffligen Frage recherchiert und ist zu dem Ergebnis gekommen: Es handele sich „höchstwahrscheinlich um eine Möwe“. Ein Adler sei es nach Durchsicht von Originalfotografien aus dem Museumsbestand augenscheinlich nicht, heißt es in der Antwort.

Und für einen Albatros spräche inhaltlich nicht sehr viel. In den Projektunterlagen zu dem Brückenbau habe der Oberingenieur bei der Hamburger Baudeputation, Franz Andreas Meyer, vielmehr von der Möwe als Botin des Seewindes gesprochen.

Wer nahe an die Skulptur herantritt, wird mit eigenen Augen ein Indiz erkennen, dass ebenfalls für die Darstellung einer Möwe spricht: Ein Fuß des Tieres – der zweite fehlt und ist offenbar gestohlen worden – hat Schwimmhäute. Bei Möwen sind die drei nach vorn gerichteten Zehen mit Schwimmhäuten verbunden.

Angebote von drei Unternehmen hat das Bezirksamt Mitte mittlerweile eingeholt, um der Möwe als „Empfangschef“ ein aufrecht stehendes Fundament und damit ein würdiges Nest an einem viel befahrenen Standort zu bauen. Die Hamburger Elbbrücken bilden zusammen mit dem Alten Elbtunnel und dem neuen Elbtunnel die letzten festen Elbquerungen vor der Mündung in die Nordsee.

Die Elbbrücken bilden einerseits eine wichtige Verbindung innerhalb des Stadtstaates Hamburg und verbinden die nördlich des Flusses gelegenen Stadtteile einschließlich der Hamburger Innenstadt mit Wilhelmsburg, der Veddel, dem Hafengebiet und dem südlich der Elbe gelegenen Bezirk Harburg.