Der Zugvogel ist jetzt in Pflege in Soltau. Die Betreuer hoffen, dass er im Frühjahr wieder freigelassen werden kann

Drage/Soltau. Der Storch von Drage steht nicht mehr auf Pferdewiesen. Über Wochen stolzierte er mit seinen langen, roten Beinen am Rande der Landestraße 217 entlang. So wurde das Tier für Autofahrer zu einem gewohnten Anblick, manche nannten ihn liebevoll „Emil“. Doch zuletzt lag die Wiese verwaist da. Der Vogel ist verschwunden. Sorgen seitens der Anwohner sind indes unbegründet. Das Tier ist nicht verhungert, sondern befindet sich in Soltau in der Obhut der Lüneburger Heide Wildtierhilfe e. V. Der Verein betreut durchschnittlich 2000 Tiere und die Tierschützer wollen auch den Storch von Drage über den Winter pflegen und füttern.

Unklar ist bisher jedoch, wie der Storch eingefangen werden konnte. Offenbar gelang dies einer Tierärztin, glaubt jedenfalls Hans Steinert, der im Kreis für die Betreuung der Tiere zuständig ist. Zuvor hatten dies die Mitglieder des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) versucht – aber nicht geschafft. Denn es blieb schwierig, sich dem Tier auf der morastigen Wiese zu nähern. Das Tier flatterte immer wieder auf. Immerhin versorgte ihn Nabu-Mitglied Ortrud Hock mit Nahrung. Dennoch hätte der Storch trotz der Fütterung den Winter nicht überlebt.

Nun hat sich Hock in Soltau von der Gesundheit und dem großen Gehege vor Ort überzeugt. Der Zugvogel sitzt in einem Verschlag, hat die Möglichkeit in einem Gehege zu fliegen. „Der Storch hat keinerlei Brüche und ist bei bester Gesundheit“, sagt seine Betreuerin. Er fresse und verhalte sich wie ein gesunder Vogel. Die Untersuchungen ergaben, dass weder ein Flügel- oder Beinbruch noch Prellungen das Tier am Fliegen hindern. Die Kollision mit einem Auto, am Heiligabend vergangenen Jahres, hat er demnach ohne gesundheitliche Schäden überstanden. Im Frühjahr will die Wildtierhilfe den Storch wieder in die Natur entlassen. Sollte es zu Flugproblemen kommen, könnte er an Pflegestationen vermitteln werden. Bisher jedoch gehen die Betreuer in Soltau davon aus, dass der Storch im Frühling wieder in sein Nest in freier Natur zurückkehren kann.

Die Rückkehr der Zugvögel aus Spanien oder Afrika beginnt frühestens Ende Februar. Ob die Brut und der Anstieg der Population in der Region so erfolgreich sein wird wie 2013, ist für Steinert unvorhersehbar. Wichtig ist, dass das Wetter nicht zu trocken wird und es nicht zu starken Regenfällen kommt. „Das Wetter, das wir hassen, lieben die Störche. Lauwarmer Nieselregen wäre am besten“, sagt Steinert. Voraussetzung ist auch, dass der Rückweg nicht zu beschwerlich ist. Die Störche dürfen nicht zu geschwächt aus ihrem Winterquartier zurückkommen. Allgemein wird es für die Störche ohnehin immer schwieriger, einen geeigneten Lebensraum zu finden.

Emil, dem Storch aus Drage, steht eine beschwerliche Reise im Herbst bevor. Seine Aufgabe ist es, seinen Horst wieder zu finden, um mit einem anderen Storch Eier auszubrüten. Das Geschlecht von Emil konnte man noch immer nicht feststellen, aber Hock meint, ein Männchen zu erkennen. Durch die fehlende Beringung ist aber unsicher, ob der Storch ein Vogel ist, der schon häufiger in Drage war. „Ich hoffe, dass ich Emil im Frühjahr im Nest beim Pappelweg in Drage wiedersehen werde“, sagt Ortrud Hock. Störche bleiben ihrem Nest ein Leben lang treu, ihrem Partner jedoch nicht.

Storchenbetreuer Hans Steinert, der sich seit 1953 aktiv für die Störche einsetzt, sucht unterdessen weiter nach einen Nachfolger, den er dann gern einarbeiten würde. Wer Interesse hat, kann zu dem nächsten Monatstreffen der Nabu-Ortsgruppe Winsen kommen. Es ist für den 20. Februar in der Mühlenstraße 2 in 21423 Winsen geplant.