Sigrid Sager kämpft um Schadenersatz. Ihr Schmuck wurde Beute eines Raubüberfalls, als er beim Juwelier zur Reparatur war

Salzhausen. Von ihrer Perlenkette und der Armbanduhr sind Sigrid Sager nur Fotos geblieben. Hätte sie gewusst, dass sie die beiden Schmuckstücke damals, im Dezember 2011, das letzte Mal in den Händen hielt, sie hätte vor der Reparatur im Salzhausener Juweliergeschäft Flindt vermutlich genauer nachgefragt. Wie es denn mit der Versicherung des Juweliers aussieht, zum Beispiel. Welche Summe bei einem eventuellen Schaden abgedeckt ist. Oder ob nicht vielleicht ihre eigene Hausratsversicherung haften muss. Sigrid Sager hat all diese Fragen nicht gestellt und kämpft nun vor dem Winsener Amtsgericht um 4500 Euro – den Wert, den die Schmuckstücke laut einer Schätzung heute hätten. Denn der „eventuelle Schaden“, an den wohl niemand so gerne denkt, ist in Form eines Raubüberfalls auf den Juwelierladen tatsächlich eingetreten.

Es war der 23. Februar 2012 kurz nach neun Uhr, als zwei Männer das Geschäft an der Winsener Straße in Salzhausen betraten. Eine Angestellte hatte gerade erst aufgeschlossen, als sie auch schon überwältigt und in den rückwärtigen Teil des Ladens gedrängt und gefesselt wurde. Zur Beute, die die Räuber mitnahmen, gehörten hochwertige Uhren und Brillanten aus den Vitrinen und Schränken sowie der Schmuck, der im Tresor gelagert wurde. Darunter auch die Perlenkette und die Armbanduhr von Sigrid Sager.

„Die Schweizer Uhr war ein Verlobungsgeschenk meines heutigen Ex-Manns“, erzählt die 47-Jährige aus Westergellersen. Im Jahr ihrer Hochzeit, 1997, kam die Perlenkette hinzu, die Sigrid Sager von ihren Eltern erhielt. „Das war richtig gute Qualität, sie haben sie extra in einem Geschäft in den Hamburger Colonnaden gekauft.“ Ganz zu schweigen von dem immateriellen Wert, den die Schmuckstücke für sie haben, auch wenn die Ehe mit ihrem Mann mittlerweile geschieden ist.

Als sie die beiden Teile kurz vor Weihnachten 2011 zum Juweliergeschäft Flindt brachte, dachte sie, es sei eine ganz normale Sache. So wie wenn man ein Auto zur Inspektion abgibt oder die Schuhe zum Besohlen. Dass das Geschäft überfallen wird – wer rechnet schon mit sowas? „Die Kette sollte nur gekürzt werden, und die Uhr brauchte eine neue Batterie“, sagt Sigrid Sager. Weil die Schnur aber schon etwas älter war, empfahl Lieselotte Weyer, die damalige Inhaberin des Juwelierladens, die heute als Angestellte dort arbeitet, die Kette komplett neu aufziehen zu lassen.

Weil bei der Uhr auch das Uhrwerk beschädigt war, teilte Lieselotte Weyer ihr kurz darauf mit, dass die Reparatur etwas länger dauern würde. Nur so kann es sich Sigrid Sager erklären, dass sie die zwei Schmuckstücke, die sie nur selten trug, irgendwann nach einigen Wochen einfach vergaß. Erst Mitte Juni, als sie ihre zwei Abholscheine zufällig sah, fielen sie ihr siedendheiß wieder ein. Sofort eilte sie zum Juwelier, wo sie allerdings erfahren musste, dass die Schmuckstücke nicht mehr da waren. Bei einem Überfall im Februar seien sie abhanden gekommen. Für die gelernte Tierheilpraktikerin Sigrid Sager, die außerdem in Westergellersen für die Grünen im Rat sitzt, begann der vergebliche Versuch, den Wert ihres Schmucks erstattet zu bekommen. Die Inhaberin des Juwelierladens habe ihr mitgeteilt, dass sie gegen den Schaden nicht versichert sei, sagt sie. Stattdessen müsse sie sich wie die anderen Geschädigten auch – etwa 50 sollen es sein – an die eigene Hausratsversicherung wenden.

Die Antwort ihrer Versicherung fiel ernüchternd aus: Die Hausratsversicherung greife nur dann, wenn der Schmuck in ihrem Zugriff sei. „Wenn ich den Schmuck an eine Freundin privat verliehen hätte, wäre es vielleicht wieder anders gewesen“, sagt Sigrid Sager. Aber da sie Kette und Uhr an einen gewerblichen Betrieb gegeben habe, sei die Versicherung raus, so die Argumentation. Auch aus Kulanz wollte man ihr nicht entgegenkommen. „Und das, obwohl ich 30 Jahre dort versichert war.“

Da auch ein Mediationsgespräch mit Lieselotte Weyer nichts brachte, entschied sich Sigrid Sager, vor Gericht zu ziehen. Ihre Meinung ist klar: Sie will den ihr entstandenen Schaden in Höhe von 4500 Euro geltend machen. „Gerade auf dem Dorf muss man dafür einstehen, was man macht“, findet sie. Doch auch die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht Winsen brachte keine Einigung, am 5. Februar soll es deshalb weitergehen. „Dann könnte es zu einem Urteil kommen oder zu einem Beweisbeschluss“, sagt Simone Skibba, stellvertretende Direktorin des Amtsgericht. Letzteres würde bedeuten, dass beispielsweise zunächst ein Gutachten eingeholt werden muss.

Und was sagt die Juwelierin zu dem Fall? Sie selbst möchte sich nicht äußern. Stattdessen verweist sie an Jürgen Hennemann, Fachanwalt für Haftungs-, Verkehrs- und Versicherungsrecht aus Buchholz, der sie vor Gericht vertritt. Hennemann betont zunächst, dass ein Juwelier anders als beispielsweise ein Notar oder Anwalt nicht über eine Pflichtversicherung verfügen müsse. „Auch nicht im oberen Segment.“ Zudem hätten die Einbrüche bei Juwelieren so stark zugenommen, dass viele Versicherer die Übernahme dieses Risikos meiden. Demzufolge hätte Frau Weyer lediglich eine Sachversicherung für ihr Eigentum besessen, aber keine für das Eigentum Fremder.

„Warum sollte sich Frau Weyer dafür rechtfertigen müssen, dass sie überfallen wurde?“, fragt er. Sie sei lediglich zu größtmöglicher Sorgfalt gegenüber dem ihr anvertrauten Eigentum anderer verpflichtet, und dieser Pflicht sei sie nachgekommen, indem sie die Gegenstände im Tresor verwahrte.

Hennemann rückt den Blickwinkel stärker auf die Versicherung der Geschädigten. Wäre es für Sigrid Sager vielleicht sogar besser gewesen, diese Versicherung anstelle von Lieselotte Weyer zu verklagen? „Dazu kann ich nichts sagen, da ich die Begründung der Ablehnung nicht kenne“, erklärt der Anwalt. Dennoch habe er den Eindruck, dass die Juwelierin den Sündenbock spielen solle, weil eine Versicherung wieder einmal den Schaden nicht übernehmen wolle.