Ende Dezember beantragte der Trägerverein ein Insolvenzverfahren. Mitarbeiter sollen vorerst weiter beschäftigt werden

Harburg. In seltener Einmütigkeit hievten die Abgeordneten der Bezirksversammlung am Dienstagabend einen gemeinsamen Eilantrag der Fraktionen Die Linke und Grüne auf die Tagesordnung, dessen Brisanz unverkennbar war: Nach 29 Jahren steht mit dem Frauenkulturhaus ein Projekt vor dem aus, das es so in Hamburg kein zweites Mal gibt. Am 30. Dezember des Vorjahres hatte der Trägerverein das Insolvenzverfahren eingeleitet. Seit 23. Januar hat nun eine Insolvenzverwalterin das Sagen.

„Das Frauenkulturhaus ist in großer Not, alle Angebote stehen zur Disposition. Täglich erreichen uns Anrufe und Mails von Frauen und Mädchen, die sich um den Fortbestand ihrer Beratungsangebote und Kurse sorgen“, begründete Sabine Boeddinghaus den Antrag für die Linken. Verwaltung, Träger und Vorstand müssten jetzt schnellstens an einen Tisch, um die Beschäftigungsverhältnisse und Angebote der Einrichtung zu sichern. Dafür bedürfe es eines Masterplans. „Die Verwaltung hat hier einen großen Auftrag, sie muss jetzt für eine verlässliche Zwischenlösung sorgen“, so Britta Herrmann von den Grünen.

Das Frauenkulturhaus hat sich insbesondere nach dem Umzug in die Neue Straße 2001 zu einer wichtigen Anlaufstation für Harburgs Frauen entwickelt. Hier können sie in zehn verschiedenen Kursen nicht nur ihren kulturellen Neigungen nachgehen. Im ehemaligen Kanzlerhaus erhalten sie auch kostenlose Rechts- und Berufsberatung sowie spezielle Informationen für Alleinerziehende und Frauen aus schwierigen Familienverhältnissen. Und es gibt einen offenen Mädchentreff, in dem auch Hausaufgabenhilfe und Hilfe bei der Vorbereitung auf Prüfungen und Bewerbungsgespräche angeboten wird.

„Alle unsere Angebote sind sehr gut nachgefragt“, sagt Nadja Martinez Griese, eine von zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und verantwortlich für die Kulturangebote. So würden allein in den drei Gymnastikgruppen insgesamt 25 Frauen regelmäßig gemeinsam trainieren. Pro Woche gebe es bis zu zehn Beratungsgespräche und kürzlich hätte sich sogar ein neuer Chor im Haus gegründet. Und beim Mädchentreff würden sich gar bis zu 30 junge Damen einfinden. Dass das alles nun auf dem Spiel stehe, sei nicht zu begreifen.

Dabei sind die finanziellen Probleme schon länger bekannt. Bereits 2011 gab es Auflagen seitens des Bezirksamts. Es wurde extra ein Beirat gegründet, in der mit Holger Reinberg, Leiter des Fachamts für Sozialraummanagement, sogar eine Vertreter der Verwaltung saß. Genutzt hat es nichts. Als die Hamburger Sozialbehörde (BASFI) im ersten Halbjahr 2012 wichtige Fördergelder für die Beratungsangebote strich, verschärfte sich die Situation zusehends. Für den Todesstoß sorgte letztlich das Bezirksamt selbst, als es im Vorjahr nach einer Einzelbelegprüfung Zuwendungen zurückforderte.

„So wuchsen die Schulden und wurden immer mehr zur Belastung“, bestätigt Nadja Martinez Griese. Doch hätte sie in dem ganzen Prozess die Bereitschaft der Verwaltung vermisst, dem Verein über eine Stundung oder Ratenzahlungen zu helfen: „Ich habe den Eindruck, wir sollten platt gemacht werden, um durch einen radikalen Schnitt einen Neuanfang mit einem neuen Träger und anderen Leuten zu machen.“

Ihre Sichtweise hat Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann in der Bezirksversammlung indirekt bestätigt: „Nach dem Insolvenzantrag haben wir die Zuwendungsbescheide für 2014 umgehend zurückgezogen und einen Treuhänder eingesetzt.“ Nach intensiven Gesprächen mit Mitarbeitern und Nutzern der Einrichtung soll nun über ein Interessensbekundungsverfahren schnellstmöglich ein neuer Träger gefunden werden, um die Angebote des Frauenkulturhauses erhalten zu können.“ Allerdings habe es in Absprache mit dem Treuhänder bereits eine erste Entscheidung gegeben, wonach die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen vorerst weiter beschäftigt werden sollen.

„Dass das Bezirksamt Zuwendungen zurückgefordert und weitere Zahlungen verweigert hat, mag rein rechtlich vertretbar sein, aber nicht moralisch“, übte auch die Grünen-Abgeordnete Britta Herrmann deutliche Kritik an der Verfahrensweise des Bezirksamts. Dies moniert auch Parteifreundin Heinke Ehlers, seit Ende 2012 mit Sitz im Vorstand des Frauenkulturhauses: „Als es richtig ernst wurde, war die Verwaltung nicht an unserer Seite.“ Allerdings sei die Grundkonstruktion des Hauses von Beginn an falsch gewesen. „In den juristisch komplizierten Fragen des Zuwendungsrechts ist der ehrenamtliche Vorstand schnell an seine Grenzen gestoßen. Hier hätte es eigentlich einer professionellen Geschäftsführung bedurft“, so Ehlers.

Letztlich ist der gemeinsame Antrag von Grünen und Linken durch die Mehrheit von SPD, CDU und FDP abgelehnt worden. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath wies in seiner Begründung darauf hin, es gebe ein geregeltes gesetzliches Verfahren, alles Nötige sei getan worden. Schließlich ließ er die beiden antragstellenden Fraktionen noch wissen, mit ihrem Vorstoß hätten sie sich keinen Gefallen getan.