Im Frühstückstreff der Johanniskirche werden Hungrige und Einsame umsorgt. Die Betreiber suchen noch Ehrenamtliche

Harburg. Wenn die bis zu 35 Gäste immer dienstags ab 9.30 Uhr in dem Gemeindesaal neben der Harburger St. Johanniskirche ein pralles Frühstücksbüffet vorfinden, hat Michael Nitzki bereits einen Tag vorher mit der Vorbereitung begonnen. Immer am Montag schwingt sich der 58-Jährige auf sein Fahrrad und zieht damit den kircheneigenen Bollerwagen hinter sich her, um Brot, Aufschnitt und Käse von der Hamburger Tafel zu besorgen. Die Wohltätigkeitsorganisation sammelt Lebensmittel ein und verteilt sie an andere soziale Organisationen – wie Nitzkis Frühstückstreff. Natürlich betreibt nicht Michael Nitzki den sozialen Treffpunkt, sondern die Kirchengemeinde. Aber ohne den ehrenamtlichen Helfer ginge wohl nichts. „Er ist der totale Anpacker“, sagt Pastorin Birgit Duškowá.

Michael Nitzki baut auch die Tische und Stühle auf, bevor der Frühstückstreff öffnet. Er ist im Münsterland auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen und hat später am Hamburger Flughafen gearbeitet. Aber auch der stärkste „Anpacker“ braucht mal Hilfe. Pastorin Duškowá sucht für ihr kleines Team, das neben dem Frühstückstreff am Dienstag auch das Kirchencafé am Donnerstag betreut, zu mindestens einen zusätzlichen ehrenamtlichen Helfer, egal ob Mann oder Frau.

„Brot satt“ bietet der kirchliche Frühstückstreff, der Menschen jeder Konfession offensteht. Einen halben Laib dürfen Besucher auch schon mal mit nach Hause nehmen. Das Büffet bietet Wurst, Käse, Konfitüre – alles was die Tafel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums einsammeln konnte. Dazu Gurken, Paprika, Kaffee und Tee. Ein Euro ist der symbolische Preis für einen vollen Magen am Dienstagvormittag und ein Lebensmittel-Paket für Zuhause.

Das Kirchencafé am Donnerstagnachmittag ist sogar gratis. Drei Bäckereien aus Harburg spenden den Kuchen. Plundergebäck mit Vanillesauce, Marzipanstreifen, gefüllte Berliner – alles was am Vorabend nicht verkauft wurde, aber noch lecker ist. Heidi Wulf baut das Kuchenbüffet auf, schneidet das süßte Teigwerk in Portionen und dekoriert die Tische mit Blumen, die ein Harburger Florist spendet. Manchmal besorgt sie die Deko auch selbst aus dem Kirchgarten oder von Wiesen. Die 71-Jährige war früher Gast des Kirchencafés und ist vor vier Jahren auf die andere Seite des Büffets gewechselt, also auf die Seite der ehrenamtlicher Helfer. Zusammen mit Michael Nitzki sorgt sie für den reibungslosen Ablauf in den beiden sozialen Treffpunkten im Gemeindehaus der St. Johanniskirche. Jeder mit eigenen, klar abgegrenzten Aufgaben. So ist der Betrieb der Kaffeemaschine ausschließlich Nitzkis Terrain.

In der Regel jeweils 25 bis 30 Gäste, die sich auf den Treffpunkt freuen und verlassen, bedeuten Verantwortung für die ehrenamtlichen Helfer. Ihre Aufgabe vermittelt ihnen ein neues Selbstwertgefühl. „Ich habe das Gefühl, gebraucht zu werden“, sagt Heidi Wulf, die am Büffet ein Auge darauf hat, dass niemand benachteiligt wird. Das Ehrenamt bringe Abwechslung in sein Leben, sagt Michael Nitzki. „Wenn man nichts zu tun hat, wird man döselig“, fügt der „Anpacker“ noch hinzu.

Manche Gäste kommen hungrig, füllen sich den Magen. Die sozialen Treffpunkte an der St. Johanniskirche in der Bremer Straße dürften in diesem Jahr noch an Bedeutung gewinnen, weil die Stadtteildiakonie Harburg-Mitte voraussichtlich ein halbes Jahr lang unbesetzt bleibt. Gäste könnten das Kirchencafé als informelle Möglichkeit nutzen, um mit anderen über Probleme mit dem Arbeitslosengeld II oder Obdachlosigkeit zu sprechen.

Der Frühstückstreff und das Kirchencafé sind aber auch Bastionen gegen die Einsamkeit. Birgit Duškowá hat Menschen kennengelernt, die so isoliert gewesen seien, dass sie sich selbst nicht mehr zu helfen wussten. Neue Gäste erfahren meist über den Flüsterfunk von dem Angebot der Kirche: In Harburg würde mehr weitergesagt als in anderen Stadtteilen, so der Eindruck der Pastorin.

Gemeinschaftsbildend ist auch das feste Ritual, mit dem das Kirchencafé beginnt. „Fünf Minuten für die Kunst“ heißt es immer, bevor das Kuchenbüffet eröffnet. Birgit Duškowá liest diesmal einige Seiten aus dem Bestseller „Schloss aus Glas“ von Jeanette Walls. Es geht dabei um eine Tochter, die sich für ihre Eltern schämt, weil sie genießbare Lebensmittel aus den Mülltonnen von Luxushotels retten. An anderen Tagen spielen Musiker der Kirchengemeinde auf dem Klavier. Manchmal erzählt Stammgast Hildegard Reinecke einfach Witze – oder Geschichten aus ihrem langen, ereignisreichen Leben.

Die 80-Jährige ist 1945 aus Schlesien als Flüchtling zunächst nach Winsen gekommen. Seit 1948 lebt sie in Harburg. Sie sei ein Mensch, der immer etwas um die Ohren haben müsse. „Wenn der Treff nicht wäre“, sagt Hildegard Reinecke, „wäre so mancher einsamer.“ Wer ehrenamtlich beim Frühstückstreff und Kirchencafé der Ev.-Luth. Trinitatiskirchengemeinde helfen möchte, meldet sich bei Pastorin Birgit Duškowá, Telefon 040/429 322 11.