Im Jahr 2013 wurden im Bezirk Harburg 745 Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung gemeldet

Harburg. Jedes Jahr sind im Bezirk Harburg im Durchschnitt 400 Kinder von akuter Gefahr in der Familie bedroht. Im vergangenen Jahr wurden in Harburg dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) 745 Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung angezeigt Jede Meldung werde, so der Senat, überprüft.

Da beim Harburger ASD derzeit alle Stellen besetzt sind, musste sich im Bezirk ein Mitarbeiter um 23 gemeldete neue Fälle kümmern, zudem betreut jeder Mitarbeiter zusätzlich knapp zwölf akute Fälle. Im Jahr 2011 gab es in Harburg 799 gemeldete Verdachtsfälle, ein Jahr später waren es 816. Das geht aus der Antwort des Senats auf die Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll aus Neugraben hervor.

Mit seiner Anfrage bezog sich der Abgeordnete direkt auf einen aktuellen Fall in der Straße Alte Weiden (das Abendblatt berichtete mehrfach). In dem Mehrfamilienhaus sind die Nachbarn in Sorge um ein wenige Monate altes Mädchen. Schreie, lautes Weinen, Prügeleien in der Familie, die in dem Haus lebt, gehörten, so die Nachbarn, zur Tagesordnung. Meldungen beim Jugendamt, sagen sie, hätten bislang keine Ergebnisse gebracht. Vom Harburger Bezirksamt war mit Hinweis auf den Sozialdatenschutz bislang lediglich zu erfahren, dass die zuständige Behörde in Kontakt mit der Familie stehe, das Kindeswohl in diesem Fall aber nicht gefährdet sei.

Angesichts der Zahlen, die der Senat jetzt auf Trepolls Anfrage mitteilte, sei es, so der CDU-Mann, „mehr als fraglich, ob die derzeitige Stellenausstattung des ASD für die Bewältigung der Herausforderungen überhaupt bedarfsgerecht und ausreichend ist“. Besonders Fälle, bei denen Kinder zu Tode kämen, so André Trepoll weiter, machten immer wieder deutlich, „dass weiterhin noch eine Menge zu tun ist, damit es nicht so weit kommt“. Bei dem „erschütternden Fall von Yagmur Y.“, so der Bürgerschaftsabgeordnete, sei eine Mitverantwortung staatlicher Stellen unverkennbar. Trepoll kritisiert die mangelnde Transparenz der Behörden.

„Bei allem Verständnis für Sozialdatenschutz sollten die Beteiligten jedoch im Rahmen der Möglichkeiten über den weiteren Fortgang auch informiert werden“, sagt er im Hinblick auf die Kritik der Neugrabener Nachbarn, die sich von den Behörden in dieser Angelegenheit allein gelassen fühlen. André Trepoll: „Durch die geringe Transparenz, die in diesem Fall an den Tag gelegt wird, kann der unrühmliche Eindruck entstehen, dass sich die Stellen für die Hinweise gar nicht interessieren. Dieser Eindruck muss vermieden werden, denn der Staat ist auch auf solche Meldungen angewiesen, um Kindeswohlgefährdungen möglichst frühzeitig erkennen zu können.“

In seiner Antwort auf die Anfrage des Neugrabener Bürgerschaftsabgeordneten teilt der Senat auch mit, dass sich rund 50 Prozent aller gemeldeter Verdachtsfälle als „akute oder latente Kindeswohlgefährdung“ herausstellten. Laut Senatsantwort unterstütze der Bezirk Harburg die Familie in dem Haus Alte Weiden bei der Suche nach einer größeren Wohnung, um die angespannte Situation zu entzerren.