Für die Verfassungsschützer steht der Bezirk nicht im Fokus. Daran ändern auch zwei salafistische Moscheen nichts

Harburg. Seit bekannt geworden ist, dass mehrere Attentäter der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington zuvor als Schläfer in Harburg wohnten und studierten, steht Hamburgs südlichster Stadtbezirk im Ruf, bei Extremisten gleich welcher Couleur besonders beliebt zu sein. Laut aktueller Statistiken des Landesamts für Verfassungsschutz und des Landeskriminalamtes ist das aber kaum mehr als ein hartnäckig kolportiertes Vorurteil. In Wirklichkeit gilt Harburg sowohl im Hinblick auf religiösen Fanatismus, als auch hinsichtlich politisch motivierter Kriminalität als absolut unauffällig.

„Harburg ist kein Gravitationszentrum unserer Aufmerksamkeit“, sagt Erwin Höwe, Leiter des Referats Links- und Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz. Er hatte mit seinem Kollegen Hartmut Licht, Leiter des Referats Ausländerextremismus/Islamismus, bei der jüngsten Sitzung des Harburger Innenausschusses Zahlen präsentiert, die den amtierenden Vorsitzenden Michael Dose (SPD) zu dem Fazit animierte: „Die Harburger müssen sich nicht sorgen, unser Stadtbezirk ist zurzeit kein Gefahrengebiet, auch wenn man in diesen Zeiten vor Überraschungen nie sicher sein kann.“

Wurden 2009 in ganz Hamburg 530 Rechtsextreme gezählt, so waren es 2012 noch 330. Allerdings sei in diesem Zeitraum die Zahl der gewaltbereiten Neonazis von 140 auf 160 gestiegen. Die Zahl der Rechtsextremen südlich der Elbe gilt als rückläufig. Zwar schienen die von bis zu 500 Personen besuchten Konzerte der Band „Kategorie C“ am 14.März 2009 und 20. März 2010 im „Schützenhof Moorburg“, die NPD-Kundgebung am 29. Januar 2011 mit etwa 60 Teilnehmern auf dem Seeveplatz, vor allem aber der bizarre Fackelaufmarsch von etwa 35 schwarz Uniformierten und Vermummten in Eißendorf am 17. Dezember 2011 etwas anderes zu belegen. Doch hätten die Feststellung von Personalien in 18 Fällen und daran anschließende 14 Ermittlungsverfahren bewiesen, „dass die Mehrzahl der Teilnehmer gar nicht aus Harburg kamen, sondern vorwiegend aus dem Landkreis und insbesondere aus der Gegend um Tostedt“, so Höwe.

Auch linksextremistische Aktionen sind eher die Ausnahme. Nach den Beobachtungen der Verfassungsschützer ist es in den vergangenen Jahren allenfalls zu einer „kurzfristigen Mobilisierung“ gekommen, zumeist in Verbindung mit Veranstaltungen von Rechtsextremisten wie in Moorburg oder auf dem Seeveplatz. Selbst die demonstrativen Sachbeschädigungen am 22. März 2013 gegen Wohnhäuser in Heimfeld und am 23. Oktober des Vorjahres gegen ein Fahrzeug in Eißendorf galten Rechtsextremisten. Überdies sei es in Wilhelmsburg am 2. April und 30. August 2012 zu Brandanschlägen militanter Linksextremisten gegen die Firmen Muehlhan AG und Wärtsila im Zusammenhang mit der Kampagne „War starts here – lets stop it here!“ gekommen.

Gar keine Straftaten vermelden die Verfassungsschützer von Seiten islamistisch geprägter Gruppen in Harburg. Im Oktober galten in ganz Hamburg 2270 Muslime (deutschlandweit 43.000) als islamistisch im Sinne einer politischen Ideologie, die sich ausschließlich an Koran und Sunna orientiert und menschengemachte Gesetze prinzipiell ablehnt. Davon sind aber etwa 1800 Legalisten, die Gewalt ablehnen. Als gewaltorientierte Islamisten gelten Hizb-ut-Tahrir (160), Salafisten (240) und Jihadisten (70), die zum Beispiel den bewaffneten Kampf in Syrien unterstützen.

Zwar gebe es in Harburg mit der Taqwa-Moschee in der Anzengruber Straße 1 und der El-Iman-Moschee am Krummholzberg 13 zwei salafistisch geprägte Moscheen. „Wir gehen aber davon aus, dass die sich hier treffenden Islamisten bei weitem nicht alle auch in Harburg wohnen. Außerdem sind Harburger Schulen bisher kaum durch islamistische Agitation betroffen. Da gibt es in manchen Stadtteilen nördlich der Elbe deutlich mehr Probleme“, so Hartmut Licht.

Auch was die Anzahl politisch motivierter Straftaten angeht, ist der Bezirk Harburg klar unterproportional vertreten. „Pro Jahr werden in ganz Hamburg zwischen 1000 und 1400 staatschutzrelevante Delikte gezählt. Im Harburg waren es zwischen 40 im Jahr 2009 und 50 im Jahr 2012. Mehr waren es lediglich 1011 mit 74“, sagt Claus Cortnumme vom Landeskriminalamt 7. Einen extremistischen Hintergrund habe es selbst 2011 lediglich in 32 aller registrierten Fälle gegeben. Im Vorjahr wären es gar nur 23 gewesen, während in ganz Hamburg 548 gezählt worden seien. „Also auch bei der politisch motivierten Hass- und Gewaltkriminalität zeigt Harburg seit 2009 keinerlei besondere Auffälligkeiten“, so Cortnumme.