Ein halbes Jahr nach Schließung des Schützenhofs zeigen sich erste Auswirkungen auf das Dorfleben rund um den Feuerteich

Marmstorf. Fragt man die Marmstorfer, was die Lebensqualität in ihrem Stadtteil ausmacht, wird man von vielen zu hören bekommen: „Das Gefühl, in einem Dorf zu leben!“ Fast jeder kennt hier fast jeden, man hat irgendwann im Leben mal etwas miteinander zu tun gehabt – wenn nicht in der Schule, dann auf dem Schützenfest, dem Sportplatz oder in der Kirche.

Eine wichtige Rolle dabei spielte der Marmstorfer Schützenhof. In der Saalgastronomie im historischen Ortskern trafen sich nicht nur die Schützen. So gut wie jeder Verein, Chor oder Kegelclub in Marmstorf und Umgebung hatte hier sein Domizil. Die politischen Parteien im Hamburger Süden luden hierher zu großen Wahlkampfveranstaltungen. Es war egal, ob die Marmstorfer aus den Plattenbauten der neuen Heimat, den Eigenheimsiedlungen an den Hügeln oder aus den Domizilen des Ackeradels im Tal hierher kamen – hier waren sie Marmstorfer. Seit einem halben Jahr ist das allerdings vorbei: Der Schützenhof hat geschlossen und wird wohl auch nicht wieder öffnen. Was bedeutet das für die Marmstorfer Dorfgemeinschaft?

„Es ist fatal,“ sagt Rainer Bliefernicht, CDU-Kommunalpolitiker und Nachbar des Schützenhofs. „die Leute zerstreuen sich von Rönneburg bis Tötensen. Das ist ganz bitter.“

Am stärksten betrifft die Schließung des Schützenhofs natürlich die Schützen. Die haben zwar direkt nebenan ihren Schießstand und dort auch Räumlichkeiten, aber die reichen für einen Verein mit über 200 Mitgliedern nicht aus. „Wir können am Schießstand vielleicht 40 Leute bewirten“, sagt Peter Willems, erster Vorsitzender des Vereins. „Große Versammlungen müssen wir woanders abhalten und an einen Schützenball am Schießstand ist natürlich gar nicht zu denken.“

Mit einzelnen Veranstaltungen kamen die Schützen im Restaurant Rönneburger Park sowie im Eichenhof unter. Den Ball hielten sie in Hausbruch ab. Erste große Nagelprobe für die Schützen ohne Hof wird die Teichwette am nächsten Wochenende sein: „Nach den Großveranstaltungen haben wir sonst immer die Helfer verköstigt. Das wird diesmal eine ganz schön frostige Angelegenheit“, sagt Peter Willems. „Wir müssen umdenken, und lernen, ohne den Schützenhof auszukommen.“

Für das nächste Vogelschießen planen die Schützen deshalb auch schon ohne den Parkplatz des Schützenhofes als Festplatz.“Wir werden etwas weiter in Richtung Teich die Straße sperren und dort feien“, sagt Willems. „Das heißt aber auch dass unsere bislang größte Attraktion, der Autoscooter, keinen Platz haben wird.“

Willems Gattin Heidi ist Vorsitzende der gut 100 Landfrauen im Harburger Stadtgebiet. Auch sie haben sich bis vor einem halben Jahr im Schützenhof getroffen. „Nun waren wir ein paar Mal im Eichenhof“, sagt sie.

Der Sängerchor Harburg ist von Marmstorf nach Rönneburg umgezogen und die Marmstorfer Liederfreunde versammeln sich jetzt im Keller der Kirche. Seine Proben hielt der gemischte Chor ohnehin schon länger in der Sinstorfer Schule ab.

Gerne in Kirchenräume gegangen wäre auch der SPD-Distrikt Harburg Süd. „Leider hat der Kirchenvorstand abgelehnt“, sagt der Distriktsvorsitzende Sören Schumacher. „Wir weichen jetzt häufig auf das Herbert-Wehner-Haus im Harburger Zentrum und das Bürgerzentrum Feuervogel im Phoenix-Viertel aus. Das ist zwar nicht ganz so bequem, wie Marmstorf, aber auch noch gut zu erreichen."

Was so allerdings nicht mehr stattfindet. ist der kleine Dienstweg zwischen Marmstorfer Politikern, denn auch der CDU-Ortsverband Harburg-Süd tagte hier – oft zeitgleich mit den Sozialdemokraten in verschiedenen Clubräumen. Da konnte am Schankraum-Tresen schon mal das Pils zum Kompromisskatalysator werden, bevor die Wellen im Rathaus hochgeschlagen wären.

Trotz des „C“ im Parteinamen sind übrigens auch die Christdemokraten nicht bei der Kirche untergekommen. „Wir vagabundieren ein wenig“, sagt Ortsverbandsvorsitzender Rainer Bliefernicht. „Wir hatten einige Sitzungen im Restaurant La Granja und einige im Eichenhof.“

Bliefernicht ist den Gastronomen der Ausweichstätten dankbar, wenn sie Räume zur Verfügung stellen. „Politische Versammlungen bringen den Wirten nicht viel Umsatz“, weiß er. „Wenn zwei Familien zum Essen kommen, haben Wirte oft mehr davon, als wenn 200 Gäste mit einer Parteiveranstaltung den Saal belegen. Ich bin deshalb auch der Familie Cekirdek schon dankbar, dass sie so lange den Schützenhof betrieben hat.“

Familie Cekirdek will den Schützenhof nun verkaufen. Am liebsten wäre den Gastronomen ein Supermarkt als Käufer. Supermärkte gibt es in Marmstorf allerdings bereits in großer Menge und Vielfalt. Ob ein weiterer genehmigt würde oder überhaupt Interesse hätte, ist unwahrscheinlich – schon wegen der Parkplätze: Um die zu erreichen müssten die Kunden ihre Einkaufswagen über eine denkmalgeschützte Kopfsteinpflasterstraße schieben.