Philosoph Richard David Precht spricht im Audimax der TUHH über „Interdisziplinäres Arbeiten“

Harburg. Ein prominenter Gastredner beendet am 21. Januar die öffentliche Ringvorlesung an der Technischen Universität Harburg (TUHH). Prof. Dr. Richard David Precht spricht über das Thema „Interdisziplinäres Arbeiten – Inspiration und Herausforderung“. Der Philosoph, Buchautor und Fernsehmoderator steht ab 19 Uhr am Podium im Audimax. Sein Vortrag richtet sich zunächst natürlich an Studenten und Lehrende an der Universität, aber auch an alle, die sich für die Entwicklung unserer Gesellschaft interessieren. Richard David Precht fordert den „Blick über den Tellerand“, wie er im Abendblattgespräch gleich mehrfach formuliert. Mehr Offenheit für andere Disziplinen, mehr Querverbindungen zu anderen Wissenschaften seien in Zukunft gefragt, prognostiziert der 49- Jährige.

Richard David Precht ist studierter Germanist und Philosoph. Wie keinem Zweiten ist es ihm gelungen, in den letzten Jahren Themen, mit denen er sich auseinandersetzt, in der Gesellschaft zu platzieren. Dazu gehört auch sein jüngstes Buch, in dem er sich mit dem Schulsystem auseinandersetzt. Stumpfes Auswendiglernen, starre Lehrpläne, Frontalunterricht und die 45-Minuten- Unterrichtsstunde hätten sich überholt. Stattdessen sollte man die Unterrichtsfächer nach der sechsten Klasse auflösen und fächerübergreifende Projektarbeit machen, fordert er. Ob Geld oder Goethezeit, ein Thema könne dann aus den verschiedensten Blickwinkeln erarbeitet werden.

Ähnlich dem Schulsystem ist heute auch das Studium für viele Studenten angelegt. Starre Pläne, viele Pflichtveranstaltungen verhindern, dass der Hochschüler seinen Horizont erweitern könne. Immer noch hielten Dozenten Vorlesungen, in denen reine Fakten abgespult würden, „dieses Wissen kann ich mir heutzutage übers Internet aneignen“, sagt Precht knapp. Das Prinzip der Vorlesung stamme aus dem Mittelalter, als Bücher rar gesät waren und die meisten Menschen nicht lesen konnten. „Ich analysiere in meinem Vortrag, wie und warum es dazu kommen konnte. Im zweiten Teil zeige ich Möglichkeiten auf, wie die Zukunft des Lernens aussehen könnte und definiere Perspektiven, dorthin zu kommen“, fasst Richard David Precht zusammen.

Aus Sicht des Philosophen, der als Honorarprofessor an der Leuphana Universität in Lüneburg und an der Hochschule für Musik Hanns Eissler in Berlin lehrt, sollte man erst studieren, wenn man sich die Grundlagen schon angeeignet habe. Universitäten hätten in der Zukunft die Aufgabe, Querverweise in völlig andere Wissenschaften herzustellen. Seiner Meinung sollte zum Beispiel ein Psychologiestudent auch medizinisches Wissen über das Gehirn besitzen und sich philosophisch mit den Themen Moral und Ethik beschäftigt haben. Oder auch das Architekturstudium die Themen Soziologie und Sozialphilosophie behandeln, „da hängen schließlich gewaltige Lebenswelten dran“, betont Precht. Und bei einem Philosophiestudenten sollten Ökonomie und andere Wirtschaftsthemen auf dem Stundenplan stehen: „Auf der einen Seite haben wir einen großen Bedarf an Experten, brauchen aber auch wieder diejenigen, die als Generalisten über ihren Bereich hinaus in anderen Disziplinen breit aufgestellt sind.“

Nach Prechts Auffassung geht die Spezialiserung in Wissenschaft und Arbeitsleben immer weiter voran. Im Bereich Dienstleistungen übernehme moderne Technik und das Internet viele Aufgaben, die früher noch von Servicekräften ausgeführt wurden. Dies zeige sich beispielsweise die Autoindustrie. Wo früher viele Menschen am Fließband einzelne Teile eines Fahrzeugs zusammenbauten, täten dies heute Roboter und Automaten. Nur wer sich weiter spezialisert und weitergebildet habe, sei in dieser Branche noch ein attraktiver Arbeitnehmer, so Precht.

Auch das Internet hat das Arbeitsleben stark verändert, auch hier geht die Spezialisierung voran. „Ich kann heute meinen Urlaub ganz leicht selbst buchen, das Reisebüro brauche ich nur noch, wenn ich spezielle Wünsche habe, dafür brauche ich dann aber auch höher qualifizierte Mitarbeiter“. Und auf übergeordneter Ebene, im Managementsektor, gehe der gesellschaftliche Wandel ebenfalls voran: „Wir brauchen Leute, die über diese Kompetenzen hinaus über eine soziale und gesellschaftliche Qualifikation verfügen“, fordert der Philosoph.

Richard David Precht spricht übrigens nicht das erste Mal an der TUHH. Vor knapp zwei Jahren war er auf Bitten der Organisatorin Prof. Margarete Jarchow in Harburg, hat aber nur wenig bleibende Erinnerungen an seinen Aufenthalt: „Ich kenne Harburg eigentlich nur vom Umsteigen, wenn ich von Hamburg nach Lüneburg fahre“, gesteht er. Von der TUHH allerdings ist er überzeugt: „Sie ist eine exzellent geführte Uni, jung, dynamisch und offen. Hier wird aufmerksam und zukunftsorientiert gearbeitet.“ Gute Voraussetzungen für eine weiteren Besuch und weitere Inspiration durch einen modernen Philosophen.

Der öffentliche Vortrag von Richard David Precht am 21. Januar beginnt um 19 Uhr im Audimax II an der TUHH, der Eintritt ist kostenlos.