Die Stadt an der Luhe ist die Hochburg des Skats im Norden. Club Winsener 8 will Deutsche Meisterschaft verteidigen

Winsen. Zugegeben, das Blatt taugt wenig. An diesem Nachmittag, er hat sich wie jeden Tag in eine Skatplattform im Internet eingeklinkt, reizt Markus Bohn dennoch mit. Er sagt „20“ und kann das Spiel gegen seine unsichtbaren Gegner im Netz machen. Aber wie soll das gehen mit Pik As, Zehn, Sieben und Acht, Herz As, Zehn und Neun und einer Karo-Dame nebst Sieben und Zehn? Im Skat, der verdeckt liegt, findet er eine Kreuz Zehn und Acht. Bohn zögert nicht. Er spielt einen Grand ohne Vieren, ohne einen Buben, die jetzt die einzigen Trümpfe sind. Und er gewinnt.

Erfahrung, Konzentration und Taktik sind schließlich entscheidend. Über sie verfügt Bohn, denn er gehört zu den nur knapp 100 Profis bundesweit, die zu internationalen Turnieren eingeladen werden. Jeden Tag trainiert der gelernte Chemiefacharbeiter. Inzwischen im Internet, weil sich sonst die tägliche Gelegenheit nicht bieten würde. „Das habe ich zunächst abgelehnt, weil die Geselligkeit, die Atmosphäre hier fehlen“, sagt der 41-Jährige. Doch für seine Karriere braucht er heute das Netz. Jetzt drückt er Pik Zehn und Karo Dame und hat damit die ersten 13 Punkte sicher. Mit Herz As und Herz Zehn gewinnt er mitsamt der Karten der Gegner, die bedienen müssen, 28 Punkte. Sein Pik As bringt ihm mit Dame und König 18 Zähler. Die Entscheidung fällt, als er seine Herz Neun spielt. Seine Gegner werfen eine Pik Neun und eine Kreuz Dame ab. Ein Fehler. Denn damit hat Bohn die nötigen Punkte zusammen: 62.

Nach solchen Siegen schickt der Lüneburger Gesamtbetriebsratsvorsitzende schon einmal einen Smiley in den Äther. Doch auch bei den Spielen in der 1. Bundesliga des Skatverbandes ISPA (International Skat Players Asociation) für seinen Verein Stadthalle Winsener 8 bleibt er ruhig, eher verhalten. Keine Hähme, kein Aufbrausen wie es nach den üblichen Klischees unter Skatbrüdern als üblich gilt. „Ich steht höchstens mal auf und setze mich wieder“, sagt der Vorsitzende des Clubs, des amtierenden Deutschen Meisters. Rauchen ist bei den Begegnungen ohnehin nicht mehr erlaubt. Alkohol ist zwar in den Pausen möglich. Der Clubchef stellt aber klar: „Zu einem ehrgeizigen Spieler passt kein Alkohol.“

Ehrgeiz spielt in dem 1979 gegründeten Verein, zu dem 45 Mitglieder gehören, eine große Rolle. Erst 2013 gewann die erste Mennschaft in Köln den Deutschen-Meister-Titel. Seit 2001 zieren ein zweiter Titel sowie weitere Erfolge den Briefkopf des Vereins. Er zählt zur Staffel Nord der 1. Bundesliga der ISPA, die nach Regionen aufgeteilt insgesamt sechs Staffeln umfasst. In den vergangegen Jahren wurde im Norden stets in der Stadthalle Winsen gereizt und gestochen. Solche Treffen, immer an Sonnabenden, dauern acht Stunden und umfassen Hunderte von Spielen. Nur weil es zuletzt einen Pächterwechsel in der Restauration der Stadthalle gab, ist der fünfte und letzte Spieltag dieser Saison im Februar im Scharnebecker Schützenhaus geplant.

Dabei geht es um viel: Denn die Winsener 8, benannt nach den acht Spielern einer Bundesliga-Mannschaft, stehen derzeit nur auf Platz fünf der Tabelle. Wer aber in der Endrunde mitmischen will, muss auf den ersten vier Plätzen landen. „Wir haben es in den eigenen Händen“, sagt Bohn zuversichtlich. Das Ziel ist klar: Der Titel soll bei der in diesem Jahr von der Staffel Ost in Magdeburg ausgerichteten Endrunde verteidigt werden. Zudem sucht der Verein stets neue Interessenten. „Wer Grundkenntnisse über das Spiel hat und bei Kritik nicht gleich eingeschnappt ist, kann mit fließigen Üben in sechs Monaten bis zu einem Jahr in der 2. Bundesliga mitspielen“, so Bohn.

Geld verdienen jedoch kann man beim Kartenspiel selbst in der Bundesliga kaum. „Beim Deutschen Meistertitel gab es 2000 Euro. Die haben sich dann die acht Spieler und die beiden Ersatzspieler untereinander aufgeteilt“, sagt Helga Goes, die Kassenwartin des Vereins. Selbst solche Auszahlungen seien aber nicht bei allen Vereinen die Regel. Schließlich sind Startgelder zu entrichten, und dazu fallen Kosten für die Übernachtungen etwa bei den Endrunden an. Die ersten beiden Nächte gehen bei der Winsener 8 auf Goes Vereinskasse, in die die Mitglieder jährlich 90 Euro sowie 50 Cent für jedes verlorene Spiel beim Training einzahlen. Alle anderen Kosten müssen die Skatfreunde selbst entrichten. Immerhin werden bei den Einzel-Wettbewerben auch mal knapp 3000 Euro für den bundesweiten Sieger ausgelobt.

Doch Einladungen wie die nach Colmar, die Bohn zu den Europameisterschaften 2011 erreichte, sind selten. „Damals hat ein Skat-Enthusiast mich für eine deutsche Mannschaft gesucht und über neun Tage hinweg alle Kosten übernommen“, erinnert sich der Club-Vorsitzende, der auch als Team-Manager und Mädchen für alles für die Mitglieder agiert. „Skat ist mehr als ein Hobby, es ist mein Leben“, sagt Bohn. Da ist es kein Wunder, dass auch seine Partnerin, Linda Lecoq, Skat in der 3. Winsener Mannschaft in der 2. Bundesliga spielt.

Schon mit acht Jahren saß Bohn mit Vater Hilmar, dem derzeitigen Vereinsmeister und Opa Herbert am Skattisch. Dann rückte er über mehrere Vereinswechsel immer weiter nach oben auf. Biss sich durch, auch wenn der Ton an den Spieltischen früher rauer war als heute. Schon 1998 war er mit seinem damaligen Team Zu Buche Kirchgellersen zum ersten Mal Deutscher Mannschaftsmeister.

Inzwischen sitzt ihm bei Kartenspielen seine Tochter Emily, 13, gegenüber. „Wir spielen Mau-Mau, Canasta und Rommé.“ Ob künftig auch Skat gespielt wird, ist offen. Dass dies dem Vater Bohn gefallen würde, liegt auf der Hand. Da würde er nicht passen.