Ambulanter Hospizdienst sucht Interessenten. Infokurs startet Ende Januar. Für die Arbeit fehlen gut 2000 Euro

Winsen . Es gibt Geschichten vom Tod und Sterben, die können unerwartet tröstlich sein. Wie die Geschichte des älteren Herren, den Gabriele Volkmer mehr als ein Jahr lang betreute. Er war im Krankenhaus, in einem Hospiz, zu Hause, wieder im Hospiz und starb schließlich im Krankenhaus. Volkmer, die für den Ambulanten Hospizdienst arbeitet, besuchte ihn zwei Mal in der Woche, jeweils über drei bis vier Stunden. Sie redeten über Bekannte in Winsen, sahen Fernsehen. Sie schrieb eine Karte zur Konfirmation des Enkelkindes für ihn. Er wollte unbedingt zur Feier, sie riet ihm zu und er schaffte es. „Er hat erreicht, was er erreichen wollte und ich habe die Besuche als Bereicherung empfunden“, sagt Vollmer, 61. Weinend weggelaufen ist sie nie.

Für die Arbeit bei Menschen, die kurz vor ihrem Tod stehen, sucht der Dienst jetzt neue Mitarbeiter. Für den 22. Januar ist im Gemeindehaus der St. Marien Kirche ein erster Informationsabend geplant. „Wir möchten danach acht bis zwölf Menschen in einen Kursus aufnehmen, der im April beginnt und einschließlich einer Praktikumszeit sowie einem Abschlusswochenende bis in den November dauern wird“, sagt die Koordinatorin der Gruppe, Eva-Maria Pemsel. Der Kurs kostet für jeden Interessenten 150 Euro. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um Pflege, sondern um die Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, für die ein Gesundwerden nicht mehr in Frage kommt.

Krankenkassen zahlen die Kurse für die Weiterbildung im Hospizdienst

Mit dem Einstieg von Pemsel, einer examinierten Altenpflegerin und Palliativ-Care-Fachkraft, wurde die Arbeit von Oktober 2010 an auf eine professionelle Basis gestellt. Da die Gruppe, die seit 15 Jahren ehrenamtlich tätig ist, nun von einer Fachkraft geleitet wird, zahlen die Krankenkassen die Fortbildung. Für die Patienten bleibt das Angebot kostenlos. Die Gruppe, zu der 20 Frauen und nur ein Mann gehören, trifft sich ein Mal im Monat. „Wir bieten zudem mindestens vier mal im Jahr eine Supervision für die Mitarbeiter an und ich bin bei Problemen von Mitarbeitern Tag und Nacht erreichbar“, sagt Pemsel, die hauptamtlich für den Kirchenkreis Winsen arbeitet. Weil immer wieder Mitarbeiter alters- oder berufsbedingt nicht mehr zur Verfügung stehen, sind nun die neuen Interessenten gesucht. Die Gruppe würde sich vor allem über Männer freuen, weil ältere Männer gern von ihnen betreut werden. Gearbeitet wird überkonfessionell. Über alle Details aus den Gesprächen herrscht Schweigepflicht.

Für die Besuche ist eine feine Antenne notwendig. Es geht oftmals darum, über das rücksichtsvolle Schweigen der Angehörigen hinauszukommen und die Tatsachen zu akzeptieren wie sie sind. „Niemand bei uns sagt: Ach, es wird schon wieder. Das würde bedeuten, dass man den Menschen nicht ernst nimmt, der über seinen Tod sprechen will,“ sagt Claudia Rieckmann, 45, die ebenfalls zur Gruppe gehört. Bei den Einsätzen, die manchmal erst wenige Stunden vor dem Tod des Patienten beginnen, geht es manchmal nur um das Halten der Hände, das dem Sterbenden die Gewissheit gibt: Du bist nicht allein.

Liane Winkler, 69, hat sich bei ihrer Arbeit auf Demenzkranke eingestellt. „Es stimmt nicht, dass solche Menschen nicht mehr erreichbar sind“, sagt die gelernte Arzthelferin, die ebenfalls für den Hospizdienst arbeitet. Zu ihren Besuchen nimmt sie nie eine Zeitung mit, schaut kein TV und liest kein Buch. Sie will ansprechbar sein. Demenzkranke reagierten auf Musik, sagt sie, und „dann habe ich es erlebt, dass plötzlich eine Hand die meine gesucht hat.“ Menschen wie Winkler können es aushalten, wenn ein Gespräch mit einem Patienten nicht mehr möglich ist. Aber sie nehmen aus ihrer Betreuung nicht nur die Lebensweisheiten alter Menschen mit, sondern zuletzt das Gefühl, einem Mensch die Ruhe zum Sterben zu geben und die Angehörigen entlastet und getröstet zu haben.

Seit Koordinatorin Eva-Maria Pemsel ihre Arbeit aufgenommen hat, wurde bis heute 132 Patienten betreut. Allein von 2012 auf 2013 stieg die Zahl der begleiteten Patienten von 34 auf 45. „Über Tod und Sterben zu sprechen, wird nicht mehr so tabuisiert“, sagt die Koordinatorin. Für 2014 rechnet sie daher mit weiter steigenden Zahlen.

In diesem Jahr soll das 15jährige Jubiläum der Gruppe gefeiert werden

In diesem Jahr steht zudem im September das 15. Jubiläum des Dienstes an. Neben dem Theaterstück „Nathan der Weise“, einem Gottesdienst und einem Empfang ist eine Lesung von Tilman Jens vorgesehen, der über seinen Vater, den zuletzt demenzkranken Publizisten Walter Jens, ein Buch geschrieben hat. Das neueste Vorhaben des Dienstes richtet sich an Dritt- und Viertklässler: Für sie würde der Dienst gern eine Projektwoche entwickeln, die die Acht- bis Neunjährigen mit dem Tod und dem Abschiednehmen vertraut macht. „Wir hoffen noch auf Spenden für das Unterrichtsmaterial, zusammen gut 2000 Euro“, sagt Pemsel. Die Themen der Woche stehen jedoch. „Wir könnten sofort anfangen.“