Karsten Bode ist Hamburgs dienstältester Geschäftsführer eines Sportvereins

Hausbruch. Eigentlich hätte Karsten Bode seinen letzten Arbeitstag am 20. Dezember gehabt. Eigentlich wäre er längst im Resturlaub. Stattdessen sitzt der 63-Jährige immer noch an seinem Schreibtisch in der Geschäftsstelle der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft (HNT). Er habe noch so viel Arbeit,von der er glaube, dass er sie noch erledigen müsse, sagt er. Ein Leben für den Sportverein – am 31. Januar wird es mit einem Empfang ehemaliger Weggefährten, aller jetzigen Mitarbeiter und einflussreichen Hamburger Sportfunktionären endgültig enden. Karsten Bode, Hamburgs dienstältester Geschäftsführer eines Sportvereins, geht in den Ruhestand.

Insgesamt 46 Jahre hat Karsten Bode die Entwicklung der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft mitbeeinflusst. 31 Jahre davon hauptberuflich in Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Präsidiumsmitgliedern. Der Sportverein zählt heute mit gut 5000 Mitgliedern zu den größten in Hamburg, beschäftigt 45 Mitarbeiter und macht beinahe zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr. Der Gymnasiallehrer hatte die heute selbstverständliche Idee des Freizeitsports umgesetzt, als sie in den Sportvereinen noch umstritten war. Karsten Bode war Mitbegründer der in Hamburg einflussreichen Interessenvertretung TopSportVereine Metropolregion Hamburg, eine Gemeinschaft von 26 Großsportvereinen mit insgesamt mehr als 130.000 Mitgliedern. Und der HNT-Geschäftsführer machte sich für ein vereinseigenes Fitnessstudio stark, als noch unklar war, ob die Branche nicht bald wieder als Zeitgeist-Phänomen Geschichte sein würde.

Als fünf Jahre alter Knirps trat Karsten Bode im Oktober 1957 der HNT bei. Seine Mutter brachte den Filius in der ersten Kleinkinderturngruppe Hamburgs unter – damals eine reine Mädchenriege. Die Mädels kenne er heute immer noch, sagt er, sein seien drei bis vier Jahre älter als er. Das Bild der damals schon antiquierten Turnhalle hat er noch vor Augen: ein hölzerner Festsaal mit einem Ofen darin. „Wir turnten auf knallharten Turnmatten aus Rosshaar“, erinnert sich Karsten Bode, „und die Stahlfedern des Sprungbrettes machten einen Riesenlärm.“

Als die Hochhaussiedlung Neuwiedenthal entstand, reagierte die HNT mit zusätzlichen Angeboten auf den Bevölkerungszuwachs im Stadtteil. Von seinem damaligen Trainer Helmut Ziechner ins kalte Wasser geworfen, übernahm Karsten Bode im Alter von 17 Jahren als Übungsleiter eine Kinderturngruppe. Das bedeutete damals: 60 Kinder, sechs bis elf Jahre alt, tobten in der Halle herum – und der Übungsleiter-Novize sollte sie bändigen. „Da lernt man, wie man Kinder begeistert und auch ruhig bekommt“, sagt Karsten Bode heute gelassen. Damals dürfte er Blut und Wasser geschwitzt haben.

Als an den Universitäten noch die Entwicklung zu einem ausschließlich zur Freude orientierten Sport kontrovers diskutiert wurde, sah Karsten Bode im Freizeitsport eine Möglichkeit, Jugendliche weiter an den Sportverein zu binden. Junge Leute in der Pubertät neigen dazu, den geregelten Trainingsbetrieb als lästig zu empfinden und den Sportverein zu verlassen. Zusammen mit anderen Mitgliedern einer Freizeitsportgruppe in der HNT schlug Karsten Bode dem damaligen Präsidenten Edmund Dalitz vor, eine Disco anzubieten.

Dalitz ließ ihn machen – das war die Geburtsstunde der „Turnschuhfeten“, die 300 bis 400 junge Leute bewegten. „Tunschuhfete“, weil der Vereinspräsident als Auflage machte, den Hallenboden nicht mit Straßenschuhen zu betreten. Rockbands traten in der HTN-Turnhalle auf. Sogar Halbstarke aus St. Pauli machten sich auf den Weg nach Hausbrauch und sorgten für Ärger. „Eltern stellten sich als Sicherheitspersonal auf“, erinnert sich Karsten Bode. Noch heute feiern alteingesessene Hausbrucher, mittlerweile 50 bis 60 Jahre alt, zweimal im Jahr eine Revival-Turnschuhfete.

Im Jahr 1973 nimmt Karsten Bode an der Universität Hamburg das Lehramtsstudium mit den Fächern Sport, Gemeinschaftskunde und Erziehungswissenschaften auf. Sein Professor damals: Horst W. Opaschewski, später ein in Deutschland renommierter Freizeitforscher. Karsten Bode wird von seinen Lehren stark geprägt.

Als Karsten Bode das Studium abschließt, haben Gymnasiallehrer auf Jahre keine Chance auf Einstellung im Schuldienst. Der heutige HNT-Ehrenpräsident Edmund Dalitz verschafft dem Neu-Pädagogen einen Job. Als erste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sport in Hamburg überhaupt wird Karsten Bode 1983 bezahlter Sportfunktionär in der Turnerschaft. „Sportliche Sozialarbeit im Stadtteil“ lautete der Arbeitstitel. Bode war damit de facto erster hauptamtlicher Geschäftsführer eines Sportvereins in Hamburg. „Edmund Dalitz ist mein Vorbild“, sagt er über seinen Mentor. Sein Leben lang macht sich Karsten Bode für die Entwicklung des Sportvereins zu einem sozial verantwortlichen Stadtteilverein stark.

Der junge, bezahlte Sportfunktionär muss skeptische, ehrenamtliche Verantwortliche in der HNT davon überzeugen, dass er sein Geld wert ist. „Ich habe mich darauf gestürzt, Fördermittel für den Verein einzuwerben“, nennt Bode seine damalige Überzeugungsstrategie. Als der Begriff Merchandising in Sportvereinen noch ein Fremdwort war, probierte Bode den Verkauf von Fanartikeln wie Vereinswappen-Aufnäher. „Das war damals nicht erfolgreich“, sagt er und schmunzelt, „aber wir haben es damals schon gemacht.“

Als einer der ersten Sportvereine in Hamburg bildet die HNT ab 1993 Sport- und Fitnesskaufleute aus. „Die brauchen wir dringen für die Zusammenarbeit mit den Ganztagsschulen“, erklärt Karsten Bode. Er sieht in der Weiterentwicklung zu einem sozialen Dienstleister für Schulen als eine überlebenswichtige Aufgabe für heutige Großsportvereine.

Viel Herzblut hat Karsten Bode darin gesteckt, das Präsidium zu überzeugen, ein vereinseigenes Fitnessstudio zu betreiben. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob der Fitnesstrend mehr als nur ein kurzlebiges Zweitgeist-Phänomen sein würde. Das „Fithus“ wurde 1994 Realität, damals noch im Süderelbe Einkaufszentrum. Ein Besitzerwechsel führte zu einer höheren Miete und bedrohte das Projekt. „Ich bin viel dafür gescholten worden“, sagt Karsten Bode. Ohne das „Fithus“, das seine Frau Marcela leitet, hätte die HNT 1500 Mitglieder weniger, sagt Karsten Bode. Seit eineinhalb Jahren erwirtschafte das Fitnessstudio, heute im neuen Bürger- und Gemeinschaftszentrum am S-Bahnhof Neugraben, Überschüsse, die der Verein zur Tilgung von Krediten oder Investitionen in andere Sparten nutzen könne.

„Hoffentlich bleibt das Fithus eine Erfolgsgeschichte, dass ich mich zur Ruhe setzen kann“, sagt Karsten Bode, der sich mit Walken im Forst „Haake“ fit hält. Er räumt ein, dass der Abschied vom Berufsleben schwerer fällt als er erwartet hat. Doch so ganz endet sein Dasein als Sportfunktionär nicht: Er arbeitet ehrenamtlich in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mehrerer Sportvereine aus dem Hamburger Süden zur Zukunft der Sportvereine als Stadtteilverein mit.