Im Landkreis Harburg leben derzeit 700 Flüchtlinge. Bei ihrem jeweiligen Aufenthaltsstatus gibt es große Unterschiede

Winsen/Meckelfeld. Draußen rauschen die Autos auf der A1 vorbei, und drinnen liegt der vierjährige Frank in seinem Kinderbett und leidet unter einer Erkältung. Mit einem Korb voller Wäsche in dem einen Arm und dem sieben Monate alten Töchterchen Serena auf dem anderen betritt seine Mutter Joy Asorogeye das kleine Zimmer. Neben Franks Kinderbett stehen dort ein zweites Bett, ein Sessel, ein Tisch und ein Fernseher. Es ist eng, aber mit der zusätzlichen Kochnische und dem Extra-Raum für Dusche und Toilette hat die 27-jährige Nigerianerin etwas mehr Luxus als die anderen Bewohner der Flüchtlingsunterkunft am Meckelfelder Seevedeich. „Es ist in Ordnung“, sagt sie und lächelt. Auch an den Lärm der Autobahn hat sie sich längst gewöhnt.

Joy Asorogeye ist eine der wenigen Frauen mit kleinen Kindern unter den rund 700 Flüchtlingen, die derzeit im Landkreis Harburg leben. Fast ausschließlich junge, alleinstehende Männer sind im vergangenen Jahr und den Jahren davor hergekommen. Während beim weitaus größten Teil der 700 Asylbewerber noch keine abschließende Entscheidung über ihre Asylverfahren gefallen ist – das heißt, die Anträge sind noch in der sechs bis zwölf Monate dauernden Bearbeitungsphase oder bereits abgelehnt worden, wogegen die Antragsteller wiederum Klage eingereicht haben –, zählt die junge Frau zu der ebenfalls überschaubaren Gruppe der 150 Geduldeten.

„Geduldet“ heißt, dass das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, den Asylantrag bereits abgelehnt und die Ausländerbehörde des Landkreises aufgefordert hat, sogenannte aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. „Damit ist letztlich die Abschiebung gemeint“, erklärt Johannes Freudewald, Sprecher des Landkreises Harburg. Ihre Kinder schützen die junge Frau jedoch vor einer Rückkehr in ihre Heimat, aus der sie nach eigenen Angaben unter anderem wegen ihrer Angst vor der Beschneidung geflohen ist. Andere Gründe für eine Duldung könnten beispielsweise eine Krankheit oder ein fehlender Pass sein. Ihren Duldungs-Status hat Joy Asorogeye seit mittlerweile vier Jahren, die Bewilligung wird für jeweils sechs Monate ausgesprochen und muss immer wieder verlängert werden.

Aber welche anderen Formen des Aufenthalts in Deutschland gibt es noch? Für viele Bürger ist das Asylrecht mit seinen sperrigen Formulierungen und unzähligen Ausnahmen und Besonderheiten ein Buch mit sieben Siegeln, das nur schwer zu durchdringen ist. Im Regelfall gilt, dass die Asylverfahren mit dem Zeitpunkt des Eintritts in eine der Erstaufnahmestellen in Deutschland beginnen, die Stellen in Friedland und Braunschweig sind für den Landkreis Harburg zuständig. „Wenn das Verfahren läuft, erhält jeder eine Aufenthaltsgestattung“, erklärt Kreissprecher Freudewald. Diese Gestattung ist allerdings auf die Dauer des Asylverfahrens befristet.

Die Entscheidung darüber, ob ein Antrag bewilligt oder abgelehnt wird, trifft das BAMF. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: Zum einen kann der Asylantrag auf der Grundlage von politischem Asyl anerkannt werden. Dafür muss der Bewerber unter anderem glaubhaft versichern, dass er in seinem Heimatland aufgrund seiner politischen Überzeugung staatlich verfolgt wird, zudem muss er ohne den Umweg über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sein. Die zweite Möglichkeit ist die Anerkennung als Flüchtling, wenn sein Leben oder seine Freiheit im Herkunftsstaat wegen seiner Rasse, Religion oder Staatsangehörigkeit bedroht sind. In beiden Fällen erhalten die Bewerber eine unbefristete Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Im Landkreis Harburg haben diese lediglich 33 der 700 Flüchtlinge erhalten.

Die dritte Möglichkeit ist der subsidiäre Schutz. Er gilt, wenn die Antragsteller abgelehnt werden oder auch keinen Flüchtlingsschutz genießen, aber dennoch schwerwiegende Gefahren für Freiheit und Leben drohen. „Dann greift der sogenannte Abschiebestopp“, sagt Freudewald. Die Familie Hussein ist ein solches Beispiel, insgesamt gilt er im Landkreis in 45 Fällen. Vater Ibrahim und Mutter Ilham stammen ursprünglich aus Syrien und leben mit ihren drei Kindern Rony, 7, Sebastyan, 4, und Rodbian, fünf Monate, so wie Joy Asorogeye am Seevedeich. „Wir sind seit mittlerweile drei Jahren hier“, sagt Ilham Hussein. Tochter Rony besucht bereits den Schulkindergarten und spricht Deutsch, Sebastyan geht ebenfalls schon in den Kindergarten.

„Nach Syrien wollen wir nicht wieder zurück“, sagt die Mutter. Sie haben schon mehrfach Anträge auf Asyl gestellt, beim dritten Versuch ist das Verfahren eingestellt worden und der subsidiäre Schutz kam zum Tragen. Noch bis Februar können sie unter diesem Status in Deutschland bleiben, dann müssen sie hoffen, dass ihr Aufenthalt erneut befristet verlängert wird. „Wegen der aktuellen Lage in Syrien müssten die Chancen eigentlich gut stehen“, sagt Kreissprecher Freudewald.

Aufgrund ihrer Situation haben sowohl die Husseins als auch Joy Asorogeye zudem das Recht auf eine eigene Wohnung. Das würde auch die Flüchtlingsunterkunft entlasten, in der dringend Platz für Neuzugänge benötigt wird. Das Problem ist aber, dass die Familien in Seevetal keinen Wohnraum finden. Zwei- bis dreimal die Woche schaut Sozialarbeiterin Sarah Abd Elkader für sie nach passenden Angeboten – ohne Erfolg. „Es gibt einfach nichts für uns“, sagt Ilham Hussein. Trotzdem gibt sie die Hoffnung nicht auf, mit ihrer Familie eines Tages in den eigenen vier Wänden zu wohnen und dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.