Firma Aluminium Oxid Stade benötigt 150.000 Kubikmeter Sand jährlich für ihre Rotschlammdeponie. Bürgerinitiative fühlt sich vom Rat hintergangen

Himmelpforten/Hammah/Bützfleth. Eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates Hammah zum Thema Sandabbau für die Rotschlammdeponie des Unternehmens Aluminium Oxid Stade (AOS) sorgt erneut für kontroverse Debatten in dem rund 3000 Einwohner zählenden Ort im Landkreis Stade.

Hintergrund ist, dass das Unternehmen AOS Flächen zum Sandabbau von der Gemeinde Hammah erwerben will. Mit dem Sand sollen die Dämme der rund 140 Hektar großen AOS-Rotschlammdeponie, die zwischen Hammah und dem Unternehmensstandort in Stade-Bützfleth liegt, gesichert werden. „Wir benötigen rund 150.000 Kubikmeter pro Jahr, um die Deponiedeiche schrittweise von derzeit zwölf Metern Höhe in den kommenden Jahren auf 21 Meter zu erhöhen“, sagt AOS-Geschäftsführer Volker Richter.

Als „völlig normal“ bezeichnet Himmelpfortens Gemeindedirektor Holger Falcke (parteilos), dass Grundstücksangelegenheiten zunächst intern mit den Ratsmitgliedern besprochen werden. „Das kollidiert nicht mit der Niedersächsischen Kommunalverfassung“, sagt Falcke. Schließlich müsse der Gemeinderat umfassend informiert sein, wenn über Grundstücksverkäufe verhandelt werden soll. Das Vorgehen war mit dem Verwaltungsausschuss und Hammahs Bürgermeister Rainer Jürgens (CDU) abgestimmt, so Falcke.

„Geheime Abmachungen hinter dem Rücken der Bürger“ fürchten die Sprecher der Hammaher Bürgerinitiative gegen den Sandabbau (BI Hammah) Rolf-Hans Supper und Dieter Loerwald wenn der Öffentlichkeit die neue Entwicklung des Verfahrens vorenthalten werde. „Die Bürger von Hammah wollen mitbestimmen, wo eine Sandgrube von so gigantischem Ausmaß, mit Staub- und Lärmbelästigung in unmittelbarer Umgebung entsteht. Und sie wollen direkten und freien Zugang zu Informationen“, sagt Supper gegenüber dem Abendblatt. „Wir fühlen uns von der eigenen Gemeinde und besonders vom Gemeindedirektor Falcke, der die Entscheidung getroffen hat hinter verschlossen Türen zu tagen, hintergangen“, kritisieren Supper und Loerwald.

Davon könne keine Rede sein, widersprechen Falcke und Hammahs stellvertretender Bürgermeister Reiner Braack (CDU). „Es wurde weder etwas beschlossen noch eine Vorentscheidung gefällt.“ Die vertrauliche Sitzung habe der Ratsinformation gedient. „Zudem war im Vorfeld bereits für die zweite Januarhälfte eine öffentliche Sitzung geplant, um die Vorhaben der AOS der Öffentlichkeit vorzustellen“, sagt Falcke.

Das bestätigt auch Volker Richter. „Wir wollen uns nicht gegen die Bürger stellen, wir führen ein offenes, klares Verfahren. Aber wir halten die Reihenfolge ein und haben zunächst den Rat informiert“, sagt Richter. „Wir haben uns sehr zurückgenommen und sind auf die Proteste und Interessen der Hammaher eingegangen.“ Das zeige bereits die Entscheidung, von ursprünglichen Plänen abzugehen, zwei Sandabbaustellen in der Nähe von Hammah zu erschließen.

Zunächst waren zwei Sandtagebaue mit einer Gesamtfläche von 32 Hektar vorgesehen. Nach massiven Protesten der BI Hammah gab der Aluminiumproduzent im Sommer 2013 seine Pläne für die südliche Grube nahe Hammah auf. Somit reduzierte das Unternehmen die Abbaufläche auf rund 17 Hektar und auch die Entfernung zu Wohngebieten von einst etwa 250 Metern Luftlinie auf mehr als einen Kilometer.

Die neue anvisierte Sandentnahmestelle liegt im Norden zwischen der Sterneberger Straße/Groß Sterneberg und der Deponie, so der AOS-Geschäftsführer. Das werde bei der Erschließung die derzeitige Verkehrsbelastung der Anwohner deutlich verringern. Der Sand, der derzeit aus Fredenbeck und Wiepenkathen zu etwa 80 Prozent durch Hammah zur Deponie gefahren wird, soll nach Plänen der AOS nicht mehr durch die Dörfer, sondern per Lkw und Schleppergespanne über ausgebaute Feldwege zur Deponie transportiert werden, so Richter.

Der Stader Aluminiumhersteller, mit rund 580 Beschäftigten, benötigt den Sand zur Erweiterung seiner Rotschlammdeponie. „Mit der schrittweisen Erhöhung der Deponiedeiche können wir bis zum Jahr 2028 genügend Stauraum für den Rotschlamm sichern.“ Rotschlamm entsteht bei der Produktion von Aluminiumoxid und Aluminiumhydroxid aus Bauxit. Er enthält noch wertvolle mineralische Rohstoffe, die in späteren Zeiten durchaus noch genutzt werden könnten, so der AOS-Chef. Am Deponie-Verfahren habe man nichts zu verheimlichen und Katastrophen, wie 2010 im westungarischen Ort Ajka, sei technisch vorgebeugt.

„Die AOS wäscht den Rotschlamm vor der Deponielagerung als einziges Unternehmen weltweit, so dass die stark ätzende Natronlauge ausgefiltert wird“, erklärt Volker Richter den Prozess. In Hammah sehen viele Anwohner den geplanten Sandabbau der AOS als „Zerstörung der Landschaft“, so Rolf-Hans Supper von der BI. Gemeinsam mit den Abbaugegnern legt er einen ganzen Katalog von gefürchteten Nachteilen vor.

Supper nennt unter anderem Beeinträchtigung der Lebensqualität beim Sandabbau durch Lärm, Einbußen des Freizeitwertes nach Sperren der Rad- und Wanderwege, Nachteile für die Tierwelt, Tinnitus-Risiken vor allem bei Kindern, Luftbelastung durch Radlader, Saugbagger und Planierraupe mit hohem Ausstoß an Rußpartikeln und Schadstoffen sowie Probleme für das Grundwasser. Auch seien Fragen, wer etwa für Schäden der Häuser nahe der Transportstrecke haftbar gemacht werden könne, oder welche Gefahren ein Deichbruch an der Deponie auslösen könne völlig ungeklärt. Supper und seine Mitstreiter wollen die Entwicklungen der AOS-Vorhaben weiter „misstrauisch und wachsam“ beobachten. Schließlich habe es bereits ohne die BI ein Gespräch zwischen der AOS, Bürgermeister Jürgens und Gemeindedirektor Falcke gegeben.

AOS-Chef Richter bleibt optimistisch. „Auch wenn wir nicht alle von den Vorteilen überzeugen können, so streben wir an, das Land für die nördliche Sandgrube in der Gemarkung Gros Sterneberg zu erwerben.“