24-Jähriger wohnt in Laurens-Spethmann-Häusern in Neu Wulmstorf. Zu wenig Betreuung für erwachsene Behinderte

Neu Wulmstorf. Die Familie Wünsch hat alles aufgegeben. Wohnort, Arbeit, Freunde. Sie haben Berlin gegen Buxtehude getauscht. Die Hauptstadt gegen die Kleinstadt. Aber all das haben sie gerne getan – für ihren Sohn Vincent und für LeA, die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft in Neu Wulmstorf.

Lange hatten Petra und Harry Wünsch nach einer geeigneten Unterkunft für ihren 24-jährigen Sohn, der geistig und körperlich behindert ist, gesucht. In ganz Deutschland hatten sie sich umgesehen. Zwar gibt es zahlreiche Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung im Jugendalter. Aber irgendwann werden sie nun einmal erwachsen, und für die reicht das Betreuungsangebot lange nicht aus, musste das Paar feststellen.

Für die Eltern, die keine Einrichtung für ihr erwachsenes behindertes Kind finden, ist das Seniorenheim der letzte Ausweg. „Furchtbar“, sagt Harry Wünsch, 65, beim Gedanken daran, seinen Sohn in einen Kreis von 80-Jährigen und Älteren zu geben. Das kam nicht in Frage.

Vincent braucht eine intensive Pflege. Die Ärzte diagnostizierten einen angeborenen Stoffwechsel-Defekt im Hirn und prophezeiten, dass er lediglich sein siebtes Lebensjahr erreichen würde. Da er nur Laute von sich gibt, lassen sich seine Bedürfnisse oft nur erahnen. Aber seine Mutter Petra Wünsch, 54, weiß, was ihr Sohn braucht. 20 Jahre lang hatte sie sich um ihn gekümmert, hat ihn gefüttert, gewaschen, gelegt, massiert. Da er unter einer Skoliose leidet, ist er nicht in der Lage aufrecht zu sitzen und muss in einer Schale im Rollstuhl fixiert werden. Petra Wünsch war drauf und dran, weiter zu machen wie bisher. „Ich habe gesagt, ich pflege ihn, bis ich umkippe“, sagt sie.

Aber dann entstand LeA, die integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Neu Wulmstorf, die vor drei Jahren die Laurens-Spethmann-Häuser in Neu Wulmstorf baute. Damit war für die Familie Wünsch das neue Zuhause gefunden. Die Entscheidung, von Berlin nach Buxtehude umzuziehen, um in Vincents Nähe sein zu können, war schnell gefällt. „Wir sind glücklich, dass wir ihn hier unterbringen konnten“, sagt der Vater.

Insgesamt 27 erwachsene Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen leben in der Theodor-Heuss-Straße in Neu Wulmstorf. Auch Schwerst- und Mehrfachbehinderte können hier wohnen, und das macht die Laurens-Spethmann-Häuser zu eine einzigartige Einrichtung im Landkreis Harburg. Dank einer Nachtwache ist die Betreuung über 24 Stunden gewährleistet.

Die Wohngruppen sind so gemischt, dass Schwerbehinderte auch mit Menschen, die einen geringeren Behinderungsgrad haben, zusammenkommen. „Das ist wichtig“, sagt Heiner Albers, der bisherige Leiter der Laurens-Spethmann-Häuser, der jetzt seinen Posten geräumt hat und eine andere Aufgabe hat. Er wurde zum Bürgermeister der Gemeinde Hollenstedt gewählt. Harry und Petra Wünsch freuen sich, dass ihr Sohn voll in der Gruppe integriert ist. Nicht nur sie haben den Wert der Spethmann-Häuser erkannt. 15 Menschen mit Behinderung aus dem Landkreis Harburg, aus Hamburg und dem Landkreis Stade stehen auf der Warteliste. „Die können wir nicht bedienen“, sagt Albers. Das Engagement von LeA beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Wohnhäuser. Mit dem Kiosk „Bon Appetit“ am Neu Wulmstorfer Bahnhof, in dem Menschen mit Behinderung die Reisenden mit Kaffee und Brötchen versorgen, hat LeA feste Arbeitsplätze geschaffen.

Jetzt will der Verein noch einen draufsetzen und plant eigene Wohnungen für Menschen mit schwerer Behinderung und eine Tagesförderung, die es den Bewohnern auch ermöglichen soll, in der Gemeinde Neu Wulmstorf zu arbeiten.