Katharina Vogel spielt in dem Musical „High Fidelity“ eine Hauptrolle. Die Hamburger Musikerin sagt, warum Sex, Drugs & Rock ’n‘ Roll heute out sind

Harburg. Kein Zweifel, die Zeiten, als Musiker noch den Mythos von Sex, Drugs und Rock’n’Roll lebten als gäbe es kein morgen, soffen und alles inhalierten, was nicht schnell genug verdampft war, sind vorbei. Die Hamburger Akustik-Pop-Künstlerin Katharina Vogel sitzt um 10 Uhr am Vormittag in der Helms-Lounge und trinkt einen Minze-Limone-Tee, um die Stimme zu ölen. Und wäre es nicht die vornehmste Aufgabe der Sängerin, eine Erkältung vor der Premiere in den Griff zu bekommen, hätte sie eine Maracujasaft-Schorle gewählt. Die 28-Jährige spielt am Harburger Theater die weibliche Hauptrolle in dem Musical „High Fidelity“, das ab dem 8. Januar zu sehen ist. Der Herzmensch erzählt, wie es ist, einen Kopfmenschen zu spielen, warum das Ensemble bis Mitternacht probt und wo in Harburg die besten Partys sind.

In der Bühnenversion von Nick Hornbys Erfolgsroman „High Fidelity“ spielt Katharina Vogel die Laura. Das ist die Frau, die den Plattenladenbesitzer Rob verlässt, weil sie ihm vorwirft, ein Nichtsnutz zu sein und nie erwachsen werden zu wollen. Der Musiknarr Rob beginnt daraufhin, eine Hitliste seiner schmerzlichsten Trennungen aufzustellen: die Top-Five seiner grandios gescheiterten Beziehungen. Und ausgerechnet der Herzmensch, die Musikerin Katharina Vogel spielt den Kopfmenschen Laura, eine Juristin. „Ich habe mich in die Rolle erst einfinden müssen“, sagt sie, „ich könnte nie ein Kopfmensch sein.“ Immerhin: Den Roman kennt sie bereits aus dem Englisch-Unterricht während ihrer Schulzeit.

Die Musikerin Katharina Vogel ist Quereinsteigerin in das Musical-Fach. Der Produzent ihres Albums „Zwei Minuten“ hat die Musik für das Musical produziert und arrangiert. Er sagte ihr, dass der Regisseur Franz-Joseph Dieken noch jemanden für die weibliche Hauptrolle suche und riet ihr, sich bei ihm vorzustellen. „Ich habe erst einmal gelacht“, erinnert sich Katharina Vogel. Aber dann hat sie vorgesungen – mit Erfolg. Anschließend erhielt die Vollblutsängerin mit der beeindruckenden Stimme noch einen sieben Wochen langen Crashkursus in Schauspiel. So kann Karriere an der Bühne auch gehen.

Die Musik ist für das Musical „High Fidelity“ eigens komponiert. Es ist nicht der Indie-Rock oder verschrobener Electro-Sound wie der Protagonist Rob und seine Freunde ihn hören würden. Das würde das Musical-Publikum nur vergraulen. Stattdessen bekommt es Mainstream-Rock à la Bruce Springsteen, schmissigen Soul und eine herzzerreißende Ballade nur mit Pianobegleitung zu hören. Damit dürfte ein Wohlgefühl garantiert sein. Dazu kommen mehrere Tanzszenen.

Die Schauspieler singen in deutscher Sprache. Das bringt den großen Vorteil mit sich, dass Regisseur Franz-Joseph Dieken auf diese Weise die komplexen Gedankengänge der Romanvorlage dem Musical-Publikum vermitteln kann. Die Songs vermitteln die Story: „Sie gehen kommenden Szenen voraus oder folgen ihnen. So bleibt der rote Faden erhalten“, erklärt Katharina Vogel.

Uraufführung war im Jahr 2012 im Altonaer Theater. „Auf der Bühne sind alle glücklich und im Publikum auch: begeisterter Applaus nach dem großen Gesangsfinale“, schrieb damals das Hamburger Abendblatt. Zur Wiederaufnahme-Premiere am Harburger Theater probt das Ensemble zurzeit besonders intensiv: Wegen des Jahreswechsels und den vielen Feiertagen bleibt den insgesamt zehn Schauspielern nur insgesamt eine Woche. „An jedem Probentag arbeiten wir von zehn Uhr morgens bis Mitternacht“, sagt Katharina Vogel. Die Verpflegung, die sie sich selbst mitbringt, ist auf das Nötigste reduziert: Apfel, Banane, Mohrrübe und Brötchen.

Arbeitsbeginn um zehn Uhr morgens. Äpfel und Mohrrüben in der Tasche. Das klingt so gar nicht nicht nach dem Klischee eines Musikerlebens. Sex, Drugs und Rock’n’Roll – wer so ein leben führe, der werde nicht alt, sagt Katharina Vogel. Das mache der Körper nicht mit. Die neue Musikergeneration zeigt sich verantwortungsbewusst – dem Publikum gegenüber und sich selbst. „Ich möchte nicht auf der Bühne stehen und denken: Hättest du mal lieber mehr geschlafen“, sagt sie. Natürlich geht der Herzmensch Katharina Vogel gerne auf Partys. Aber wenn die Arbeit es erfordert, zeigt sie sich ganz diszipliniert.

Mit Harburg verbindet die gebürtige Hamburgerin keines der üblichen Klischees vom Underdog-Stadtteil, die so oft bei den Menschen im Nordern der Elbe in den Köpfen vorherrschen. „Die besten Partys gibt es in Harburg“, sagt sie und meint den Club „Stellwerk“ im Harburger Bahnhof. Wenn sie ganz für sich ist, hört Katharina Vogel gerne HipHop. Und sie schätzt Beyoncé. Die R&B-Künstlerin sei ein Phänomen – als Sängerin und Performerin.

Die Musikerin Katharina Vogel hat dem Schanzenviertel in Hamburg adé gesagt und lebt jetzt Rissen, dort, wo auch ihre Familie zu Hause ist. Dem Leben in dem Szeneviertel mit seinen Nerds, Farbbeutelattacken der linksautonomem Szene inklusive, weint sie keine Träne nach: „Richtig cool“, sagt sie, „ist dort, wo das Herz zur Ruhe kommt.“ Und insgeheim werden auch Mick Jagger und Iggy Pop dem zustimmen.