Ihr Kurzfilm „Straßenbefragung“ ist das Ergebnis eines dreijährigen Integrationsprojekts für Jugendliche

Salmath und Marta wissen jetzt, was Harburger gerne essen, welche Sprachen sie sprechen, ob sie lieber ein Buch in ihrer Freizeit lesen oder Fahrrad fahren. Die beiden 15 und 16 Jahre alten Schülerinnen der multinationalen Vorbereitungsklasse der Stadtteilschule Maretstraße haben sich mit ihrem Film „Straßenbefragung“ auf eine ganz besondere Art mit ihrer neuen Heimat auseinander gesetzt. Das Ergebnis ihres Projektes ist ein überaus kurzweiliger etwa 15 Minuten langer Streifen. Die einfachen Fragen, die Salmath Lassissi aus Bénin und Marta Kocáková aus der Slowakei ihren Interview-Partnern auf der Straße in Harburg vor laufender Kamera stellen, entwickeln im Gespräch eine eigene Dynamik, mitunter auch Komik. Gezeigt wurde der Film der beiden Schülerinnen beim Harburg Empfang im Feuervogel. Das Publikum war begeistert.

„Wir haben uns einfache Fragen für den Kurzfilm überlegt, weil unser Deutsch zu der Zeit, als wir den Film vor ein paar Monaten gedreht haben, noch nicht gut war. Die Fragen mussten einfach sein, damit wir die Antworten verstehen konnten“, sagt Marta, die zu dem Zeitpunkt erst seit fünf Monaten mit ihrer Familie in Harburg lebte. Die Schülerinnen wollten unter anderem von den Menschen wissen, ob sie Deutschland schön finden und wie ihr Lieblingsessen heißt.

Marta und Salmath haben ihren Film in einem Integrationsprojekt, das das Deutsche Rote Kreuz (DRK) für insgesamt drei Jahre durchgeführt hatte, gedreht. Unterstützt wurden die beiden Jung-Regisseurinnen von Schülern der Kurzfilmschule in Hamburg. Insgesamt sind während dieses Projektes, das mit 50.000 Euro vom Bund finanziert wurde, drei Kurzfilme entstanden. „Wir haben uns in unserer Gruppe überlegt, welches Thema wir für unseren Kurzfilm aussuchen wollen, und die Idee, eine Straßenbefragung zu machen, die Leute einfach nach ihrem Lieblingsessen, ihren Sprachkenntnissen oder ihren Hobbys zu befragen, gefiel uns gut“, sagt Salmath.

Trotz der gezielt einfachen Fragen, hatten den beiden Schülerinnen während der Interviews mitunter Probleme, die Antworten einzuordnen. „Ich konnte mir zum Beispiel überhaupt nichts unter dem Wort Eintopf vorstellen. Oder eine andere Frau, die wir nach ihrem Hobby fragten, antwortete uns, dass sie Tiffany Lampen macht. Das haben wir auch nicht verstanden“, erzählt Marta. In ihrer Klasse fragten die Mädchen ihre Lehrerin nach diesen Begriffen und ließen sie sich erklären. Heute, Monate nach der Straßenbefragung, ist ihr Deutsch deutlich besser geworden. „Das erstaunliche in den multinationalen Vorbereitungsklassen ist, dass die Jugendlichen, die aus vielen verschiedenen Ländern hierher kommen, unter einander Deutsch sprechen müssen, weil Deutsch die einzige gemeinsame Sprache ist, die sie haben. Einige Schüler machen auf diese Weise innerhalb kürzester Zeit enorme Fortschritte bei ihren Sprachkenntnissen“, sagt Klassenlehrer Werner Krauß, der seine Schülerinnen in dem Integrationsprojekt begleitete.

Die nachhaltige Förderung der Integration junger ausländischer Jugendlicher sei das Ziel dieses Projektes „Kompetent und engagiert“, sagt Anastassiya Ponomarenko vom DRK. Sie leitete das Projekt in den Räumen des Jugend DRK. Auch nach der Projektzeit von insgesamt drei Jahren treffen sich viele der Jugendlichen regelmäßig im Jugendtreff des DRK.

„Nachdem wir den Film gedreht hatten, haben wir beide gedacht, der Film ist nichts geworden, der kann sofort in den Müll“, erzählen Marta aus Wilhelmsburg und Salmath. Erst im Schneideraum, als sie gemeinsam mit den Schülern der Hamburger Kurzfilmschule ihren Kurzfilm zusammen schnitten, da sei ihnen klar geworden, dass der Film doch gut geworden sei, sagen die Schülerinnen. „Da waren wir doch ein bisschen stolz auf uns und zufrieden mit unserer Arbeit“, sagt Salmath, die mit ihren Eltern und Geschwistern in Finkenwerder lebt. „Wir haben jedenfalls nach dem Film verstanden, dass die Deutschen gerne Kartoffeln essen, und dass hier viele Englisch sprechen können“, fasst Marta ihre Erkenntnis aus dem Kurzfilm zusammen. Viele Passanten seien gerne stehen geblieben und hätten den beiden Jungfilmerinnen ihre Fragen beantwortet. „Aber es gab auch Leute, die blöd reagiert haben und einfach weiter gegangen sind. Das hat uns gewundert, weil sie doch nicht wissen konnten, welche Fragen wir ihnen stellen würden“, sagt Salmath.

An Integrationsprojekten teilzunehmen und gute Fortschritte in der Sprache zu machen ist aber nur eine Seite im Leben der beiden Mädchen aus der Slowakei und aus Afrika. Insbesondere Salmath sieht sich wegen ihrer Hautfarbe immer wieder, im Schulbus und auf der Straße, dem alltäglichen Rassismus ausgesetzt. „Ich höre oft von anderen Jugendlichen, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollen, weil ich schwarz bin“, sagt Salmath und verhehlt nicht, dass sie darüber sehr traurig ist.