Mit der Initiative My Life hilft der Kreis Harburg Jugendlichen, einen Job zu finden

Buchholz/Winsen. Thorben Diekmann ist ein eher zurückhaltender junger Mann. Der Buchholzer besteht 2006 seinen Realschulabschluss, hängt ein Jahr Elektrotechnik an den Berufsbildenden Schulen in Winsen an und will danach in den Beruf starten. Doch seine Bewerbungen als Elektrotechniker und Mechaniker sind nicht von Erfolg gekrönt. Schließlich entdeckt er im Hamburger Abendblatt einen Hinweis auf die Initiative My Life des Landkreises, die Schülern nach dem Abschluss Hilfe von erfahrenen Managern und Unternehmern anbietet. Das bringt für ihn die Wende.

Über My Life lernt Diekmann Bodo Tietz, heute 75, kennen, einen Firmengründer, der damals für die von Kreis-Sozialdezernent Reiner Kaminski ins Leben gerufene Initiative arbeitet. „Es war kurz vor Weihnachten“, erinnert sich Tietz, „und ich hatte Thorben zu uns nach Hause eingeladen. Er brachte meiner Frau einen kleinen Schokoladen-Weihnachtsmann mit. Das hat mich beeindruckt.“

Zwischen den beiden ist das Eis schnell gebrochen. Tietz fragt nach den speziellen Kenntnissen und Interessen des Schülers, spricht über die eigene Firma und ermöglicht ihm schließlich dort ein Praktikum. Die Chance nutzt Diekmann. Nach gut drei Jahren Ausbildung ist er heute Speditionskaufmann bei der im Gewerbegebiet II von Buchholz angesiedelten Terra. „Dieses Coaching kann ich allen nur empfehlen“, sagt er. Es hat ihm einen festen Job gebracht und sein Selbstvertrauen gestärkt.

Tatsächlich ist der heute 24-Jährige der einzige Jugendliche, den Tietz direkt in sein 1978 gegründetes Unternehmen holt. Denn die Aufgabe der Coachs von My Life liegt nicht darin, Lehrlinge für den Eigenbedarf auszusuchen. „Vielmehr muss es uns egal sein, in welche Branche sie wollen. Es geht darum, die jungen Leute zu motivieren, darüber nachzudenken, was sie werden wollen.“ Dann folgt die Beratung bei den Bewerbungsschreiben, das Training für die Vorstellungsgespräche oder die Hilfe beim Lernen für den Beruf.

Ausgangspunkt für My Life ist im Jahr 2007 die Erkenntnis von Kaminski, der Kreishandwerkerschaft und der Industrie- und Handelskammer, dass jährlich bis zu 400 Schüler keine Ausbildungsstelle finden. Runde Tische zum Problem gibt es immer wieder. Aber der Sozialdezernent will konkret helfen. „Ich habe nach Leuten gesucht, die wissen, wie man in einen Job kommt“, sagt er. Kaminski klappert die Unternehmen ab. Die Resonanz ist unerwartet groß. Bei der Auftakt-Veranstaltung im Mai 2007 für My Life sind 130 Firmen vertreten. Als sie zu Ende ist, haben sich 20 Manager und Unternehmer für die Hilfe gemeldet. Bis heute sind insgesamt 160 Coaches bei My Life beteiligt.

Auf Seiten der Schüler, die von allen Schultypen außerhalb der Gymnasien kommen, wurden bisher 480 längerfristig betreut. 166 gingen in eine Ausbildung, 118 in eine weiterführende Schule und 200 mussten die Betreuung unter- oder abbrechen, weil sie wegzogen, zur Bundeswehr gingen oder nicht kontinuierlich mitarbeiten wollten. „Solche Fälle habe ich auch erlebt“, sagt Tietz.

Einmal steht er vor der Wohnung einer türkischen Familie, die ihn erst gar nicht zur Tochter hineinlässt. „Die haben mich abgewiesen, obwohl ich in meinen international aufgestellten Unternehmen immer viel mit Ausländern zu tun hatte und ihre Mentalitäten kenne“, sagt Tietz. Bei den meisten seiner Schüler jedoch hat er Erfolg. Sieben oder acht vermittelte er in einen Job. Eine Mutter bringt ihm als Dankeschön einmal sogar eine Flasche Wein vorbei.

Grundsätzlich bietet die Initiative in Schulen ihr Programm an. Interessenten können sich bei der Kreisverwaltung melden und einen Anmeldebogen ausfüllen. Die Verwaltung fragt dann bei einem Coach nach. Hat er Zeit, bekommt der jeweilige Schüler seine Daten. Meldet er sich nicht bei dem Coach, versucht der Trainer den Kontakt von sich aus aufzunehmen. Alle Hilfe ist stets ehrenamtlich und kostenlos. Untereinander halten die Coaches über einen seit diesem Jahr eingeführten monatlichen Stammtisch Kontakt. Etwa jedes Vierteljahr wird eine Informationsveranstaltung organisiert. „Wir suchen stets neue Coaches, die sich bei uns melden können“, sagt Kaminski.

Mit dem Fachkräftemangel, unter dem immer mehr Firmen klagen, wird die Vermittlungen von Jugendlichen immer dringlicher. Zwar können die Arbeitsagenturen Jugendlichen helfen. Zum Herbst konnte die große Mehrzahl derjenigen, die sich gemeldet hatten, eine Ausbildung aufnehmen. „Es gibt aber allein beim Jobcenter im Kreis derzeit 235 Jugendliche, die noch nicht versorgt sind“, sagt Kaminski. „Es sind die durchschnittlichen Schüler, deren Bewerbungen von den Personalabteilungen schnell zur Seite gelegt werden. Denen müssen wir helfen“, so Tietz.

Bei Terra, das Tietz und seinen beiden Söhnen Andreas und Michael gehört, ist Diekmann heute in ein internationales Geschäft eingebunden. Das Unternehmen, das rund 100 Menschen beschäftigt und 2003 in das Gewerbegebiet im Norden von Buchholz gezogen ist, bringt Lkw, Krane und Spezialfahrzeuge mit Fahrern zu ihren Käufern und verschifft Fahrzeuge von und nach Übersee.

Das Mutterhaus der Gruppe organisiert 40.000 Transporte pro Jahr und erzielt damit einen Umsatz von 60 Millionen Euro. Der junge Speditionskaufmann arbeitet dabei für Kunden, die ihre Lkw selbst abholen und beantragt die nötigen Kennzeichen bei den Verkehrsämtern in Buchholz und Winsen. Seine Übernahme nach der Ausbildung stand für Tietz und den heutigen Finanzchef Axel Schneidt nie in Frage.

Anstelle von Tietz hat Schneidt jetzt die Aufgabe als Coach bei My Life übernommen. Der Hittfelder, ausgebildeter Groß- und Außenhandels- und studierter Diplom-Kaufmann, freut sich darauf, seinen ersten Schüler bei der Berufswahl zu helfen. Die Aufgabe hat er gern übernommen. „Während meines Studiums in Hamburg habe ich selbst von einem Stipendium der Berliner Stiftung Deutsche Wirtschaft profitiert“, sagt der 41-Jährige.