Chorprojekt will Konsequenzen aus Mitgliederschwund ziehen und Männerchören wieder auf die Sprünge helfen

Winsen. „Ich sprüh’s auf jede Wand: Neue Männer braucht das Land!“ So lautete der Refrain des Songs, mit dem Ina Deter vor drei Jahrzehnten deutsche Hitlisten eroberte. Kreischorleiter Stefan Roßberg hat den provokanten Slogan geringfügig abgewandelt: „Neue Männer(Chöre) braucht das Land“ ist seine Botschaft. Denn der 47-Jährige sieht diese Gattung akut vom Aussterben bedroht. „Den Männerchor, wie wir ihn heute kennen, wird es in fünf bis zehn Jahren nicht mehr geben“, prophezeit er. „Die Nachwuchsdiskussion hat schon Mitte der 80er-Jahre begonnen, nur Konsequenzen sind nie gezogen worden.“

Das soll sich ändern. Im kommenden Jahr möchte der Musikwissenschaftler zeigen, dass Männerchöre und die Vielfalt der zugehörigen Literatur nach wie vor Zukunft und Daseinsberechtigung haben. Das Projekt 2014 des Kreis-Chorverbands Harburg-Winsen richtet sich deshalb ausschließlich an Männer.

Es wird Mitte Februar mit der ersten Probe in der Alten Stadtschule Winsen beginnen und am 18. und 19. Oktober an noch unbekanntem Ort mit im Wortsinn schillernden Konzertereignissen enden. Aufwendige Lichttechnik wird die musikalische Zeitreise durch die vergangenen 150 Jahre stimmungsvoll illuminieren.

Titel von den Comedian Harmonists, Leonard Cohen, Udo Jürgens, Billy Joel, Pat Ballard, den Beach Boys, den Bands „Karat“, „Ramstein“ und „Die Toten Hosen“ werden auswendig vorgetragen. Und nicht nur das: Die Herren sollen beim Singen auch noch swingen. „Ich stelle mir vor, eine Choreografin mit der Ausarbeitung einer Bühnenshow zu betrauen. Denn bei der Präsentation von Unterhaltungsmusik sollten wir nicht wie in Stein gehauen dastehen. Neben klassischer Konzertkleidung werden wir deshalb auch unterschiedliche Outfits benötigen“, erklärt Stefan Roßberg sein Konzept – eine Investition in die Zukunft.

Er mixt klassische Männerchorliteratur des 19. Jahrhunderts mit Unterhaltungsmusik der 1920er und 1930er Jahre, mit zeitgenössischer Literatur und aktueller Popmusik. So haben auch das „Ännchen von Tharau“, der „Lindenbaum“, die „Jagdlieder“ von Robert Schumann und eine zeitgenössische Bearbeitung von „Es klappert die Mühle“ Platz im Programm. Ebenso die Hymne „Jerusalem“ oder weitgehend unbekannte Shantys von Percy Grainger, „einem der verrücktesten Komponisten um 1900“, wie Stefan Roßberg sagt.

Der Vollblutmusiker mag das Ungewöhnliche und hat sogar „Ein Männlein steht im Walde“ vertont. Wer glaubt, das Kinderlied sei simpel zu singen, irrt. In Stefan Roßbergs Version erklingt es nämlich fünfstimmig. Das Anforderungsniveau des Chorprojekts reicht von „leicht“ bis „sehr schwer“. „Voraussetzung für das Gelingen ist die Möglichkeit und die Bereitschaft – über die Probentermine hinaus – sich die Werke zu Hause mit Hilfe des Übungsmaterials aneignen zu können“, erklärt Stefan Roßberg. Im Klartext: Die Sänger sollten einen Computer besitzen, denn alle Noten und Audio-Dateien sind vom Server des Kreischorverbands herunterzuladen.

Bis ins Detail ist alles ist vorbereitet. Nur die wichtigste Hürde ist noch zu nehmen. „Wir müssen genug Männer mit Spaß am Singen vom Sofa hoch kriegen. Erfahrungsgemäß ist das viel schwieriger als bei Frauen“, weiß Manfred Schukat, Vorstandsmitglied des Kreischorverbandes und Organisator des Chorprojekts. Für ihn besteht kein Zweifel: Neue Männer braucht das Land.

Chorerfahrung ist für die Teilnahme im Übrigen nicht zwingend erforderlich. Die Proben im Gesamtumfang von etwa 40 Stunden finden monatlich jeweils sonnabends von 10 bis 17 Uhr an verschiedenen Orten im Landkreis statt. Folgende Probentermine stehen schon fest: 15. Februar, 15. März, 26. April, 17. Mai, 21. Juni, 19. Juli, 20. September und 18. Oktober. Anmeldung mit persönlichen Adressdaten und Angabe der Stimmlage bis Anfang Februar an mitsingen@muwipro.de Kontakt: Stefan Roßberg ist erreichbar unter der Telefonnummer 01701277455.