Janine Marquardt aus Wistedt koordinierte den Einsatz der Johanniter-Unfall-Hilfe auf den Philippinen

Wistedt. Der Taifun „Haiyan“ fegte am 8. November über die Philippinen hinweg. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 380 Kilometern in der Stunde war es der stärkste tropische Wirbelsturm, der je auf Land traf. Mehr als 5700 Menschen sind seither gestorben, viele werden nach wie vor vermisst. Um die verletzten und obdachlosen Einwohner vor Ort zu unterstützen, reiste Janine Marquardt aus Wistedt mit elf Kollegen der Johanniter-Unfall-Hilfe für zwei Wochen auf die Insel Leyte. Als stellvertretende Leiterin koordinierte sie den Einsatz des Teams.

Die Rettungsassistentin gehört seit 2007 zur Auslandshilfe der Johanniter. Sie absolvierte zahlreiche Workshops, bereitete sich mit Lehrgängen auf Einsätze in Katastrophengebieten vor. Am 11. November wurde es Ernst: Früh morgens erreichte sie eine Alarm-SMS aus der Zentrale der Johanniter-Unfall-Hilfe. Einen Tag später saß die Wasserschutzpolizistin dann bereits im Zug nach Frankfurt. Im Logistikzentrum besprach sie mit ihrem Team den bevorstehenden Einsatz, erstellte Lagepläne, sichtete Materialien. „Nach einer kurzen Nacht flogen wir dann über Hongkong nach Tebu“, erzählt Janine Marquardt. 24 Stunden später kam auch das Gepäck der Johanniter an.

Danach ging es mit der Fähre weiter auf die Insel Leyte nach Ormoc. 90 Prozent der Gebäude haben die verheerende Sturmflut und der Wind nahezu komplett zerstört, darunter auch vier der fünf örtlichen Krankenhäuser. Das Team nahm schnell Kontakt zu einheimischen Partnerorganisationen auf, behandelte mehr als 1000 Menschen, errichtete Notunterkünfte, verteilten Lebensmittel und Material zum Wiederaufbau der zerstörten Hütten. „Täglich kamen Hunderte Patienten in unsere provisorischen Behandlungszentren unter freiem Himmel, um Schnittwunden, Erkältungs-, Haut- und Durchfallerkrankungen behandeln zu lassen“, erzählt die 33-Jährige Wistedterin.

Das Johanniter-Team reiste auch in abgelegene Ortsteile und beschrieb den Behörden hinterher die Situation vor Ort. Die Verzweiflung der Menschen ist deutlich zu spüren gewesen, sagt sie. „Alle haben gesagt, dass sie so etwas noch nie erlebt haben. Wir haben viele schlimme Geschichten gehört. Ein Vater erzählte uns, dass er sich an seine Familie geklammert hat, als das Haus um sie herum vom Wind einfach weggerissen wurde.“

Doch trotz des großen Leids hätten viele Einwohner auch Hoffnung auf einen Neuanfang. „Die Menschen strahlten unglaublich viel Kraft und Mut aus. Ich hab ein Schild mit der Aufschrift: ‘Roofless, homeless, but not hopeless’ gesehen. Das trifft die Stimmung im Land eigentlich sehr gut.“ Überall im Katastrophengebiet seien die Menschen inzwischen dabei, ihre Häuser wieder provisorisch instand zu setzen, Straßen zu räumen, Strommasten zu reparieren und Brunnen zu säubern. „Ich empfinde tiefen Respekt und Bewunderung für die Menschen, die schon nach so kurzer Zeit den Wiederaufbau vorantreiben“, sagt Marquardt.

Insgesamt verloren vier Millionen Menschen auf den Philippinen ihre Bleibe, rund 1,2 Millionen Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Mehr als 26.000 Männer, Frauen und Kinder wurden verletzt. Kürzlich warnten die Vereinten Nationen davor, auf den Philippinen seien 1,5 Millionen Kindern von einer Hungersnot bedroht. Zwar sind die humanitären Hilfen angelaufen, es gibt aber noch viel zu tun. Vor allem fehlt es an Nahrung, Trinkwasser und Unterkünften. „Die Leute benötigten dringend unsere Hilfe“, sagt Janine Marquardt. Der zweiwöchige Einsatz sei zwar mental und körperlich sehr anstrengend gewesen, aber auch eine „unglaubliche Erfahrung. Man bekommt einfach viel Dankbarkeit. Ich würde mich sofort wieder an einem Einsatz beteiligen.“