Der Modelleisenbahnverein betreibt im Hamburg Museum die Anlage mit insgesamt 1200 Metern Gleislänge

Das kleine, maßstabgetreue Dixi-Klo passt eigentlich gar nicht zwischen die Gleise kurz hinter dem Harburger Bahnhof. „Aber als unten im Museum Bauarbeiten durchgeführt werden mussten, und für die Bauarbeiter ein Dixi-Klo vor dem Museum aufgestellt wurde, sind einige von uns runter gegangen, haben Maß genommen und das Dixi-Klo hier oben nachgebaut und zwischen die Gleise gestellt“, sagt Helmut Rocco.

Rocco, 65, ist genau wie sein Älterer Bruder Gerhard, 77, eingefleischter Eisenbahnfan. Und beide sind Mitglieder im Hamburger Modelleisenbahnverein. Der Verein betreibt im Hamburg Museum seine Modelleisenbahn. Herzstück der 1200-Meter-Gleisanlage im Obergeschoss des Museums, ehemals Museum für Hamburgische Geschichte am Holstenwall 24, ist der Bahnhof Harburg – maßstabgetreu nachgebaut, wie das Dixi-Klo.

Die Modelleisenbahn-Anlage ist im Maßstab 1:32 (Spur 1), also der Königsklasse unter den Modelleisenbahnen, aufgebaut. Bei den täglichen Vorführungen lässt Vorführer Tobias Matthiessen die historischen und neuen Züge über die Gleisanlage fahren. Matthiesen steht in seinem kleinen Stellwerk über dem Bahnhof und reguliert den Schienenverkehr für die Besucher der Modellbahnanlage.

Wie ein echter Bahnsprecher sagt er die Züge und die Einfahrt-Gleise an. Dass die alten Dampfloks und modernen Züge für die Zuschauer auch fahrplanmäßig fahren, dafür sorgen heute noch die inzwischen rund 40 Mitglieder des 1931 gegründeten Vereins, der mit seiner Modellbahn im Großmaßstab Eisenbahngeschichte erzählen will.

Bei der feierlichen Eröffnung des Harburger Bahnhofs im Kleinformat im Museum für Hamburgische Geschichte am 7. Oktober 1949 ging auch gleich einiges schief. Gerhard Rocco hat damals diesen denkwürdigen Tag als kleiner Junge in kurzen Hosen miterlebt: „Die Elektrik funktionierte nicht. Also haben die Jungs vom Verein dafür gesorgt, dass die Prominenz zuerst die Schnittchen bekam, und sie Zeit hatten, den Schaden zu beheben.“

„Am Ende konnte die erste Vorführung im Museum dann doch noch starten“, sagt Helmut Rocco. Daran, dass alle „unterm Tisch sind und nach dem Fehler suchen, bis der Schaden behoben ist“, so Rocco, habe sich bis heute nichts geändert. Mehrere Vorführungen pro Tag – von dienstags bis sonntags – da muss der Schienenverkehr auf dem Harburger Mini-Bahnhof wie geölt laufen.

Begonnen hat die Vereinsgeschichte der Hamburger Anfang der 30er-Jahre, als ein paar Gymnasiasten gemeinsam die erste Modelleisenbahn aufbauten. „Damals konnte sich einer alleine eine solche Anlage eben nicht leisten. Also haben sie sich zusammen getan. Allerdings waren die Eltern schnell entnervt. Die Eisenbahn musste aus dem Wohnzimmer raus. Die Jungs suchten sich einen Raum, bis sie schließlich ihre Eisenbahn in einer Turnhalle aufbauten“, sagt Helmut Rocco. Dann kam der Krieg, keiner dachte mehr an Modelleisenbahnen.

Nach dem Krieg, die Aufbauarbeiten in Hamburg waren in vollem Gang und einer der Gymnasiasten, Dr. Walter Hävernick, war inzwischen zum Direktor des Museums für Hamburgergische Geschichte ernannt, zogen die Eisenbahn-Enthusiasten ins Obergeschoss des Museums. Damals sei, so Rocco, auch die Entscheidung gefallen, den Harburger Bahnhof nachzubauen. „Der Harburger Bahnhof ist deswegen historisch so interessant, weil an diesem Bahnhof die beiden Strecken aus Hannover und Bremen zusammenlaufen“, sagt Helmut Rocco. Hier können alle Eisenbahntechniken der einzelnen eisenbahngeschichtlichen Epochen sehr anschaulich dargestellt werden. In Harburg gibt es einen Ablaufberg, den die Modelleisenbahner gerade wieder gangbar machen. Hier werden Züge neu zusammen gestellt. Bei aller Detailtreue, einige kleine Freiheiten erlauben sich die Eisenbahnfreunde bei ihrer Darstellung des Harburger Bahnhofs.

Da hängt die schwedische Flagge, die es in natura nicht gibt. Sie ist eine Reminiszenz an die Schweden, die den Eisenbahnern nach dem Krieg aus der Patsche geholfen haben. „Nach dem Krieg bekam man kein Baumaterial für die Modellbahn. Die Schweden haben die Eisenbahnbauer mit Sperrholz versorgt. Im Gegenzug haben damals die Vereinsmitglieder den skandinavischen Nachbarn eine Dampflok in Spur 1 nachgebaut. Und seitdem hängt hier die Flagge“, sagt Rocco, der im Gegensatz zu seinem älteren Bruder beruflich nicht bei der Deutschen Bahn gelandet ist, sondern bis zu seiner Pensionierung im Außenhandel tätig war.

Dienstags ist Eisenbahn-Tag bei den Modellbauern. Man trifft sich in der Werkstatt, ein Stockwerk über der Anlage. Während unten Tobias Matthiessen das Publikum bei der 11 Uhr-Führung unterhält, wird oben in der Werkstatt gebaut und gebastelt. Viele der Triebwagen und Waggons, die eine Etage tiefer auf den Gleisen ihre Runden drehen, sind Marke Eigenbau. „Wir haben festgestellt“, so Rocco, „dass die meisten Industriewagen die Belastung der täglichen Vorführungen hier nicht lange durchhalten.“

„Ich habe noch das alte richtige Handwerk des Fernmeldetechnikers gelernt. Und weil ich einen Draht zur Technik habe und basteln kann, haben mich die anderen zum Werkstattleiter ernannt“, sagt Peter Börnchen. Vor ihm auf dem Holztisch liegt eine alte Dampflock schräg auf dem Dach, eingekeilt in zwei Schaumstoffblöcke. Börnchen stellt gerade den neu eingebauten Motor ein. Der Mann sorgt auch dafür, dass die alte Dampflok, die im Jahr 1897 zur Feier des Tages, als der Harburger Bahnhof eingeweiht wurde, in den Bahnhof einfuhr, auch heute noch läuft. Ein Mal im Monat treffen sich die Vereinsmitglieder zur „Werkstatt-Besprechung“.

Inzwischen sind die Mitglieder des Vereins in Rente. Das Alter liegt zwischen 65 und 77 Jahren. „Jetzt haben wir genug Zeit für unser Hobby“, sagt Helmut Rocco. Ab 10 Uhr treffen die ersten Eisenbahner ein. Um 13 Uhr wird der große Tisch oben in der Werkstatt leer geräumt, und jeder packt sein Butterbrot aus. „Wie viele andere Vereine auch suchen wir neue, junge Mitglieder“, sagt Helmut Rocco, der sich nach seiner Pensionierung seinen eigenen Eisenbahn-Traum erfüllt hat – mit der transsibirischen Eisenbahn von Hamburg bis zum Baikalsee, durch die Mongolei, durch China, Vietnam bis nach Singapur. Sein Bruder Gerhard war bis zu seiner Pensionierung Betriebsleiter und hat einen ganz besonderen Bezug zum Harburger Bahnhof. Er leitete die Bauarbeiten für die neue Strecke zwischen Harburg und Maschen.