Zwei Harburger stecken ein Fünftel ihres Gehalts und ihrer Arbeitskraft in ein Entwicklungshilfeprojekt in Sierra Leone

Bonthe/Eissendorf. „Ich wollte nicht mehr einfach nur sagen: Da müsste doch mal einer was machen – und entschloss mich, selbst etwas zu tun“, beschreibt Lutz Mühlhaus die Initialzündung für sein Engagement in Sierra Leone. Das war ungefähr an seinem 50. Geburtstag. Seitdem geben Mühlhaus und seine Lebensgefährtin Britta Rietzke Lohn und Leistung in ein Entwicklungshilfeprojekt: das „Bonthe Youth Resource Center" (BYRC). Ein Fünftel ihrer Arbeitszeit und ein Fünftel Ihres Einkommens stecken sie in den Aufbau des Ausbildungszentrums für junge Menschen (Das Abendblatt berichtete).

Das Projekt haben sie mit einheimischen Entwicklungsexperten zusammen erdacht und auf den Weg gebracht. In Sierra Leone ist das BYRC mittlerweile eine anerkannte Hilfsorganisation. In Harburg haben Mühlhaus und Rietzke weitere Projektpartner gefunden: Die Eißendorfer Apostelgemeinde und das Heisenberg-Gymnasium unterstützen das Projekt ebenso wie zahlreiche Privatpersonen und Firmen.

Drei Jahre nach Mühlhaus’ 50. Geburtstag trägt das Engagement erste Früchte. Das Ausbildungszentrum hat seinen Betrieb aufgenommen. Fertig ist es noch nicht. Das Zentrum kann und soll noch wachsen. Vor einigen Wochen wurde jedoch das erste Gebäude fertiggestellt und eingeweiht. Der Bürgermeister der Stadt Bonthe, Layemin Joe Sandi, ließ es sich nicht nehmen, persönlich das Band vor dem Eingang zu zerschneiden. Für die kleine Inselhauptstadt ist das Ausbildungszentrum schon jetzt eine wichtige Einrichtung. Von Bonthe aus könnte sich die Arbeit des BYRC auch aufs nahegelegene Festland auswirken, sei es, dass Schüler vom Festland kommen oder Absolventen des BYRC die Insel verlassen und anderswo in Sierra Leone ihr Glück versuchen.

Im Inneren freuten sich die Gäste über die komplett eingerichteten Unterrichtsräume und Werkstätten. Auch zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs ist das in Sierra Leone noch nicht wieder selbstverständlich und überall muss noch improvisiert werden. Bei der Ausstattung des Zentrums halfen auch Harburger Firmen mit Sachspenden, Werkzeug un Dienstleistungen. „So hat uns eine Computerfirma die Rechner so eingerichtet, dass die Lernprogramme auf allen gleich laufen“, sagt Lutz Mühlhaus.

Gleich nach der Eröffnung konnte der Ausbildungsbetrieb beginnen. Sieben Mitarbeiter betreuen Kurse im Tischlern, Nähen, Umgang mit Computern sowie Hauswirtschaft. Die Teilnehmer erwerben hier auch grundlegende kaufmännische Kenntnisse, damit sie sich später tatsächlich selbstständig machen können. „Es nützt nichts, wenn jemand einen Stuhl bauen kann, aber nicht weiß, wie er ihn so verkauft, dass er auch etwas dabei verdient“, sagt Mühlhaus. Mittelfristig ist geplant, den Absolventen mit Mikrokrediten in die freie Wirtschaft zu helfen.

„Dabei geht es im Wesentlichen darum, Waren zu produzieren, die in der Region Käufer finden“, sagt Mühlhaus. „Es wäre zwar auch denkbar, einen Teil der Waren über Dritte-Welt-Läden zu vermarkten, aber das würde schon wieder Abhängigkeiten schaffen, anstatt die örtliche Wirtschaft anzuschieben.“

Das BYRC finanziert sich nur zum Teil aus Spenden. Einen Teil ihrer Ausbildung zahlen die Auszubildenden selbst. Das motiviert sie umso mehr, bei der Stange zu bleiben. Sieben US-Dollar im Monat beträgt das Schulgeld. Nach unseren Verhältnissen nicht viel, in Sierra Leone ungefähr ein Viertel-Monatseinkommen. Die Auszubildenden sind deshalb in Teilzeit im BYRC, ansonsten versuchen sie zu jobben.

Mit den weiteren Gebäuden, die geplant sind, sollen auch mehr Ausbildungsgänge entstehen. „Wir haben zum Beispiel drei Hektar Land rund um das Center“, sagt Lutz Mühlhaus. „Da wären auch Landwirtschaftskurse möglich. Allerdings könnten wir dafür im Moment noch keinen Kursleiter zahlen.“

Das Angebot des Projekts richtet sich nicht nur an Jugendliche im engeren Sinn. Die Teilnehmer sind bis zu 35 Jahre alt. Aber von 1991 bis 2002 herrschte Bürgerkrieg. „Die Sierra-Leoner, die heute Mitte 30 sind, hatten nie eine Jugend, in der sie die Chance auf Bildung und Ausbildung gehabt hätten“, sagt Lutz Mühlhaus.

Gut 50.000 Euro haben Britta Rietzke und Lutz Mühlhaus bislang selbst in das Projekt investiert und Spenden für 120.000 Euro eingeworben. 1500 Euro fließen weiter regelmäßig nach Bonthe. Der Betrieb des Zentrums hat allerdings noch einen weiteren monatlichen Bedarf von 800 Euro und das Zentrum soll ja auch noch wachsen.

Lutz Mühlhaus ist zuversichtlich, dass das klappt. „Die meisten Harburger haben nicht viel im Portemonnaie, aber wenn sie hineingucken, finden sie was“, sagt er. Und dann tut eben nicht irgendjemand irgendetwas. Nähere Informationen über das BYRC findet man im Internet unter www.bonthe-yrc.org. Das Spendenkonto auf den Namen Bonthe Youth Resource Center bei der Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550, hat die Nummer 1262203621.