Adventskalender gibt es in Supermärkten, reichlich und überall. Schon seit Oktober. Verlockend bunt mit 24 Türen und Schokolade dahinter.

Für die Kinder. Damit sie an jedem Tag der schönen Adventszeit eine Tür öffnen können. Adventskalender gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert. Sie gehören zum christlichen Brauchtum wie der Adventskranz. Übrigens eine Hamburger Erfindung. Johann Hinrich Wichern, der Gründer des Rauhen Hauses in Horn, hat ihn 1839 zum ersten Mal für seine Jugendlichen im Betsaal aufgehängt. Dieser Kranz hat für jeden Tag im Advent eine Kerze, große weiße für die Sonntage und kleine rote für die Werktage. Beide, Kranz und Kalender, sollten auf das Christfest einstimmen. Ursprünglich hängte man für alle Tage religiöse Bilder an die Wand. Das war dann der Adventskalender. Oder es wurden Strohhalme in die Krippe gelegt, für jeden Tag einen, bis zum Heiligen Abend. Damit das Christkind es warm hat. Damals war den Menschen noch bewusst, dass die Adventszeit eine Einkehrzeit ist. Und keine vorweggenommene Weihnachtszeit. Daher auch der Brauch, einfach Kreidestriche an eine Wand oder Tür zu zeichnen. Täglich durften die Kinder einen Strich wegwischen. Das stärkte die Vorfreude auf das Christfest.

Der erste Adventskalender ist ebenfalls eine Hamburger Erfindung. Er hatte die Form einer Weihnachtsuhr. Das war 1902. Ein Jahr später brachte ein Münchener Verleger einen gedruckten Kalender mit dem Titel „Im Land des Christkindes“ auf den Markt. Als kleiner Junge hatte er von seiner Mutter vom ersten Dezember an jeden Tag ein kleines Päckchen erhalten. Darauf war jeweils eine Zahl. Und darinnen waren selbst gebackene Plätzchen. Der Verleger ließ einen Bogen herstellen mit 24 Feldern zum Ausschneiden. Die konnten die Kinder auf ein weihnachtlich gestaltetes Bild kleben.

Einen besonderen Kalender, den „Rosengarten-Adventskalender“, hat der Lions-Club-Rosengarten wieder aufgelegt. Er ist künstlerisch gestaltet und für fünf Euro zu haben. Die Käufer können damit Preise gewinnen. Den Erlös aus dem Kauf stellt der Club sozialen Einrichtungen zur Verfügung. Eine schöne Idee, sich vom bloßen Konsumieren abzuheben.

In der Region von Harburg bis Hittfeld ist eine neue Form des Adventskalenders zu erleben. Eine, die es an vielen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon einige Zeit gibt. Es ist der „Lebendige Adventskalender“. Organisiert wird er durch Kirchengemeinden. An jedem Abend in der Adventszeit lädt eine Familie in ihr Haus, auf ihre Terrasse oder in ihre Garage ein. Ein Fenster des Hauses wird adventlich-weihnachtlich und mit einer hell erleuchteten Zahl geschmückt. Verantwortlich für die Gestaltung des nachbarschaftlichen halbstündigen Beisammenseins sind die jeweiligen Gastgeber. Lieder werden gesungen, Gedichte und weihnachtliche Geschichten gelesen. Es gibt Saft für die Kinder und Glühwein für die Großen, Adventsgebäck und Kuchen. Es gibt Zeit für Gespräche. Am Ende gehen alle mit einem Segenswort nach Haus. In Over und Meckelfeld kommen die Bewohner so zusammen. In Rönneburg trifft man sich an 23 Tagen auf Einladung der jeweiligen Gastgeber vor ihrem Haus, am Heiligen Abend vor der geöffneten Kirchentür, die zum Gottesdienst einlädt. In Hittfeld und den umliegenden Orten der Gemeinde, in Lindhorst, Emmelndorf und Helmstorf und vielen weiteren Kirchengemeinden wird der schöne Adventsbrauch gepflegt. Gemeinden und Familien wollen einen Anstoß geben, die Adventszeit wieder als Einkehr- und Vorbereitungszeit zu erleben. Sie wollen ein Zeichen setzen gegen vorweihnachtlichen Stress und Kaufrausch. Das Beisammensein in den verschiedenen Häusern bringt fremde Menschen zusammen und schafft Beziehungen. In einer Zeit, in der sich in der Stadt Bewohner eines großen Hauses oft nicht kennen und nicht einmal „Guten Tag und guten Weg“ sagen, ist es ein schöner Beitrag gegen diese Beziehungslosigkeit. Wenn wir ohne Berührungsängste an einander Anteil nehmen und wenn Vertrauen wächst, ist das Leben nicht kalt, sondern warm und farbig. Manchmal sogar hell wie ein Stern in dunkler Nacht.

Helge Adolphsen war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 Hauptpastor am Hamburger Michel.