Ex-Möbel-Meyn-Chef Karsten Meyn über die geplante Neuansiedlung eines Unternehmens, die ihm verweigert wurde

Neu Wulmstorf. Vor zehn Jahren wollte sich Marktkauf auf dem Möbel-Meyn-Gelände ansiedeln, durfte aber nicht, weil die Politik die Geschäfte an der Bahnhofstraße schützen wollte. Heute will Famila auch da hin, und die Fraktionen zeigen sich plötzlich überwiegend aufgeschlossen. Das Hamburger Abendblatt, Regionalausgabe Harburg & Umland, sprach mit Karsten Meyn, ehemaliger Geschäftsführer von Möbel Meyn, wie er diesen Gesinnungswandel bewertet. Für Meyn wäre die Marktkauf-Ansiedlung damals so etwas wie der rettende Strohhalm gewesen. Als die Politik sie ablehnte, war klar, dass das Möbelhaus die Insolvenz nicht abwenden konnte.

Hamburger Abendblatt:

Herr Meyn, wie sehr hassen Sie die Politik?

Ex-Möbel-Meyn-Chef Karsten Meyn:

Die Politik ist, wie sie ist. Natürlich habe ich wegen der Geschichte unseres Unternehmens, die mit einer Insolvenz endete, ein ganz besonderes Gefühl, wenn es um die Politik in Neu Wulmstorf geht.

Viele behaupten aber auch heute noch, dass es sich bei der Marktkauf-Ansiedlung um eine Ente gehandelt haben soll. Zu einem Ratsbeschluss soll es nie gekommen sein. Wollte Marktkauf denn wirklich nach Neu Wulmstorf?

Karsten Meyn legt zwei Schreiben vor. In dem einen Brief vom 15. September 2003 beschreibt die Gesellschaft für Geschäfts- und Wohnbauten mbH (GWB) ihr Bauvorhaben. Ein Marktkauf mit einer Verkaufsfläche von rund 4200 bis 4900 Quadratmetern, einschließlich eines Getränkemarktes, und 317 Parkplätzen sollte entstehen. „Sofern die baurechtlichen Voraussetzungen (Änderung des B-Plans) noch in diesem Jahr geschaffen werden können, kann das Bauvorhaben voraussichtlich noch in diesem Herbst 2004 fertiggestellt werden“, heißt es in dem Schreiben. In einem späteren Brief von Marktkauf an GWB vom 14. Oktober 2003 unterstreicht die Warenhaus-Kette noch einmal, dass sie zu ihrer Zusage stehe, in Neu Wulmstorf ein Warenhaus anzusiedeln. Marktkauf betonte, dass der Einzugsbereich Hamburg-Neugraben-Fischbek eine wesentliche Rolle spiele, sich in Neu Wulmstorf ansiedeln zu wollen, da es dort bislang kein Warenhaus gebe. „Ein Marktkauf-Warenhaus übt eine große Sogwirkung auf das Umland aus. Diese Ausstrahlung hat nicht nur für Möbel Meyn eine besondere Bedeutung, sondern wird auch den Standort Neu Wulmstorf insgesamt positiv beeinflussen“, steht in dem Schreiben.

Meyn:

Wenn die Politik uns gelassen hätte, wäre Marktkauf jetzt dort, wo sich heute Famila ansiedeln will. Die Planungsfirma Gesellschaft für Geschäfts- und Wohnbauten mbH in Siek war bereits involviert. Und es kam auch zu einem schriftlichen Vorvertrag mit der Firma. Marktkauf sollte das Haus dann mieten. Aber eine politische Abstimmung gab es tatsächlich nicht.

Warum nicht?

Meyn:

Ich hatte gemeinsam mit dem Betriebsrat und dem Insolvenzverwalter die Fraktionen besucht und für unsere Idee geworben, aber sie wurde mit deutlicher Schärfe abgelehnt. Die vorherrschende Meinung war, dass eine Ansiedlung den Einzelhandel an der Bahnhofstraße gefährde. Daraufhin haben wir das Ansinnen direkt vor der entscheidenden Ratssitzung nicht mehr zur Abstimmung gestellt.

Warum haben Sie es denn nicht darauf ankommen lassen?

Meyn:

Die Aussagen der Fraktionen waren mehr als deutlich. Und was erst einmal abgelehnt wird, kann man zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll vorlegen. Dann haben wir Alternativen ausgelotet, zum Beispiel, die Grundfläche in ein Gewerbegebiet umzuwidmen, aber auch das war nicht möglich.

Glauben Sie, dass Möbel Meyn hätte gerettet werden können, wenn die Politik eine Ansiedlung eines Marktkauf-Warenhauses möglich gemacht hätte?

Meyn:

Ich glaube schon, dass es eine Chance gewesen wäre, den Standort zu retten. Wir hatten einen guten Ruf. Das Schlimmste daran war die kompromisslose Art der Entscheidungsträger. Uns wurde sehr deutlich die eigene Machtlosigkeit vor Augen geführt, und das hat besonders meinen Vater sehr getroffen.

Es heißt, die Politik wollte damals nicht die unternehmerischen Fehler ausbügeln, die das Unternehmen Meyn begangen hatte. Oder geben Sie der Krise der Branche die Schuld an der Insolvenz?

Meyn:

Es wäre töricht zu sagen, alle anderen sind schuld. Wir haben die Entwicklung länger gesehen und spät reagiert. Aber der klassische Möbelhandel war am Boden. In der Zeit sind viele Mittelständler in der Branche insolvent gegangen. Die konzeptionelle Verkleinerung des Möbelhauses in Verbindung mit einem Frequenzbringer wie einem Warenhaus wäre der richtige Schritt gewesen.

Es heißt aber, dass ihr Konzept damals sehr unausgegoren war.

Meyn:

Es war das gleiche Konzept wie heute. Warum wird heute darüber diskutiert, wenn es damals schlecht war?

Was für ein Gefühl ist es für Sie, zu sehen, dass die Politik heute dem Ansiedlungsvorhaben offener gegenübersteht?

Meyn:

Bei allen persönlichen Gedanken, die ich habe, bin ich Kaufmann genug, um zu sagen, dass es das Beste ist, was Neu Wulmstorf passieren kann. Es war vor zehn Jahren eine hervorragende Idee für den Ort und es ist es auch heute noch.

Glauben Sie, dass die Geschäftstreibenden an der Bahnhofstraße von Famila profitieren werden?

Meyn:

Nein. Aber zumindest müssen sie keine Einbußen fürchten, sofern ihre Geschäfte und Märkte vernünftig ausgerichtet sind.

Sie sind also grundsätzlich gegen eine Marktregulierung?

Meyn:

Konkurrenz belebt das Geschäft. Eine funktionierende Wirtschaft ist nicht mit Verboten herbeizuführen. Es muss ein Miteinander, aber auch Gegeneinander möglich sein.

Es gibt aber auch Fehlentwicklungen, und da ist es doch richtig einzugreifen.

Meyn:

Wenn es um Monopolstellungen geht, ja. Aber wir reden hier von Vollsortimentern. Wer schützt denn den neunten Friseur, wenn der zehnte aufmacht? Sind denn die anderen Lebensmittelketten wie Edeka oder Lidl besser, weil sie schon da sind?

Glauben Sie, dass sich die Politik am Ende für Famila entscheiden wird?

Meyn:

Natürlich. Sobald diese Nachricht durchsickerte, war mir klar, dass es dazu kommen wird.

Sind Sie da, wenn die Meyn-Häuser abgerissen werden?

Meyn:

Gute Frage. Ich bin da, wenn Famila eröffnet wird.