Wenn Bürgermeister Olaf Scholz für die Große Koalition wirbt und sich der Bezirksamtsleiter auf eine neue Brücke freut

Man(n) kommt rechtzeitig in Harburg. Erst recht zum traditionellen Herrenabend des Wirtschaftsvereins im Privathotel Lindtner. Da wollen aber auch die eingeladenen Damen nicht zurückstehen – und schienen am Freitagabend eine Stunde vor dem offiziellen Beginn gar in der Überzahl. Pudelwohl fühlten sie sich allemal. „Als Bankkauffrau komme ich aus einem von den Männern dominierten Umfeld“, sagte Seevetals frisch gewählte Bürgermeisterin Martina Oertzen. Für Sigrid Gärtner, Geschäftsführerin des Elektrodienstes Wilhelmsburg, ist der Herrenabend ohnehin nicht als Ausschlusskriterium, sondern schlicht als Traditionsbegriff zu verstehen. Gitta Drechsler, Inhaberin des gleichnamigen Harburger Architekturbüros, hat beim Herrenabend schon mehrfach Aufträge hereingeholt. „Mein Ehemann macht sich heute auch einen Herrenabend“, sagte sie. „Zu Hause.“

Als es dann los ging verschoben sich die Gewichte dann aber doch deutlich zugunsten der Smoking-Träger. So traf sich etwa der amtierende Gildekönig von Harburg, Hans Heinrich Böttcher, mit seinem Schützenbruder Marco Bürger aus Ashausen. Bürger hält dem Herrenabend trotz der Verlegung seiner Druckerei nach Reinbek die Treue.

Auch Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) und Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) kamen zusammen. Die Nähe des Senators zu den Unternehmen lobte Jochen Winand, Erster Vorsitzender des Wirtschaftsvereins. Doch Winand erinnerte auch an die Sorgen der 250 Firmen: „Der Verfall der Infrastruktur nagt an unserem Wohlstand.“ Zudem empfahl er erneut, über den Zusammenschluss der Nordländer nachzudenken: „Die für 2020 vorgesehene Schuldenbremse wird den Druck erhöhen.“

Dann jedoch wartete alles auf die Festrede von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Den stellte Winand zwar nach einem „Abendblatt-Zitat“ mit dem Hinweis vor, mit ihm zu arbeiten sei, „wie in Nordkorea Urlaub zu machen.“ Applaus erhielt Scholz dennoch immer wieder. So plauderte er locker über die Verhandlungen in Berlin und machte sich für die Große Koalition stark. „Wir können stolz darauf sein, wie in Deutschland die Parteien zusammenarbeiten können“, sagte Scholz. Die bisherigen zwei Großen Koalitionen hätten einiges erreicht. Zusammen mit Wolfgang Schäuble werde man auch die Finanzierungsfragen hinkriegen. Kunstpause. „Tja“. Allgemeine Heiterkeit. „Die Wünsche sind unermesslich, die Realität unerbittlich.“ Dennoch werde man es am Ende hinkriegen.

Davon geht auch Michael Grosse-Brömer, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aus. „Wir wollen am kommenden Mittwoch den Koalitionsvertrag unterschreiben und am 17. Dezember Angela Merkel zur Kanzlerin wählen“, sagte Grosse-Brömer.

Harburg ist für Scholz nicht „irgendein Teil Hamburgs. Es ist ein „Standort mit Schubkraft“, sagte der Bürgermeister und bezog sich dabei etwa auf die Veränderungen durch die Internationale Bauausstellung, die Internationale Gartenschau oder den hit-Technopark. Hamburg werde sich zu einer der Innovationshauptstädte Europas entwickeln, so der Bürgermeister.

Dabei helfen soll auch Bezirksamtsleiter Völsch, der sich nach der Rede mit einigen Mitarbeitern auf den Flur vor dem Festsaal zurückgezogen hatte. Immerhin lag die Temperatur dort um einige Grade niedriger und der Verwaltungschef musste weniger die Stimme erheben, um Gehör zu finden. Völsch freute sich vor allem darüber, dass Scholz auch die Verbindung des Binnenhafens mit der Harburger City ansprach. Hier geht es um eine barrierefreie Querung über die B73 und die Gleise der Bahn, die bisher nicht existiert. „Wir haben hier die Idee, das Schippsee-Quartier mit dem Schellerdamm zu verbinden. Dabei schweben uns für eine neue Brücke Vorbilder wie etwa am Dammtorbahnhof oder von der neuen Umweltbehörde zum Bahnhof in Wilhelmsburg vor“, sagte Völsch dem Abendblatt. Erste Studien für das Projekt im zweistelligen Millionenbereich sollen demnächst vorgestellt werden.