Liberalisierung des Fernbusverkehrs: Becker Tours ist in den nationalen Liniendienst eingestiegen. Aber noch fahren nur wenige Gäste mit

Tostedt/Hamburg . Endlich weiß Dennis Stephanski heute, wo es in den nächsten Tagen hingeht. Seitdem er im ADAC Postbus sitzt, ist sein Arbeitsalltag leichter geworden. Zuvor hatte der 26-Jährige am Montag keine Ahnung, welche Reiseziele ihn die Woche über erwarteten. Mal stand eine Fahrt mit Senioren nach Bad Zwischenahn auf dem Plan, dann eine Klassenfahrt nach Spanien. Immer wieder eine neue Umgebung, neue Fahrgäste, mit denen er eine Woche lang auskommen musste. Jetzt hat er tägliche Routine: Berlin-Hamburg-Berlin.

Dennis Stephanski fährt für Becker Tours in Tostedt. Das Unternehmen hatte sich in den vergangenen Jahren vor allem auf den Charterverkehr konzentriert. Vereine und Schulen buchten die Busse für ihre Ausflüge und Reisen innerhalb Deutschlands, nach Italien, Spanien oder Frankreich. Doch jetzt ist Becker Tours in den nationalen Fernbusverkehr eingestiegen. Seit 1. Januar ist der Fernbuslinienverkehr liberalisiert. Ein Gesetz von 1934, das zuvor den Fernbusverkehr parallel zu den Bahnstrecken innerhalb von Deutschland nahezu unmöglich gemacht hatte, gilt nicht mehr.

Die Folge: Zahlreiche Busunternehmen drangen auf den Markt. Auch der ADAC und die Deutsche Post mischen mit. Ihr Streckennetz deckt ganz Deutschland ab. Hamburg fahren sie von Bremen und Berlin mehrfach täglich an. Becker Tours teilt sich die Strecke mit zwei anderen Unternehmen auf: mit der Tempelhofer aus Berlin und Stambula aus Hamburg. Insgesamt haben ADAC und die Deutsche Post zehn Busunternehmen unter Vertrag. Allerdings gingen die Konzerne spät an den Start. Während die Konkurrenz schon seit Frühjahr von Stadt zu Stadt fährt, haben ADAC und Deutsche Post ihre Linien erst im November eröffnet.

Dies und die Preise sind vielleicht auch der Grund dafür, dass Dennis Stephanski heute mit einem fast leeren Bus nach Berlin fährt. Zwar will Martin Grundler, Pressesprecher der Deutschen Post AG aus Wettbewerbsgründen keine Fahrgastzahlen nennen, aber ein Blick in die Busse, die an diesem Morgen aus Bremen und Berlin kommen und weiterfahren, zeigt: Die Zahl der Gäste lässt sich an einer Hand abzählen, obwohl 61 Personen Platz hätten. Fabijan Rincic, 40, der im Qualitätsmanagement von Airbus in Hamburg arbeitet, aber seine Familie in Berlin hat, ist einer der fünf Fahrgäste, die aus dem Bus aus Berlin ausgestiegen sind. Da sich die Preise nach dem Zeitpunkt der Buchung richten und er sein Ticket schon vorab gebucht hat, zahlte er mit 19 Euro weitaus weniger als den Höchstpreis. „Moderat“, findet Fabijan Rincic, vor allem, weil es weitaus günstiger ist, als mit der Bahn zu fahren.

Für diejenigen, die eine Fahrkarte am Bus lösen, wird es hingegen deutlich teurer. Von Hamburg nach Berlin kostet ein Ticket 29 Euro. Aber ADAC und Deutsche Post setzen ohnehin nicht auf den Preis, vielmehr ist es ihr Ziel, Qualitätsführer im Fernbusmarkt zu sein. „Das ist unser Anspruch“, sagt Martin Gundler. Der ADAC Postbus biete eine Kombination aus Komfort, Zuverlässigkeit und Stärke der Marken Deutsche Post und ADAC, die es im Markt nur einmal gebe.

Übersetzt heißt das: Wer den ADAC Postbus steuert, hat ein Fahrsicherheitstraining auf dem Gelände des ADAC in Grevenbroich erhalten und wurde im Umgang mit den Kunden von ADAC-Ausbildern geschult. Es gibt eine Servicekraft, die Auskunft gibt und sich um das Gepäck kümmert. Die Busse befördern auch Fahrräder und Behinderte im Rollstuhl. Die Fahrzeuge bremsen automatisch ab, wenn sie einem anderen Fahrzeug zu dicht auffahren und halten ohne Zutun des Fahrers die Spur. „Man braucht eigentlich nur zu sitzen“, sagt Dennis Stephanski und lacht. Der Marktführer Fernbus, Flix Bus, city2city und die Bustöchter bestimmten seit der Liberalisierung bislang weitestgehend den Markt. Jens Becker fühlt sich schon an den Verdrängungswettbewerb, den es vor einigen Jahren auf den internationalen Buslinien gab, erinnert. Bis 2008 hatte Becker Tours alle größeren Städte in Polen angefahren, sich dann aber aus dem Geschäft zurückgezogen. Denn nach der EU-Osterweiterung wurde der Markt genau wie jetzt auch der nationale Fernbusverkehr liberalisiert. Damit war die geschätzte Stellung von Becker futsch.

Heute ist die Konkrrenz nicht gut auf ADAC und Deutsche Post zu sprechen. André Schwämmlein, Geschäftsführer von Flix Bus, spricht von Monopolgewinnen, die in den Fernbusmarkt investiert werden. Er hält es für fragwürdig für den Steuerzahler, dass sich die Staatskonzerne Post und Bahn, die sich mit dem IC Bus am Fernbusmarkt beteiligt, Konkurrenz machen.

ADAC und Deutsche Post greifen jedenfalls an. Und Jens Becker kann es egal sein, ob viele oder gar keine Fahrgäste im Bus sitzen. ADAC und Post bezahlen Becker Tours nach den gefahrenen Kilometern und nicht nach der Auslastung.