Hamburgs 0berbaudirektor Prof. Jörn Walter über den Süden der Hansestadt nach der IBA und der igs

Wilhelmsburg. Als höchster technischer Beamter ist der Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter, 56, seit 1999 maßgeblich an der Stadtentwicklung beteiligt. Im Interview des Hamburger Abendblatts zieht Walter eine Bilanz nach dem Ende von IBA und igs.

Hamburger Abendblatt:

Die erste IBA 1901 gilt als Meilenstein für den deutschen Jugendstil. Welche Akzente hat die Hamburger IBA gesetzt?

Wir haben in Wilhelmsburg und Harburg deutliche Zeichen bei folgender Fragestellung gesetzt: Wie entwickeln wir die stillen Reserven in unseren Städten weiter? Das dort vorhandene große Potenzial galt es zu heben, um eine Entwicklung zu verhindern, die wir für keine Perspektive im 21. Jahrhundert halten – nämlich die weitere Ausdehnung nach außen in die Grünflächen. Das hat bisher niemand in Deutschland in dieser Form gemacht.

Ihre Lieblingsprojekte?

Walter:

Zum Beispiel die Tor-zur-Welt-Schule, die ein ganz wichtiges Zeichen für Wilhelmsburg ist. Außerdem lag mir die Frage am Herzen, ob wir es schaffen, die Backsteinbauten auf der Veddel und in Wilhelmsburg energiefreundlich zu sozial verträglichen Preisen zu sanieren. Insofern ist das Thema Weltquartier im Zusammenhang mit dem Energiebunker ein Schlüsselprojekt gewesen. Und wir haben es geschafft, bei der Diskussion um die Schlossinsel und den Binnenhafen wegzukommen von dem „entweder Hafen oder Stadt“. Jetzt wissen wir: Das geht auch nebeneinander.

Und wie gefällt Ihnen die „Walterburg“?

Walter:

Dieser Namen für die Umweltbehörde ist absolut unpassend, weil das Gebäude keine Burg ist. Im Stadtteil spricht man eher vom bunten Haus oder der „Ringelsocke“. Wie dem auch sei – ich finde es richtig, dass wir endlich mit einer Behörde in den Süden der Stadt gegangen sind. Das ist ein positives Zeichen für den Stadtteil und für ganz Hamburg.

Mit der IBA und der igs sollte der „Sprung über die Elbe“ geschafft werden. Hat das funktioniert?

Walter:

Wir sind eine große Etappe vorangekommen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Wahrnehmung des Hamburger Südens deutlich verändert. Ich hoffe, dass 2030 der Norden und Süden zusammengekommen sein werden.

Nimmt man die Gartenschau als Maßstab, hat man den Eindruck, dass die Botschaft vom Elbsprung bei den Hamburgern nicht angekommen ist – es kamen vor allem Auswärtige.

Walter:

Natürlich sind wir alle enttäuscht über die Besucherzahlen. Wir wollten mehr als zwei Millionen Gäste haben – es sind nur eine Million geworden. Aber ohne die Gartenschau wäre diese Million nicht gekommen – so viele waren noch nie auf der Elbinsel. Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr Menschen den jetzt kostenfrei geöffneten igs-Park besuchen und sich Wilhelmsburg anschauen. Es herrscht noch viel Unkenntnis. Es gilt, die psychologischen Vorbehalte im Hamburger Norden zu durchbrechen. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Wer diese grüne Insel am Wasser sieht, ist begeistert. Jeder, den ich hier herumführe, ist überrascht. Dass wir in einer Stadt mit diesem Potenzial leben, ist geradezu traumhaft schön.

Wilhelmsburg hat was. Harburg auch?

Walter:

Wenn ich von Harburg in Richtung Norden denke, ist der Schritt in den Binnenhafen für Harburg von zentraler Bedeutung. Er verdeutlicht, dass das maßgebliche Charakteristikum auch dieses Bezirks die Wasserlage ist. Es bedarf aber immer einiger Pioniere, um eine positive Entwicklung in Gang zu bringen. Dazu gehören auch die Unternehmen, die sich im Harburger Binnenhafen angesiedelt haben. Dort ist in den letzten zehn Jahren sehr viel passiert. Der Standort ist heute akzeptiert und hat einen Namen: Channel Harburg. Dass es dort attraktiv ist, ist jetzt in den Köpfen angekommen.

Wie soll in Wilhelmsburg ein Gentrifizierungsprozess verhindert werden, wie er im Schanzenviertel stattgefunden hat?

Walter:

Wohnen heißt bleiben. Wir versuchen, die Zuzügler, die wir in Wilhelmsburg und Harburg gut gebrauchen können, im Neubau anzusiedeln. In Wilhelmsburg haben wir keinen Prozess ausgelöst wie er in den Gründerzeitvierteln in anderen Stadtteilen zu beobachten ist, wo durch die Sanierung der Altbestände an der Mietpreisspirale gedreht wurde. Hier greifen keine Verdrängungsmechanismen wie in St. Pauli, St. Georg oder der Schanze. Das hat auch damit zu tun, dass in Wilhelmsburg und auf der Veddel Genossenschaften, die SAGA/GWG und andere Wohnungsbauunternehmen stark vertreten sind. Der Anteil von Wohnungen in Privatbesitz ist sehr gering.

Ihr Fazit nach IBA und igs?

Durch die Ausstellungen ist deutlich geworden, dass Hamburg Potenzial hat, zu bezahlbaren Preisen mitten in der Stadt zu wohnen. Das ist die wichtige Botschaft. Wo wir bislang nur Probleme gesehen haben, richtet sich der Blick durch IBA und igs nun auf diese Themen: Noch viel mehr Menschen können in dieser Stadt im Grünen, am Wasser und im Hafen leben. In einzigartiger Umgebung – mitten in der Stadt.